Demonstrant muss zahlen:3000 Euro Strafe für Merkel-Plakat mit Hakenkreuz

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Bei einer Demonstration zeigte Günter Wangerin das Merkel-Bild mit Hakenkreuz. Das Hitlerbärtchen auf dem Plakat daneben schien niemanden zu stören. (Foto: oh)

Das Hitlerbärtchen störte die Polizei nicht, nur das Bild der Kanzlerin mit Hakenkreuz und Naziuniform: Ein linker Demonstrant, der einmal Tomaten auf Neonazis warf, wird beschuldigt, den Nationalsozialismus zu verherrlichen. Nun muss er für das Merkel-Plakat bezahlen. Im Gericht kommt es zu hitzigen Auseinandersetzungen.

Von Christian Rost

Wo Kunst in München an ihre Grenzen stößt, das lotet Wolfram Kastner immer wieder mal aus. Der Provokateur spazierte einmal verkleidet als Papst mit einem als Hitler kostümierten Kollegen an der Seite durch die Innenstadt und rief prompt die Staatsschutzabteilung der Polizei auf den Plan. Die Sache ging vor Gericht - und wurde eingestellt.

Im Fall des pensionierten Mediziners Günter Wangerin zeigte sich die Justiz hingegen nicht einverstanden mit seiner Vorstellung von Kunst. Der 67-Jährige, der sich im Ruhestand mit den Themen Krieg und Frieden beschäftigt, hatte bei einer Kundgebung ein Bild von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Hakenkreuzbinde und Naziuniform gezeigt. Am Donnerstag stand Wangerin deswegen vor dem Amtsgericht.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete auf Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das klang so, als wollte ausgerechnet der linke Wangerin, der einmal Tomaten auf Neonazis geworfen hatte, den Nationalsozialismus verherrlichen. Das war aber mitnichten so. Vielmehr hatte er an der Demonstration "Echte Demokratie jetzt" am 14. November vorigen Jahres am Wittelsbacherplatz teilgenommen und dort Merkel auf einem Plakat mit den Nazi-Insignien gezeigt. Seine Intention war darzustellen, "wie uns andere Völker in der Eurokrise sehen", sagte der Angeklagte.

Bei der Demo war neben ihm eine Frau gestanden, die ebenfalls ein Merkel-Bild hoch hielt, auf dem die Kanzlerin ein Hitlerbärtchen trug. Während sich die Polizei an dem Bärtchen nicht weiter störte, wurde Wangerin zur Seite genommen. Das Zeigen von Hakenkreuzen sei verboten, wurde ihm erklärt, er musste sein Plakat abgeben. Einen Monat später erhielt er von der Staatsanwaltschaft, die eine 39 Seiten starke Ermittlungsakte angelegt hatte, einen Strafbefehl über 5400 Euro. Dagegen legte Wangerin Einspruch ein.

Vor Gericht erschien er nun nicht alleine. Seine Sympathisanten füllten den ganzen Saal und konnten ihren Unmut darüber, wie die Staatsgewalt gegen Wangerin vorging, kaum unterdrücken. "Die spinnen", war eine vergleichsweise harmlose Bemerkung aus dem Publikum. Als der für den Fall zuständige Staatsschutzbeamte in den Zeugenstand gerufen wurde und mit einer gut sichtbaren Waffe unter dem Sakko erschien, stand ein Zuhörer auf und empörte sich lautstark über diesen Auftritt.

Plädoyer für die Freiheit der Kunst

Die Diskussion zur Sache verlief dann nicht weniger hitzig. Wangerin hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit der Kunst, die Meinungsfreiheit und betonte seine Verbundenheit mit den unter dem Spardruck leidenden Griechen. Durch Merkels Politik empfänden sich nicht wenige Griechen an die Zeit der deutschen Besatzung erinnert. Seine Verteidigerin ergänzte, Wangerin habe "engagierte Kunst" betrieben, als er das Plakat zeigte. Den Staatsanwalt beeindruckte das alles nicht.

Es gehe nämlich "nicht um Majestätsbeleidigung" oder die Situation in Griechenland, sondern einzig darum, dass "Hakenkreuze in der Öffentlichkeit nichts verloren haben". Wenn das Plakat als Kunstwerk durchgehen hätte sollen, hätte Wangerin es mehr verfremden müssen, so der Ankläger. Oder das Plakat so gestalten, dass seine klare Ablehnung des Nationalsozialismus zum Ausdruck kommt. Wangerin hätte das Hakenkreuz nur durchstreichen müssen, sagte der Staatsanwalt.

Die Richterin sah es ebenso und verurteilte Wangerin zu 3000 Euro Geldstrafe - er kündigte sofort Berufung an. Vor der Verhandlung in zweiter Instanz könnte er sich noch Rat bei Wolfram Kastner holen. Der weiß genau, wie weit man in München mit Kunst gehen darf.

© SZ vom 22.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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