Direktmandate in München:Spaenles Angst vor dem Ude-Effekt

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Sieben der acht Münchner Stimmkreise sind in der Hand der CSU. Doch weil der populäre Oberbürgermeister bei der Landtagswahl 2013 als Herausforderer von Horst Seehofer antritt, muss die CSU in München um einige Direktmandate fürchten.

Dominik Hutter

Noch prangt nur dieser eine rote Punkt auf dem München-Plan: Stimmkreis 104, Milbertshofen, heißt das einsame Inselchen. Dort gibt es rund 100.000 Wahlberechtigte und mit Franz Maget den einzigen direkt gewählten SPD-Landtagsabgeordneten Bayerns. Umgeben ist Milbertshofen vom schwarzen Meer - sieben der acht Münchner Stimmkreise sind in der Hand der CSU.

Ludwig Spaenle: Für ihn wäre eine Wahlniederlage im eigenen Gäu äußerst peinlich wäre. (Foto: RUMPF, STEPHAN)

Was auch so bleiben soll, wenn es nach den Christsozialen geht, die sich für die Wahl 2013 betont lässig geben. "Warum sollte ich Angst haben?", fragt Georg Eisenreich. Vor Christian Ude vielleicht? Auf Landesebene, da ist der CSU-Landtagsabgeordnete überzeugt, gelten völlig andere Gesetzmäßigkeiten als im Münchner Rathaus.

Das sieht naturgemäß nicht jeder so. Vor dem inneren Auge von Theresa Schopper etwa hat sich der eintönige Plan schon in einen knallbunten Fleckenteppich verwandelt. "Mindestens sechs Stimmkreise könnten nach der Wahl eine andere Farbe haben", schwärmt sie. Die meisten wohl rot, vielleicht ist aber auch ein bisschen grün dabei, hofft Bayerns Grünen-Chefin.

Als heißester Anwärter für einen politischen Wechsel gilt Schwabing, Stimmkreis 108 - ein für die CSU heikles Pflaster. Denn dort kandidiert ausgerechnet Münchens CSU-Chef, Kultusminister Ludwig Spaenle, für den eine Wahlniederlage im eigenen Gäu äußerst peinlich wäre. Entsprechend giftig geht er immer wieder denjenigen an, der jetzt schon als Hauptverantwortlicher für ein mögliches Wahlschlamassel gilt: Christian Ude, der mit einem derart überragenden Selbstbewusstsein aus dem Mykonos-Urlaub zurückgekehrt ist, dass selbst die Landes-SPD von ungewohnter Aufbruchstimmung befallen ist.

Inzwischen ist vom Ude-Effekt die Rede. Gemeint ist damit: Ein paar zusätzliche Prozentpunkte sind für jeden drin, der auf der SPD-Liste steht. Und vielleicht auch für viele Grüne. Schopper geht davon aus, dass eine Kandidatur des populären Münchner OBs auch der eigenen Partei nützt. Wobei sich die Grünen derzeit schon aus eigener Kraft in neuen Sphären sehen.

Mit dem Ude-Effekt will ich mein Direktmandat wieder holen", sagt der SPD-Abgeordnete Ludwig Wörner, der 2008 im Bezirk Altstadt-Lehel dem CSU-Mann Eisenreich mit etwa 2000 Erststimmen Abstand unterlag. Ähnlich knapp geht es vielerorts in München zu - ob in Bogenhausen, in Giesing oder in Moosach. Wahrscheinlichster Übernahmekandidat, davon ist auch Münchens SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann überzeugt, wäre aber der Spaenle-Bezirk. "Das ist ein interessanter Stimmkreis", sagt Pfaffmann. Zwischen Spaenle und Isabell Zacharias (SPD) lagen 2008 nur 725 Stimmen. Bei der nächsten Wahl wird der Stimmkreis sogar noch um einige rot-grüne Innenstadtbezirke ergänzt - das macht es für Spaenle noch schwieriger, sein Direktmandat zu verteidigen.

Klar, dass der Kultusminister besonders grantig auf den möglichen Ude-Boom reagiert. Relativ unbesorgt können lediglich die CSU-Platzhirsche Otmar Bernhard und Markus Blume sein. Auf eine Übernahme der tiefschwarzen Stimmkreise Pasing und Ramersdorf wagt nicht einmal Schopper zu hoffen.

Ich rechne fest damit, dass wir mit dem Ude-Effekt mehr Stimmkreise holen können", sagt auch Pfaffmann, für den eine wichtige Frage allerdings offen ist: ob Ude vielleicht selbst für einen Münchner Stimmkreis kandidieren sollte. "Darüber müssen wir noch reden", sagt der SPD-Chef, der eher mit dem Verzicht Udes auf eine "Heimatbasis" rechnet. Denn für den neuen Hoffnungsträger gilt ohnehin das Alles-oder-nichts-Prinzip: Klappt es nicht mit dem Traum von der Staatskanzlei, will er bis 2014 Münchner OB bleiben. Der Posten des Oppositionsführers im Landtag komme nicht in Frage, das hat Ude zum Missfallen Spaenles bereits erklärt.

Der Giesinger CSU-Abgeordnete Andreas Lorenz vermutet ohnehin, dass Udes Kandidatur eigentlich zwei vergleichsweise bescheidenen Zielen gilt: die SPD in Bayern vor den Grünen zu halten - und in München den Wunschnachfolger Dieter Reiter durchzubringen. "Das traue ich ihm zu", sagt der einstige Münchner Stadtrat. "Mehr aber auch nicht." Dass Ude tatsächlich Ministerpräsident wird, kann sich Lorenz nicht vorstellen.

Ein echter Nachteil fürs rot-grüne Lager, das zeigen bisherige Wahlergebnisse, ist die gegenseitige Konkurrenz in den Stimmkreisen. Gerade in München sind sowohl die SPD als auch die Grünen überdurchschnittlich stark und nehmen sich beim Kampf um Direktmandate viele Stimmen weg. Grüne Kandidaten wie Theresa Schopper, Claudia Stamm und Ludwig Hartmann haben 2008 jeweils mehr als 15 Prozent der Erststimmen abgegriffen, Margarete Bause kam in Schwabing sogar auf 18.

Von entsprechenden Absprachen vor der Wahl wollen beide Parteien dennoch nichts wissen. "Das ist schon wegen des bayerischen Wahlrechts schwierig", erklärt Schopper. Wer in den Landtag will, ist schließlich anders als bei der Bundestagswahl auf die Summe der Erst- und Zweitstimmen angewiesen. Auch Pfaffmann winkt ab: "Unser Wahlkampf wird sozialdemokratisch sein. Und nicht rot-grün."

© SZ vom 19.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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