Der OB-Kandidat der CSU für München:,,Ich hätte kein Problem mit einer Urwahl''

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Josef Schmid, Aspirant der CSU auf Münchens OB-Amt, bekennt im Interview, dass er sich problemlos einer Mitgliederbefragung stellen würde.

Jan Bielicki, Joachim Käppner, Sven Loerzer, Berthold Neff

Er ist 2002 erstmals in den Stadtrat gewählt worden, übernimmt zum Jahreswechsel den CSU-Fraktionsvorsitz und ist designierter OB-Kandidat seiner Partei: Der 37-jährige Rechtsanwalt und Diplom-Kaufmann Josef Schmid hat schnell Karriere gemacht. Im SZ-Interview bekennt er, dass er sich problemlos einer Mitgliederbefragung stellen würde und nennt die Gründe, weshalb Rot-Grün aus seiner Sicht abgelöst werden muss.

Solide berufliche Basis: Josef Schmid setzt nicht allein auf eine politische Karriere. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Die Diskussion um eine Einführung der Urwahl für CSU-Spitzenkandidaten wie Edmund Stoiber ist voll entbrannt. Wie stehen Sie dazu?

Schmid: Ich halte die Urwahl für den jetzigen Fall nicht für aktuell, weil ich keine Alternativen sehe. Wenn man die Urwahl einführen will, dann müssen diejenigen, die das wollen, einen Antrag auf Satzungsänderung stellen. Das dürfte dann nicht nur für Ministerpräsidenten gelten, sondern für alle Spitzenpositionen - man müsste also einen kompletten Systemwechsel herbeiführen.

SZ: Würden Sie sich einer Urwahl des OB-Kandidaten stellen?

Schmid: Selbstverständlich. Damit hätte ich kein Problem. Ich hätte nicht die Angst, dass ich nicht gewählt würde. Wenn ich die Urwahl nicht bestünde, würde ich guten Gewissens wieder in meine Kanzlei zurückkehren. Wer bei seinen eigenen Leuten nicht gut ankommt, braucht es gar nicht weiter zu probieren.

SZ: Herr Schmid, 2002 sind Sie auf Platz 25 der CSU-Stadtratsliste gestartet und sind jetzt die Nummer Eins. Hätten Sie gedacht, dass es so schnell geht?

Schmid: Nein, so etwas kann man nicht planen, so denke ich auch nicht. Ich bin mit der Motivation gestartet, meine Erfahrungen bei der CSU einzubringen. Der Rest hat sich einfach entwickelt.

SZ: Sie müssen doch daran gedacht haben, ganz vorne mitzumischen?

Schmid: Ich war immer ein strikter Gegner einer solchen Karriere-Planung. Deshalb habe ich 1993 nicht für den Bezirksvorsitz der Jungen Union kandidiert, sondern wollte erst eine solide berufliche Basis haben. So habe ich mich damals für ein Doppelstudium und zunächst gegen die politische Karriere entschieden. Für mich war immer klar, dass ich Politik nur aus einer persönlichen Unabhängigkeit und Stärke heraus machen will. Und wenn man dann ein Amt bekleidet, können sich Optionen ergeben - so wie jetzt bei mir.

SZ: Sie wurden zunächst OB-Kandidat, dann Fraktionsvorsitzender. Was ist Ihr Ziel für die Kommunalwahl?

Schmid: Oberbürgermeister zu werden und die CSU zur stärksten Fraktion zu machen.

SZ: Können Sie die Wahrscheinlichkeiten für diese beiden Punkte angeben?

Schmid: Es würde von fehlendem Realitätssinn zeugen, wenn ich jetzt behaupten würde, ich wäre der Favorit. Es ist wie der Kampf zwischen David und Goliath. Christian Ude hat einen hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad, er hat ein Ergebnis von 64,5 Prozent erreicht. Der relativ unbekannte Schmid ist der David, aber jeder weiß, wie die Geschichte ausgegangen ist. Mir ist es im Leben schon oft passiert, dass man mir so manches nicht zugetraut hat. Meine Eltern habe beide nur die Volksschule besuchen können. Und ich dachte noch nach dem Abitur, dass ich irgendwann die Metzgerei meines Vaters übernehme. Stattdessen habe ich dann ein Doppelstudium durchgezogen. Und 2002 hat auch keiner gewusst, dass ich 2004 stellvertretender Fraktionsvorsitzender sein werde.

