Zukunft des Tierheims:Unerwartete Wende

Lesezeit: 4 min

Die Versorgung von Fundtieren ist eine kommunale Pflichtaufgabe, die der Tierschutzverein Dachau den Gemeinden und der Stadt abnimmt. (Foto: Niels P. Jörgensen)

Das Tierheim Dachau steht vor der Insolvenz, aber die Kommunalpolitik schaut weg. Jetzt fordern die Grünen einen Zuschuss von der Stadt und treten der anhaltenden Diffamierung der ehrenamtlichen Mitarbeiter entgegen

Von Helmut Zeller, Dachau

Mit dieser Wende in der Debatte um das Dachauer Tierheim haben die Tierschützer nicht mehr gerechnet: Die Grünen fordern von der Stadt Dachau Zuschüsse für das Tierheim. Das hat es bisher in 22 Jahren, seitdem Silvia Gruber den Vereinsvorsitz führt, nicht gegeben. Würde die Stadt dem nachkommen, hätte das eine Signalwirkung für die Gemeinden im Landkreis. Das Tierheim hat seit 2001 eine Unterdeckung von zwei Millionen Euro und steht vor der Insolvenz. Die Einrichtung finanziert sich ausschließlich aus Spenden, die rückläufig sind, Mitgliedsbeiträgen und der Fundtierpauschale der Gemeinden. Die Kommunen übertragen ihre Pflichtaufgabe der Fundtierbetreuung auf den Tierschutzverein; die damit verbundenen Kosten aber werden nicht ausreichend erstattet. Deshalb: Zuschüsse. In München ging es auch. Darüber hinaus tritt Stadträtin Luise Krispenz (Grüne) energisch gegen die anhaltende Verleumdung der ehrenamtlich tätigen Tierschützer auf.

In einer gemeinsamen Presseerklärung von Ortsverband und Stadtratsfraktion der Grünen heißt es: "Wir danken dem Tierschutz Dachau e.V. ausdrücklich für die Arbeit, die er tagtäglich für etwas leistet, das eigentlich unsere gemeinsame Aufgabe ist: den Tierschutz." Mit dieser Feststellung reagieren die Grünen auf wiederholte Vorwürfe von Bürgern und Kommunalpolitikern, "auch aus den Reihen des Stadtrates". Es treffe keineswegs zu, so Krispenz, dass das Tierheim Tiere "horten" und nicht vermitteln wolle. Es komme durchaus vor, dass ein Interessent ein Tier nicht bekomme. Das Tierheim unterliege bei der Vermittlung von Tieren Regularien des Tierschutzgesetzes, die es zu erfüllen habe, wenn es sich nicht haftbar machen wolle, erklärt Krispenz. Die Grünen verstünden zwar den Ärger abgewiesener Interessenten. Aber: "Dann das Tierheim zu beschuldigen, seine Arbeit nicht richtig zu machen, ist schlicht unsachlich." "Ein Tierheim ist kein Supermarkt, seine Aufgabe ist der Tierschutz. Und dieser Aufgabe kommt das Tierheim Dachau, mit allen Fehlern die passieren, wo Menschen arbeiten, sehr wohl nach." Von 1176 Tieren im Jahr 2013 waren bis Jahresende alle bis auf 84 vermittelt worden.

Laut Deutschem Tierschutzbund steht jedes zweite der insgesamt 81 Tierheime im Freistaat vor der Insolvenz. Die Kosten für und die Zahl der Fundtiere steigt im Landkreis: Die wachsenden Ausgaben erklären sich unter anderem daraus, dass fast alle der aufgefunden Tiere verletzt oder erkrankt sind. Die Versorgung von Fundtieren macht etwa 70 Prozent aller Aufwendungen aus. Zum Beispiel 2014: 362 000 Euro gab der Verein für die Fundtiere aus, die Fundtierpauschale der Kommunen betrug 154 667 Euro, abzüglich der Steuern von 10 826 Euro blieb ein Defizit von 218 000 Euro.

Tierheim Dachau
:Hoffnung auf rationale Debatte

Der Tierschutz ist eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtaufgabe der Kommunen. Die Politiker sollten endlich aufhören, sich vor der Verantwortung zu drücken

Von Helmut Zeller

Die Fundtierpauschale, mit der sich die Gemeinden von ihrer Pflichtaufgabe freikaufen, bewegt sich zwischen einem und eineinhalb Euro pro Gemeindeeinwohner. Petershausen zahlt 1,30 Euro, Erdweg, Hilgertshausen-Tandern, Schwabhausen und Sulzemoos einen Euro. Odelzhausen und Pfaffenhofen zahlen keine Pauschale - zu Einsätzen in deren Gemeindegebiet werden die Tierschützer dennoch gerufen. Es war ein jahrelanger harter Kampf, bis die anderen Kommunen auf 1,50 Euro gingen.

