Zukunftsmodell für Hauptschule:Ganz Karlsfeld im Glück

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Die Karlsfelder Lehrer jubeln: Sie haben für die Zukunft ihrer Hauptschule gekämpft - und das mit Erfolg. Bayerns Kultusminister Spaenle hat das Konzept genehmigt.

Wolfgang Eitlerund Gregor Schiegl

Der Kampf der Karlsfelder Lehrer um ihr Modell für eine Hauptschule mit Zukunft hat sich gelohnt. Am Mittwochabend genehmigte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) ihr Konzept, das künftig ermöglicht, in elf Hauptschuljahren die Mittlere Reife auf dem Niveau einer sechsstufigen Realschule zu bewältigen. Karlsfeld ist eine von drei Kommunen in Bayern, welche diese Chance erhalten.

Freude bei den Karlsfelder Hauptschullehrern um Rektor Peter Wummel (hinten Mitte): Die Karlsfelder Hauptschule wird eine Modellschule. (Foto: region.dah)

Einen Tag danach können die Lehrer ihren Erfolg immer noch nicht fassen: "Stimmt es wirklich?" Sie schütteln die Köpfe. Rektor Peter Wummel sagt: "Allmählich begreifen wir unser Glück." Noch vor wenigen Wochen waren er und seine Kollegen deprimiert, weil das Kultusministerium ihren Wunsch nach einer Hauptschule, die zwei zusätzliche Jahre anhängt, um die Mittlere Reife anbieten zu können, abgelehnt hatte. Dabei erhofften sich die Pädagogen von diesem Angebot eine Chance für Kinder, die, aus welchen Gründen auch immer, mehr Zeit benötigen, um ihr Potential auszuschöpfen.

Außerdem verbanden die Lehrer dieses Angebot mit einer besonderen inhaltlichen Ausrichtung der ganzen Schule, in deren Mittelpunkt der Sport und die musischen Fächer stehen sollten. Denn sie sind nach ihrer Einschätzung besonders geeignet, um Qualifikationen wie Teamfähigkeit zu fördern, aber auch die Integration gerade in Karlsfeld zu verbessern, wo 56 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund haben.

Dann kam der 10. Mai. Ludwig Spaenle sollte in Dachau auf Einladung des Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath (CSU) erklären, warum die Reform der Hauptschule zu einer Mittelschule so wichtig ist. Bekanntlich sind viele Lehrer, Eltern, aber auch Bürgermeister skeptisch. Außerdem hätte sich Karlsfeld nach Dachau orientieren müssen. In diesem Verbund hätte die Hauptschule-Süd die Funktion einer Gelenkstelle übernommen.

Aber Karlsfeld wollte sein eigenes, anderes Mittelschulmodell als das von Spaenle favorisierte. Das sieht vor, dass im jeweiligen Mittelschulverbund aus mehreren Hauptschulen der M-Zweig bestehen bleibt, dessen Abschluss mit dem einer Realschule nicht vergleichbar ist. Nach neun Klassen folgt nur noch eine weitere. Die Karlsfelder wollen "neun plus zwei". Einer der Lehrer war während der Diskussionen in Dachau kurz davor, seinen Ärger lauthals zu äußern: "Ich sage lieber nichts, ich habe so einen Hals." Nach dem Ende der Veranstaltung stürzte Spaenle auf Andreas Bauer zu und wollte wissen, warum er so wütend ist. Es entwickelte sich jenes denkwürdige Gespräch zwischen Karlsfelder Lehrern und dem Kultusminister, das, nachträglich betrachtet, die Kehrtwende bedeutete. Gestern fasste Rektor Wummel die Atmosphäre des 10. Mai zusammen: "Spaenle hat gespürt, dass wir nicht nur ein Konzept wollen, sondern welches Herzblut darin steckt."

Dann ging es schnell. Seidenath vereinbarte zwei Termine im Kultusministerium, schließlich meldete sich Spaenle für Mittwoch, 9. Juni, an der Hauptschule zu einer ungewöhnlichen Zeit an. Normalerweise lassen sich Kultusminister vorteilhaft inmitten von Kindern ablichten. Spaenle kam um 18 Uhr, und im Gefolge Landrat Hansjörg Christmann (CSU), Seidenath, Realschulrektorin Angelika Rogg und Schulamtsdirektorin Isolde Stefanski.

Gegen 19 Uhr holte eine bereits strahlende Susanna Zagler ("Warten Sie ab") die Presse hinzu. Spaenle verkündete: "Die Kernbotschaft ist die, dass der Ansatz neun plus zwei für Karlsfeld genehmigt wird." Er begründete diese Entscheidung mit der Sondersituation im Ballungsraum München in unmittelbarer Nähe zu großen Industriekonzernen. Außerdem verfügt die expandierende Gemeinde bis auf die eine private Fachoberschule über keine einzige weiterführende Einrichtung; und dies bei steigenden Schülerzahlen an der Hauptschule.

Spaenle betonte die künftige Kooperation mit der staatlichen Realschule in Dachau. Deren Rektorin Angelika Rogg sieht große Kapazitäten in den Wahlfächern und im Austausch von Lehrern. Schulamtsdirektorin Stefanski äußerte sich begeistert über Spaenle: "Er ist ein Kultusminister, der sich um jede einzelne Schule kümmert."Christmann und Seidenath dachten bereits einen Schritt weiter, weil sich die Struktur des schulischen Angebots im Landkreis verändern dürfte. Karlsfeld bekommt ein eigenes Erfolgsmodell, Dachau wird zum Zentrum des Mittelschulverbunds mit Bergkirchen, Odelzhausen und Hebertshausen. Beide kündigen eine großzügige Förderung an; nicht zuletzt für den Ausbau einer Buslinie von Odelzhausen nach Dachau. Christmann: "Das alles wir sehr zukunftsweisend."

Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe wirkte wie Rektor Wummel im ersten Augenblick sprachlos vor Freude und eilte in den Bauausschuss. Noch vor dem ersten angesetzten Tagesordnungspunkt verkündete er unter dem Applaus des Gremiums: "Die Hauptschule Karlsfeld wird Modellschule. Jetzt haben wir Sicherheit." Bereits im Schuljahr 2011/2012 wird die erste gebundene Ganztagesklasse in Karlsfeld starten. Die verbleibende Zeit werde die Gemeinde nutzen, um das neue Angebot zu bewerben.

Die Genehmigung des Karlsfelder Sonderwegs würdigte Bürgermeister Kolbe als "großen Ansporn". Der Schullandschaft der Gemeinde, die bei Standortentscheidungen für weiterführende staatlichen Schulen immer leer ausgegangen war, werde nun eine "echte Bereicherung" zuteil.

© SZ vom 11.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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