Knapper Wohnraum:Frauenhaus plant WGs mit Seniorinnen

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In knalligen Farben macht das Graffito an der Hauswand der ehemaligen MD Papierfabrik an der Freisinger Straße auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Weil sie keine Wohnung finden, bleiben misshandelte Frauen oft länger in der Schutzeinrichtung und blockieren Plätze.

Von Petra Schafflik, Dachau

Die Wohnungsnot im Landkreis beeinflusst mehr und mehr die Arbeit im Dachauer Frauenhaus. Die Angebote für Unterkünfte in der Region seien 2015 weiter deutlich zurückgegangen, sagt Sozialpädagogin Angelika Huber vom Frauenhaus-Team. Die gravierenden Folgen: Frauen, die bei ihrem Aufenthalt in der Schutzeinrichtung für Opfer häuslicher Gewalt eine neue Perspektive entwickelt haben, fehlt nun die Aussicht auf eine eigene Wohnung als Basis für ein künftig selbständiges Leben. "Das ist enorm frustrierend", betont Huber.

Gleichzeitig blockieren Bewohnerinnen, die mangels Anschluss-Unterbringung nicht aus dem Frauenhaus ausziehen können, länger die Schutzplätze, die Kapazität der Einrichtung sinkt. "Aber wir können gerade Frauen mit Kindern schlecht in die Obdachlosigkeit schicken", sagt Huber. Neue Ideen sind gefragt. Deshalb denkt das Frauenhaus-Team nun darüber nach, Bewohnerinnen in Kontakt zu bringen mit allein stehenden Seniorinnen, die in zu groß gewordenen Familienwohnungen leben. "Das könnte für beide Seiten eine Win-Win-Situation werden", hofft Huber.

Kein Patentrezept, aber eine Lösung für Einzelfälle

In Universitätsstädten gibt es bereits derartige Modellprojekte für generationsübergreifende Wohngemeinschaften. Dort nehmen Senioren, die alleine in großzügigen Wohnungen oder Häusern leben, Studierende für einen günstigen Mietzins auf. Die jungen Leute leisten im Gegenzug für eine preiswerte Unterkunft ihren Vermietern ein wenig Unterstützung im Alltag. Ein Konzept, das sich in abgewandelter Form auch im Landkreis anbieten würde, um den Bewohnerinnen des Frauenhauses ein Obdach zu verschaffen. Gleichzeitig erhielten ältere Bürger praktische Hilfe oder einfach nur Gesellschaft durch ihre Mitbewohner. Das Frauenhaus mit seinem pädagogischen Team würde als Ansprechpartner und Koordinator derartiger Wohngemeinschaften fungieren.

Kein Patentrezept, "aber im Einzelfall könnte es funktionieren", ist Huber überzeugt. Wie überhaupt individuelle Lösungen gefragt sind, um den Bewohnerinnen eine Chance auf ein Leben nach dem Frauenhaus zu verschaffen. Von den sieben Frauen, die 2015 aus der Schutzeinrichtung in eine eigene Unterkunft gezogen sind, konnte nur eine in eine Sozialwohnung in Dachau wechseln. Und das nur, weil sich die Frau schon Jahre vor ihrer Flucht in die Schutzeinrichtung einmal im Wohnungsamt hat vormerken lassen.

Die Wartelisten für Sozialwohnungen sind viel zu lang

Im Regelfall sei eine Sozialwohnung keine realistische Option, betont Huber. Die Wartezeit für geeignete kleine Appartements betrage drei Jahre. "So lange können Frauen nicht bei uns bleiben." Einziger Ausweg seien spezielle Angebote wie etwa das Kreis-Wohnprojekt für Alleinerziehende oder auch Unterkünfte bei Freunden. "Keine einzige der Frauen, die 2015 ausgezogen ist, fand eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt." Dort haben die Bewohnerinnen des Frauenhauses als alleinerziehende Mütter oft mit Migrationshintergrund wenig Chancen. Zudem würden kaum Wohnungen angeboten, die den Mietobergrenzen des Job-Centers entsprechen. Wohnungsmieten, die für zwei Personen in Dachau 564,85 Euro, in den übrigen Landkreisgemeinen 432,25 Euro nicht übersteigen dürfen, seien Mangelware.

Auch wenn die Wohnungssuche bei der Arbeit im Frauenhaus viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt, läuft das reguläre, langjährige bewährte Angebot an Betreuung, Beratung und Begleitung weiter. Als Ergänzung zu den hauptamtlichen Kräften engagiert sich auch ein Team ehrenamtlicher Helferinnen, das zum Beispiel Bewohnerinnen nach ihrem Auszug aus dem Frauenhaus weiter begleitet, Hausaufgabenhilfe geben oder Freizeitangebote betreut. Die Erreichbarkeit des Frauenhauses außerhalb der Bürozeiten wird ebenso von bürgerschaftlich engagierten Frauen gewährleistet. Auch beim Umzug packen die ehrenamtlichen Helferinnen mit an, sobald nur wieder eine Bewohnerin eine eigene Unterkunft gefunden hat. Bei der schwierigen Wohnungssuche bittet das Frauenhaus um Unterstützung: Wer eine Wohnung vermieten würde oder sich eine Wohngemeinschaft vorstellen kann, möge sich melden unter Telefon 08131 / 51 47 26.

© SZ vom 11.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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