SZ: Wie hoch ist die Chance, dass die CSU stärkste Fraktion wird?

Schmid: Bei Landtags- oder Bundestagswahlen ist die CSU immer die stärkste Partei. Wenn es uns gelingt, dieses Verhalten auf Kommunalwahlen zu übertragen, sind unsere Chancen dafür sehr gut.

SZ: Die SPD hat aber einen populären Oberbürgermeister als Zugpferd.

Schmid: Sicher bringt das die Liste nach vorn, aber das kann auch der CSU gelingen. Ich bin zwar noch der große Unbekannte, aber, wie die SZ schrieb, immerhin der ,,bekannteste Unbekannte''. Nach diesen 14 Monaten wird mein Bekanntheitsgrad ganz anderes sein. Deshalb sehe ich hervorragende Ausgangsbedingungen. Auch, weil die CSU jetzt geschlossen agiert. Denkzettel für Affären oder Streit sind jetzt nicht mehr nötig.

SZ: Aber wenn der CSU-Kreisverband IV den affärenbelasteten Landtagsabgeordneten Joachim Haedke wieder aufstellt, den die CSU rauswerfen wollte?

Schmid: Das ist noch gar nicht klar, ob Joachim Haedke das möchte. Ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Und selbst wenn er kandidieren würde, hätte dies mit der Kommunalpolitik nichts zu tun.

SZ: Sie sagten vorhin, Sie sehen sich als David. Aber selbst David benötigte eine Schleuder, um Goliath zu besiegen. Was wird Ihre Schleuder sein?

Schmid: Die wird aus verschiedenen Elementen bestehen und betrifft alle Themen, die für die Zukunft dieser Stadt wichtig sind und für die wir gute Vorschläge gemacht haben: Konsolidierung des Haushalts, städtische Kliniken und Stadtwerke. Wenn ich sehe, wie wenig Reformbereitschaft die SPD da mitbringt, enttäuscht mich das schwer. Ich denke, dass die Verwaltung strukturell verändert werden muss, um zu sparen, auch wenn man auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Es geht zu viel Zeit, Kraft und Kapazität auf Lenkungskreise und Unterausschüsse in der Verwaltung drauf. Ich denke, dass man da bei zwei Milliarden Euro einiges einsparen könnte. Rot-Grün tut da nichts.

SZ: Die CSU trägt aber Sparbeschlüsse, etwa bei den Kliniken, nicht mit.

Schmid: Dort hat die SPD eine Parteibuch-Spitze eingeführt und noch eine mittlere Führungsebene nachgelegt - aber Ärzte sind in der Klinikleitung nicht vertreten, Einsparungen durch bessere Organisation finden nicht statt.

SZ: Die CSU hat dagegen gestimmt, dass bei den unteren Einkommensgruppen gespart wird. Sind Sie dafür, dass die Chefärzte weniger verdienen?

Schmid: Wenn durch Spezialisierung Abteilungen zusammengezogen werden, fällt auch die eine oder andere Chefarztstelle weg. Es ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss, den Chefärzten bei neuen Verträgen weniger zuzugestehen, denn entscheidend ist, ein Anreizsystem zu haben, das Spezialisierungen ermöglicht.

SZ: Wollen Sie bei den Stadtwerken mehr Einfluss des Rathauses oder sollen diese weiter relativ autonom agieren?

Schmid: Entscheidend ist, dass sie nicht derart unkontrolliert agieren.

SZ: Sollen die Stadtwerke künftig von Aktionären kontrolliert werden?

