Datenschutz:Ohne Wissen im Visier

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Die Münchner Polizei speichert jahrelang Daten von Fußballfans. Die Grünen fordern nun, die Betroffenen zumindest darüber zu informieren

Von Thomas Schmidt

Die Münchner Polizei sammelt Informationen über Hunderte Fußballfans, ohne dass die Betroffenen davon wissen. Nicht nur Gewalttäter werden erfasst, auch von unschuldigen Fans werden Daten jahrelang gespeichert. Die Vorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, fordert nun, Fans zumindest darüber zu informieren, wenn über sie eine Datei angelegt wird. "Die intransparente Datensammlung über Fußballfans ist ein Eingriff in deren informationelle Selbstbestimmung", kritisiert sie und hofft darauf, dass sich der Freistaat ein Beispiel an Nordrhein-Westfalen nimmt.

Wie in Bayern und vielen anderen Bundesländern, so wird auch in Nordrhein-Westfalen eine sogenannte SKB-Datenbank geführt. Die Abkürzung steht für "szenekundiger Beamter". Gespeichert werden Namen und Adressen von Fans, private Informationen zum sozialen Umfeld, Lieblingskneipen, Mitgliedschaften in Fanklubs oder besondere Eigenschaften, und das bis zu zehn Jahre lang. In aller Regel wissen die Betroffenen davon nichts. Sie können zwar einen schriftlichen Antrag stellen, um zu erfahren, ob sie in der Kartei stehen oder nicht - das setzt aber voraus, dass sie überhaupt von dieser Praxis der Polizei wissen. Der nordrhein-westfälische Landtag will dies ändern. Ende März verabschiedete er einen Antrag: Demnach sollen Fans "grundsätzlich über den Umstand der Speicherung ihrer Daten und deren Nutzung" informiert werden. Zudem soll die maximale Speicherdauer auf fünf Jahre halbiert werden. Nun ist die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen aufgefordert, die Entscheidung des Parlaments umzusetzen.

Das wünschen sich auch Datenschützer und Oppositions-Politiker in München. "Klarheit und Transparenz sind bei diesem Thema dringend vonnöten", fordert Grünen-Fraktionschefin Schulze, die nach eigenen Angaben derzeit an einem entsprechenden Antrag für den bayerischen Landtag arbeitet. "Wenn man sich die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung anschaut, die im Mai 2018 in Kraft tritt, ist eine Benachrichtigungspflicht sogar vorgeschrieben." Der Datenschutz innerhalb Europas soll vereinheitlicht werden und Betroffene mehr Kontrolle erlangen. Dass die Polizei Datenbanken anlegt, sei prinzipiell nachvollziehbar, sagt Schulze. "Was natürlich nicht geht, ist, wenn der Datenschutz verletzt wird und die Datenbank nicht rechtmäßig ist."

So sehen das auch Fanvertreter. "Wir sind nicht so vermessen, dass wir der Polizei ihre Arbeit vorschreiben wollen", sagt Jochen Kaufmann vom Fanprojekt München. Das "gesetzlich festgeschriebene Prinzip der Transparenz" müsse aber eingehalten werden, fordert er: Betroffene müssten wissen, wer welche Daten über sie erhebt - und ob diese an Dritte weitergegeben werden. Das Münchner Polizeipräsidium versichert zwar, dass nur ein kleiner Kreis von Sachbearbeitern Zugriff auf die Informationen habe. Andererseits würden "relevante Sachverhalte" an die Vereine übermittelt zum "Zwecke der Prüfung eines Stadionverbotes".

Für Fans ist es schwer einzuschätzen, ob über sie eine Kartei angelegt wurde oder nicht. Denn es braucht keine Strafanzeige, um als potenzieller Gewalttäter erfasst zu werden, schon Kleinigkeiten können ausreichen. Etwa, dass sie in der Nähe einer Schlägerei standen und deshalb von der Polizei kontrolliert wurden. Das Fanprojekt München und die "Vereinigung der aktiven FC-Bayern-Fans" sammelten etwa 220 Anfragen von Stadionbesuchern, die erfahren wollten, ob über sie Informationen gespeichert wurden. Ende März erhielt das Polizeipräsidium den Papierstapel. Das Ergebnis der Anfrage soll laut Angaben des Präsidiums demnächst vorliegen.

Auch Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri würde eine generelle Benachrichtigungspflicht "ausdrücklich begrüßen". Er geht noch einen Schritt weiter und fordert mit Blick auf die Gleichbehandlung, eine solche Benachrichtigungspflicht "auf alle polizeilichen Datenbanken" auszuweiten. "Für eine Privilegierung von Fußballfans sehe ich keinen nachvollziehbaren Grund", argumentiert Thomas Petri. Das aber würde einen enormen Aufwand für die Behörden bedeuten, daher "bin ich gespannt, zu welchem Ergebnis der Entschließungsantrag in NRW führt".

Das bayerische Innenministerium sieht keinen Anlass, etwas an der gängigen Praxis zu ändern. Schließlich hätten die Betroffenen das Recht, einen Antrag auf Auskunft zu stellen. Dies "gewährleistet einen hinreichenden Schutz der Persönlichkeitsrechte", erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Auch eine Halbierung der maximalen Speicherdauer auf fünf Jahre sei "kontraproduktiv", um "sichere Sportveranstaltungen zu gewährleisten". Derzeit gebe es "keine Überlegungen dazu, die bewährten und rechtlich abgesicherten Verfahrensweisen zu ändern".

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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