Diskussion in der Schule:Aufruf zur eigenen Meinung

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Politiker beim Schulbesuch (v. li.): Christian Hierneis (Grüne), Berthold Rüth (CSU), Schulleiter Luitpold Klotz, Martin Güll (SPD) und Michael Piazolo (FW). (Foto: Florian Peljak)

Gymnasiasten stellen Fragen zum Flächenfraß: Vier Politiker sind sich erstaunlich einig

Von Thomas Anlauf

Luitpold Klotz hat etwas gegen politische Gleichgültigkeit. Der Schulleiter des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums in Nymphenburg sitzt an diesem Dienstag zwischen vier Politikern auf der Bühne der Schulturnhalle, unten hören ihm und den Landtagsabgeordneten etwa 120 Gymnasiasten der zehnten und elften Klasse zu, als Klotz den Schülern zuruft: "Man kann sich einbringen!" Mit der Einladung der vier Männer auf dem Podium will er zeigen, dass diese gewählten Politiker zwar dezidierte Meinungen vertreten, aber auch nicht immer so genau wissen, was am Besten wäre, wenn es um die Zukunft des Landes, um den eigenen Lebensraum - ja, um Heimat geht. Denn es genügt eben nicht nur darum, alle paar Jahre zur Wahl zu gehen, wie dieser Vormittag zeigen soll, sondern auch darum, dass es die Möglichkeit gibt, sich konkret zu engagieren wie nun beim Volksbegehren gegen den Flächenfraß in Bayern.

Christian Hierneis als Vertreter der Grünen auf dem Podium und Vorsitzender des Bund Naturschutzes in München, ist zwar für den verhinderten Grünen-Landtagsfraktionsvorsitzenden Ludwig Hartmann eingesprungen, aber ihm ist das Thema Flächenfraß ein Herzensanliegen. "Der Boden ist nun mal unsere Lebensgrundlage", sagt er. Das Volksbegehren hätten die Grünen im September gestartet, weil die massive Flächenversiegelung von derzeit etwa 13 Hektar pro Tag genau so weitergehe wie in den vergangenen Jahrzehnten. In Bayern gebe es 11 000 Gewerbegebiete, die leer stehen, so Hierneis, gleichzeitig nehme die Zahl der Vögel und der lebensnotwendigen Insekten in Bayern ab.

Den Flächenfraß einzudämmen, darin sind sich an diesem Dienstag alle vier anwesenden Politiker erstaunlich einig. Michael Piazolo, Landtagsabgeordneter der Freien Wählern, fragt aber gerade deshalb etwas erstaunt in Richtung seines CSU-Kollegen Berthold Rüth: "Warum braucht es erst ein Volksbegehren, dass die CSU jetzt sagt: Es ist zu viel - warum erst jetzt?" Schließlich sei die CSU seit vielen Jahrzehnten in Bayern an der Regierung. Trotzdem hat er Bedenken, künftig pauschal nur noch täglich fünf Hektar Flächenverbrauch in Bayern zuzulassen. In München könne man durchaus ein 15-stöckiges Hochhaus bauen, was Fläche sparen würde, in ländlichen Gemeinden gehe so etwas nicht. "Man müsste das individuell regeln", meint Piazolo.

Auch SPD-Politiker Martin Güll findet bei aller Sympathie für einen Volksentscheid, dass der in die Entscheidungshoheit von Kommunen eingreife. Pauschal gegen die Ausweisung von Gewerbegebieten zu sein, greife zu kurz: "Wir brauchen Arbeitsplätze und wir müssen die Arbeitsplätze zu den Menschen bringen", sagt Güll.

Die Schüler des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums bohren da durchaus nach: Was etwa passiere, wenn es keine neuen Gewerbegebiete mehr gebe und dann die Gewerbesteuer ausbleibe? Wie stehen die Politiker zu dem Hochhausgebot, nicht höher als die Frauenkirche zu bauen? Und warum hat die CSU-Regierung den Alpenplan aufgeweicht? Gute Fragen, auf die Politiker nicht immer gute Antworten haben. Vielleicht erntet deshalb Christian Hierneis am Ende so viel Applaus von den Schülern, als er ihnen rät: "Nichts hinnehmen, alles hinterfragen und eine eigene Meinung bilden!"

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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