Schmid: Ich habe von Belegschafts- und Bürgeraktien gesprochen, um ein Argument auszuräumen, das Christian Ude gerne als Abschreckung benützt: Dann übernähmen gewinnorientierte Finanzinvestoren die SWM. Das würde auch ich nicht begrüßen. Man müsste die Preispolitik der Stadtwerke beim Aufsichtsrat ansiedeln. So könnten die gewählten Vertreter der Bürger mitbestimmen.

SZ: Sollen die Stadtwerke ihre Preise senken und weniger Gewinn machen?

Schmid: Christian Ude sagt immer, wie wichtig es für die soziale Daseinsvorsorge sei, dass die Stadtwerke in städtischer Hand sind. In Wirklichkeit macht sein Regent, Stadtwerke-Chef Mühlhäuser, eine Politik, die schlimmer ist als bei den Privaten. Das von Ude kritisierte Beispiel, die früher dem Freistaat gehörende Eon, senkt Gebühren oder gibt eine Preisgarantie. Die Stadtwerke tun das nicht.

SZ: Von SWM-Gewinnen profitiert die Stadt, von Eon die Investoren.

Schmid: Das macht es für den Gebührenzahler nicht besser, denn er muss die überhöhten Preise und Gebühren ja zahlen. Es trifft ihn im Geldbeutel, und wie er danach indirekt über den städtischen Etat davon profitiert, ist sehr ungewiss.

SZ: Bei den Privaten kritisiert aber niemand, dass die Gewinne machen.

Schmid: Wenn sich eine Kommune wirtschaftlich betätigt, muss sie andere Ziele verfolgen als Private. Es müsste das soziale Ziel der Stadtwerke sein, den Bürgern das Leben im teuren München erträglicher zu machen, denn die Nebenkosten sind längst zur zweiten Miete geworden.

SZ: Welches Thema wird denn den Wahlkampf beherrschen?

Schmid: Außer den bisher genannten Themen, bei denen ich eine nicht besonders große Reformbereitschaft bei Rot-Grün feststelle, wird ganz entscheidend sein, ob Kinderbetreuung in der Stadt endlich Priorität genießt. Das ist mir ganz wichtig. Denn von einer guten Kinderbetreuung hängt vieles ab: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, höheres Familieneinkommen, bessere Stellung der Frau, verbesserte Integration, vor allem auch das Wohl des Kindes.

SZ: Lange Zeit hat die CSU sich ja gegen Kinderkrippen gestellt und noch im Wahlprogramm 2002 war zu Kinderbetreuung nur ein Halbsatz zu lesen. Woher der plötzliche Erkenntniswandel?

Schmid: Für mich persönlich mit meinen 37 Jahren war es noch nie ein Widerspruch, einerseits an einem traditionellen Familienbild festzuhalten und andererseits die Problemlagen zu lösen, wie sie aus meiner Sicht in besonderer Weise in der Großstadt herrschen. Denn es ist natürlich lächerlich, wenn der Oberbürgermeister oder seine Bürgermeisterin immer darauf hinweisen, dass es in München mehr Betreuungsplätze gibt als auf dem flachen Land. Hier werden sie ja auch gebraucht, auf dem Land weniger. Dort gibt es noch die Großfamilie. Das Leitbild der intakten Familie halte ich dennoch für sinnvoll, weil es der Sehnsucht der meisten Menschen entspricht, mit einem Anderen auf Dauer zusammenzubleiben. Aber es ist selbstverständlich, dass wir alles tun, den konkreten Problemen aller Eltern Herr zu werden. Das ist christliche und soziale Politik.

SZ: Wie kommt es dann, dass die CSU-geführte Staatsregierung eben keine Ganztagesschulen in München anbietet?

Schmid: Der Freistaat hat doch erkannt, dass es Ganztagesschulangebote braucht, und gibt in diesem Jahre mehrere zehn Millionen Euro zusätzlich für Ganztagesbetreuung aus.

SZ: Nur gibt es davon eben keine Ganztagesgrundschulen in München...