Die Vereinsvorsitzende Silvia Gruber erkennt das an: Sie wolle sich nicht über die Fundtierpauschale beschweren. Andernorts erhielten Tierschutzvereine noch weniger, da müsse man fair sein.

Im Tierheim Dachau werden jährlich etwa 1200 Tiere aufgenommen, das macht pro Woche 53 Tiere. Darunter sind aber auch viele Abgabetiere: "Diese landen nicht im Tierheim, weil das Tierheim sie unbedingt haben will. Sie landen dort, weil es Menschen gibt, die entweder nicht (mehr) in der Lage sind, sich um ein Tier zu kümmern, für das sie sich einmal entschieden haben oder, was besonders traurig ist, weil sie sich von vornherein des Unterschiedes zwischen Tieren und Sachen nicht bewusst waren", erklärt Stadträtin Krispenz. "Benötigt ein Tier Spezialfutter, tierärztliche Betreuung oder gar eine Operation, muss der Tierschutzverein für diese Kosten in allen Fällen aus seiner eigenen Kasse aufkommen."

Der Tierschutzverein erhält - anders als sonstige ehrenamtliche Vereine - keine Zuschüsse vom Staat oder den Kommunen. Er muss sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanzieren. Den monatlichen Ausgaben von gut 50 000 Euro allein für den laufenden Betrieb stehen nur 29 000 Euro an Mitgliedsbeiträgen gegenüber. Es gibt Spenden, doch sind diese nun schon seit ein paar Jahren rückläufig. Freiwillige Zuschüsse erhalten Tierschutzvereine in Bayern nicht - doch es gibt Ausnahmen. Der Münchner Stadtrat bewilligte einmalig einen Zuschuss für den Neubau eines Katzenhauses im Tierheim der Landeshauptstadt.

Der Einsatz der Tierschützer, die Ehrenamtlichen leisten jährlich 60 000 Stunden, bringe die Stadt Dachau eigentlich in eine recht komfortable Lage, erklärt Luise Krispenz. Denn ohne diese wäre es Aufgabe der Stadt, für das Wohl und die Vermittlung der Tiere zu sorgen. "Bei einer Insolvenz des Tierheimes muss jede Gemeinde des Landkreises selbst sehen, wie sie der Aufgabe der Fundtierbetreuung nachkomme. Eine eigene Einrichtung zu unterhalten käme die Stadt Dachau deutlich teurer zu stehen als dieses vor der Insolvenz zu bewahren. Rechtlich gesehen, ist die Stadt in der Pflicht, sich um "Fundsachen" zu kümmern, dazu gehören auch Tiere, deren Halter nicht ermittelt werden kann. Das Gesetz (BGB) sagt, Tiere sind keine Sachen, werden aber wie Sachen behandelt."

Die Grünen machen klar: "Tierschutz ist in Deutschland gesetzlich verankert und mitnichten ein Privatvergnügen einzelner, das einfach weggelächelt werden kann. Die Tierschützer in Dachau gehen damit nicht einfach einem Hobby nach, sie erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe." Den Grünen geht es nicht nur um die wirtschaftlichen Aspekte. Viel schwerer wiege etwas anderes: "Den Elan und das Herzblut, mit dem sich dort Menschen für das Wohl von Tieren einsetzen, kann man mit Geld nicht kaufen. Und für das Wohl von Tieren zu sorgen bedeutet für die Mitarbeiter des Tierheimes, das sei an dieser Stelle in aller Deutlichkeit erwähnt, die Tiere an neue Besitzer zu vermitteln, die in ihnen kein Accessoire oder Dekostück sehen, sondern ein Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen." Man muss kein erklärter Tierschützer sein, um diese Aufgabe zu unterstützen, sondern "nur" ein verantwortungsbewusster Mensch.

Die Vereinsvorsitzende Silvia Gruber freut sich sehr über den Vorstoß der Grünen: "Seit 22 Jahren ist die Stadträtin Luise Krispenz der erste Kommunalpolitiker überhaupt, der von sich aus auf uns zugegangen ist", erklärte sie der SZ. Die drohende Insolvenz hat eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Auf Facebook hat sich spontan eine Unterstützergruppe gebildet: "Ein Herz fürs Dachauer Tierheim" zählt inzwischen mehr als 1200 Mitglieder. "Zusammen könnten wir unser Tierheim retten", schreiben sie. "Ich bin total perplex", sagte Silvia Gruber, die sich mit den neuen Freunden bereits getroffen hat. Stadträtin Luise Krispenz würdigt die privaten Initiativen auch, will aber die Stadt Dachau nicht aus ihrer Verpflichtung entlassen.

© SZ vom 09.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: