Diskussion mit Fachleuten:Vertrautes bewahren

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Wichtige Zeugnisse der Nachkriegsarchitektur wie das Schwarze Haus und das Osram-Gebäude hat die Stadt bereits verloren. Experten fürchten, dass die Pläne für die Alte Akademie ihren Charakter verändern. Der Investor spricht von einer Interpretation des Vorhandenen

Von Alfred Dürr

Inmitten der Kommerzwelt der Fußgängerzone mit ihren Läden und Kaufhäusern atmet kein anderer Ort so sehr den Geist der Geschichte, der Bildung und der Kultur wie das Ensemble der Jesuitenkirche St. Michael und der unmittelbar benachbarten Alten Akademie an der Neuhauser Straße. Über Jahrhunderte hinweg erlebte der Komplex mit der Renaissance-Fassade verschiedene Nutzungen - vom Jesuitenkolleg über Universitätseinrichtungen bis hin zum Statistikamt.

Heute gilt die nach den Kriegszerstörungen wieder aufgebaute Alte Akademie als ein Paradebeispiel für den Wandel in der Altstadt, für den Umgang Münchens mit seiner Vergangenheit. Aus dem historischen Quartier, das in den Fünfzigerjahren mit dem sogenannten Hettlage-Bau eine moderne Ergänzung erfahren hat, will der österreichische Konzern Signa nach den Plänen des Büros Morger Partner Architekten aus Basel ein attraktives Areal mit Geschäften, Büros, Wohnungen und Gastronomie machen.

"Wir gehen mit größter Sorgfalt an das Projekt", heißt es beim Investor Signa

An einer solchen Entwicklung scheiden sich die Geister. Im bislang für die Öffentlichkeit verschlossenen Schmuckhof der Alten Akademie diskutierte am Donnerstagabend unter freiem Himmel eine Runde von Fachleuten eher grundsätzlich, welchen baukulturellen und städtebaulichen Wert man den Immobilien aus den Nachkriegsjahrzehnten überhaupt beimisst. Eingeladen hatte die Bayerische Architektenkammer. Deren Vizepräsident Karlheinz Beer erläuterte, wie wichtig, aber auch wie schwierig es sei, den richtigen Weg zwischen dem Bewahren und dem Verändern zu finden.

Einer der besten und kenntnisreichsten Kritiker des Baugeschehens in Bayern, der Dokumentarfilmer und Autor Dieter Wieland, zeigte sich "erschüttert" über die Situation der Alten Akademie: "Warum hat der Freistaat Bayern dieses Gebäude veräußert, ohne jede Auflagen an den Investor zu den Nutzungen?" Städtebaulich sei die Alte Akademie ein "Höhepunkt" in München. Sie präge das Erscheinungsbild der Innenstadt entscheidend. Nun drohe diesem typischen Merkmal eine Veränderung, die man nicht begrüßen könne. Besser wäre es gewesen, den Komplex etwa dem Erzbistum München zu überlassen.

Als Signa-Geschäftsführer unterstrich Christoph Stadlhuber die positiven Auswirkungen der Investition: "Wir gehen mit größter Sorgfalt an die Alte Akademie, auch weil wir sie langfristig in unserem Besitz halten wollen." Das Architekturkonzept beinhalte keine grundlegenden Veränderungen, sondern eine "Interpretation" des Vorhandenen.

Was aber heißt das konkret für die Entwicklung der Altstadt? Welche Chance hat das Neue überhaupt? Jürgen Büllesbach ist Geschäftsführer von Schörghubers Bayerischer Hausbau. Sein Unternehmen hat sich häufig auch mit denkmalgeschützten Gebäuden auseinandergesetzt, zum Beispiel am Marienplatz mit der vor kurzem wieder eröffneten Traditionsgaststätte Donisl oder mit dem gerade sich im Umbau befindlichen Hugendubel-Haus.

Veränderungen müsse man zulassen, forderte Büllesbach, die Altstadt sei kein Museum, die Gesellschaft bewege sich. Die heutige Generation, aber auch künftige Generationen müssten die Chance haben, "die Altstadt weiterzuschreiben". Die Alternative sei Stillstand.

Das erfordert dann allerdings einen sensiblen Umgang der Architekten mit der vorhandenen Bausubstanz. Keine leichte Aufgabe sei das, sagte die Architektin Eva Maria Lang. Zusammen mit ihrem Büropartner Thomas Knerer gestaltet sie die Amerikahaus-Sanierung am Karolinenplatz. Außerdem hat das Büro das 1971 erbaute Appartement-Hochhaus für Studierende am Olympiapark so gekonnt modernisiert, dass der Charakter des typischen Bauwerks nicht verloren ging. "Wir versuchen, die Qualität des jeweiligen Gebäudes zu verstehen und dann einen liebevollen Ansatz bei der Veränderung zu finden", sagte Lang.

Die Qualität der Gebäude aus den Fünfzigerjahren werde unterschätzt, sagt ein Architekt

Die Architektur von 1950 bis zum Ende der Siebzigerjahre präge die Identität vieler deutscher Städte, sagte der Architekt Alexander Fthenakis. Doch die Zeugen dieser jungen Epoche der Architekturgeschichte seien in die Jahre gekommen und bedürften einer besonderen Aufmerksamkeit und Pflege, heißt es in der Publikation "Konservieren Interpretieren Transformieren" der Architektenkammer. Fthenakis ist einer der führenden Experten für die Nachkriegsarchitektur in München. Mit Kollegen hat er an einer Bestandsaufnahme der entsprechenden Gebäude in der Stadt gearbeitet. Oft werde der Wert dieser Architektur ignoriert. Die Konsequenz sei die Preisgabe dieses Erbes an den bautechnischen und ökonomischen Entwicklungsdruck, der speziell auf der Innenstadt laste.

München hat auf diese Weise bereits wichtige Beispiele, wie das sogenannte Schwarze Haus am Färbergraben oder das architekturhistorisch bedeutsame Verwaltungsgebäude auf dem früheren Osram-Gelände verloren. Nun fürchten Kritiker um den Charakter der Alten Akademie. Dazu ist die Botschaft des Investors Stadlhuber klar: "Alles wird gut."

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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