Schmid: Auch der Freistaat gibt sein Geld dort aus, wo es am nötigsten ist. Und das ist nicht München, das durchaus etwas für die Ganztagesbetreuung tut. Aber es geht auch um die Frage: Ganztagesschulen oder Ganztagesbetreuung? Das ist ein Streit darüber, ob die Kommunen oder das Land das bezahlen. Ich bin für mehr Ganztagesschulen und mehr Ganztagesbetreuung, weil beides für die Eltern auf das Gleiche hinausläuft.

SZ: Wie sähe denn Ihr Idealzustand der Kinderbetreuung in München aus?

Schmid: Jedes Kind, das einen Platz braucht, muss einen bekommen. Wir etwa brauchen keinen Krippenplatz, weil wir in der glücklichen Lage sind, dass wir zwei Omas, einen Opa und eine Uroma haben, die unsern Sohn Leonhard gerne für ein paar Stunden übernehmen. Viele andere brauchen aber einen Platz. Umso dringender wäre es, dass die von der Stadtverwaltung selber gesetzten Versorgungsgrade erreicht werden. Das wäre der erste Schritt. Denn mehr Versorgung wird auch mehr Leute dazu bringen, Kinderbetreuung nachzufragen - auch weil es nach neuesten Erkenntnissen gut für die Entwicklung der Kinder ist, mit anderen Kindern zusammenzukommen.

SZ: Sie stehen, wenn man so will, für eine großstädtische CSU, die sich von ideologischen Dogmen lösen will. Wie passt es da, dass Münchens Muslime nach Ansicht Ihrer Partei nicht einmal weit draußen neben der Großmarkthalle eine Moschee errichten dürfen?

Schmid: Selbst die SZ hat doch geschrieben, die Forderung nach einem ordentlichen Bebauungsplanverfahren für den Gotzinger Platz sei an sich berechtigt. Sie nehmen uns nur nicht ab, dass wir es ernst meinen.

SZ: Das fällt auch schwer angesichts einiger Stimmen aus Ihrer Partei. Viele Muslime glauben, die CSU wolle die Moschee mit Verfahrenstricks verhindern.

Schmid: Aber darum geht es doch gar nicht. Das Verfahren der rot-grünen Rathauskoalition war einfach nicht richtig. Man muss die Bürger an einem Projekt solcher Tragweite anhören, man muss sie mitnehmen - und genau das möchte ich. Rot-Grün wollte dort schnellstmöglich jeden Widerstand niederwalzen nach dem Motto, die Leute werden sich schon dran gewöhnen, wenn die Moschee mal steht. So kann man mit den Bürgern aber nicht umgehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Integration nicht gegen die angestammte Bevölkerung verwirklicht werden kann, sondern nur mit ihr.

SZ: Wenn es Ihnen wirklich nur um das Verfahren geht, könnte am Ende doch auch herauskommen, dass die Moschee an den Gotzinger Platz passt.

Schmid: Das könnte geschehen. Das weiß man aber nur, wenn man das in einem ordentlichen Verfahren klärt.

SZ: Haben Sie eigentlich schon einen Slogan für den Wahlkampf?

Schmid: Ich will im Wahlkampf sagen: Was zählt, ist München. Herr Ude müsste dann eigentlich sagen: Was zählt, ist er.

SZ: Aber er hat einen Vorteil. Sie wollen Bürgermeister einer Stadt werden, die zu den reichsten und schönsten des Landes gehört, nach Ansicht ihrer Bürger sogar die reichste und schönste ist. Wie wollen Sie da der Rolle des Miesmachers entkommen? Der amtierende OB dagegen kann das Wir-Gefühl predigen.

Schmid: (lacht) Nun, es muss den Menschen ja nicht schlecht gehen, damit sie CSU wählen. Ich will aber, dass die Stadt besser regiert wird als unter Rot-Grün. Ich will eine andere Politik, und ich bin eine andere Person als der Oberbürgermeister. Ich habe noch viele Jahrzehnte vor mir, die ich hier in der Stadt verbringen will. Herr Ude wollte ja eigentlich in Ruhe Bücher lesen, Kabarett-Stücke schreiben, auf Mykonos Wein trinken. Ich will dazu beitragen, dass er bald Gelegenheit dazu bekommt.

© SZ vom 29.01.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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