Das ABC zum Kirchentag:Vom Beichten und Baggern

Kennenlernbörse, Jammertal und Hocker: Ein Kirchentag hat seine ganz eigenen Gesetze. Das kleine ABC soll helfen, das Phänomen Kirchentag zu verstehen.

Peter Wagner

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Ausrüstung: Der erfahrene Kirchentagspilger rückt mit einem Tagesrucksack an, samt Liederbuch, Trinkflasche, Breze, Käppi und Sonnencreme. Pessimisten stecken einen Regenschutz dazu. Optimisten trauen dem Herrgott einen sonnigen Mai zu, müssen aber im Falle einer Enttäuschung zu den Plastikponchos vor Ort greifen, die einen ein bisschen wie ein Zwerg aussehen lassen.Beichten: Ein junger Priester nannte Kirchentage mal "Beichtpartys". Mehr als Hundert Seelsorger lauschen in persönlichen Gesprächen den Sorgen der Besucher. Viele schätzen die Anonymität in der Gemeinschaft: Fremden gegenüber ist man leichter ehrlich.Chrrr, Chrrr: Was wäre ein nächtliches Turnhallenlager ohne Schnarchkonzert? Vielleicht muss man den durch Fremdschnarcher induzierten Schlafentzug als Teil des Erlebnisses betrachten. Diverse Gebets- oder Meditationseinheiten bei Tag eröffnen die Gelegenheit zur Kompensation.Foto: dpa Text: Peter Wagner

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Daheim: Gar nicht leicht, nach fünf Tagen neben Menschenmassen in die eigene Bude zurückzukehren. Es dauert, bis die Eindrücke mit dem vergleichsweise stillen Alltagsleben verschmelzen. Und dann müssen die Beine hochgelegt werden. Sehr dringend, sehr hoch.Ehemaligentreff: Kirchentagsroutiniers beginnen ihre Gespräche gern mit Sätzen wie "Beim Kirchentag in Berlin, nach dem Mauerfall..." oder "Das hat es in Ulm noch nicht gegeben". Die Weisheit der Veteranen klingt manchmal etwas angeberisch, aber wer hört nicht gern eine Erzählung, die so endet: "Und dann hatte ich mich bis ganz nach vorne gedrängelt und stand nur noch zwei Meter von Mutter Teresa entfernt!"Foto: AP

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Fernsehmenschen: Wenn Promipfarrer, Politiker oder gläubige Sportler das Podium erklimmen, lauschen alle andächtig. Besonders begehrt als Referent: Pater Anselm Grün. Weil der das mit der Sinnsuche einfach am besten erklären kann, sagen Fans. Seine Auftritte sind also offenbar Pflichttermine.Gänsehaut: Entsteht zum Beispiel bei der Nacht der Lichter, bei der die Gläubigen die Taizé-typischen Rezitationen sprechen. Tränen der Rührung gehören ebenfalls zum Pflichtprogramm.Foto: dpa

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Hocker: Tausende Papphocker bauen die ehrenamtlichen Helfer zusammen, damit die Besucherscharen nicht im Stehen lauschen müssen. Nicht so bequem wie ein Sessel, aber das ist die Kirchenbank auch nicht.Inspiration: Zum erheblichen Teil pilgern Kirchenmitarbeiter zum großen Glaubenstreff. Sie wollen ihren Ideenvorrat aufstocken. Die Daheimgebliebenen dürfen sich also nicht wundern, wenn in vier Wochen zum Beispiel das "Körpergebet" im Veranstaltungskalender steht. Bei dieser Form der Besinnung spielen unter anderem "Ritualtänze" und "Gebärden der Urgebete" eine Rolle.Foto: Alessandra Schellnegger

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Jammertal: Dieser Ort ist immer dort zu finden, wo gerade wegen Überfüllung die Tür zu einer bestimmten Veranstaltung geschlossen worden ist.Klassenzimmer: Gern benutzt als Schlafstätte. Gerade in Grundschulen üben sich anwesende Pilger in Kindheitsverklärung und atmen bereitwillig den Duft von Linoleumböden und mit Kreide durchwirkten Tafelschwämmen. Zu dieser Gelegenheit gern gebrauchter Satz: "Mein Gott, ist das schon lang her."Foto: dpa

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Liebe: Jugendlichen Kirchentagsbesuchern wird ein besonders hoher Anbandelwille attestiert. Zu Recht.Mitbringsel: Meist nimmt man neue Telefonnummern und viele Versprechen auf ein baldiges Wiedersehen mit mit nach Hause. Doch die Nummern werden dann doch selten gewählt, die Versprechen selten erfüllt - es sei denn, es hat mit dem Anbandeln richtig geklappt.Foto: dpa

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Nähe: Vielleicht die eigentliche Botschaft des Kirchentags: Du bist nicht allein - es sind noch massenweise andere da!Oasen: In eigens ausgewiesenen Bereichen kann man abschalten, meditieren und beten, während drum herum das Leben brummt. Eigentlich der verrückteste Ort des Kirchentags - und weitgehend schnarchfrei.Foto: dpa

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Pfiat di: Für Besucher zum Zwecke des Abschieds aus München einzuübendes Fremdwort. Zur Begrüßung wird, so oder so, die Formulierung "Grüß Gott" empfohlen.Quäker: Wie ein Buffet liegen die fremden Orientierungen an einem Kirchentag vor den Besuchern. Buddhisten reden, Quäker erklären, Charismatiker segnen. Selbst die eisernsten Glaubensbrüder greifen beherzt zu - schließlich kriegen es die Nachbarn aus der heimischen Kirchenbank nicht mit!Foto: dpa

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Raus hier: Einmal Ausreißen gehört zur Pflicht beim Kirchentag. Sei es zum Surfer-Anschauen an den Eisbach oder zum Dösen in den Englischen Garten. Kirchentagsbesucher sind ja keine Tennisspieler. Die sehen von den Städten, in denen sie ihre Turniere spielen, nie etwas.Schal: Heuer ist der obligatorische Pilgerschal so grün wie der junge Mai. Eine auch in modischer Hinsicht durchaus gebräuchliche Farbe.Foto: dpa

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Touristen: Pilger sind keine Touristen. Sie gehören fünf Tage lang zur Stadt.Umsteigen: Der Eintritt berechtigt zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Das ist gut, vor allem in München, wo dem komplizierten Tarifsystem nur mit einer All-Inclusive-Karte beizukommen ist.Foto: Stephan Rumpf

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Voll: Wie groß das Glück, wenn erst nach einem das Schild "Veranstaltung überfüllt" aufgehängt wird. Jenen, die vor dem Schild stehen, sei ein Blick auf Buchstabe Z empfohlen.Waschen: Hygiene bedeutet in solchen Pilgertagen, Zugeständnisse zu machen. Ein Deo sollte aber schon noch in den Rucksack.Foto: ddp

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Xanten: Und wo seid ihr her? Ein Kirchentag ist eine Nachhilfestunde in Geographie. Wo liegt noch mal Xanten?Zeitplan: Viele legen sich Wochen vorher einen Laufzettel zurecht und sind todtraurig, wenn sie eine Veranstaltung verpassen. Dabei ist "sich treiben lassen" die beste Fortbewegungsart auf dem Kirchentag. Entdecken statt Checkliste abhaken. Gilt vielleicht auch für das echte Leben.Foto: Robert Haas Text: Peter Wagner

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