Wirtschaft:Standort des Dachauer MAN-Werks ist sicher

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Zwei Jahre lang haben die 500 Beschäftigten um ihren Job gebangt, doch jetzt gibt es wieder eine langfristige Perspektive.

Von Christiane Bracht, Dachau

Zwei Jahre lang haben die etwa 500 Beschäftigen, die beim Nutzfahrzeughersteller MAN in Dachau arbeiten, um ihren Job gezittert. Im Rahmen einer großen Umstrukturierung des gesamten Werks hatte der Vorstand bereits 2015 beschlossen den zentralen Ersatzteilversand von Dachau nach Salzgitter zu verlagern. Peu à peu schickte man 3500 Laster - "das entspricht einer Kolonne von München bis Nürnberg", so Werksleiter Sebastian Gruber - mit insgesamt 72 000 verschiedenen Produktgruppen auf die Reise. Die Dachauer mussten helfen, ihre Arbeit nach Salzgitter umzusiedeln, während sie gleichzeitig weiterhin die ganze Welt mit Ersatzteilen aller Art belieferten. Ihr Werk verwandelte sich immer mehr in eine Baustelle, Böden wurden herausgerissen, die alte Förderanlage kam weg, doch neue Arbeit für die Dachauer war lange Zeit nicht in Sicht. Das schürte die Unsicherheit, die Sorgen wuchsen, auch wenn das Unternehmen den Mitarbeitern versichert hatte, dass der Standort Dachau bleiben und dass niemand betriebsbedingt gekündigt werden solle. Junge Leute waren in den vergangenen zwölf Monaten schwer nach Dachau zu locken, sagt Gruber. Die Perspektive fehlte. Doch jetzt ist sie wieder da. Das große Zittern hat ein Ende.

Werksleiter Sebastian Gruber (rechts) erklärt Oberbürgermeister Florian Hartman die Vorteile der neuen Förderbänder. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein ganzes Bündel an Tätigkeiten haben Vorstand und Betriebsrat inzwischen für den Standort Dachau gefunden. Neben dem regionalen Ersatzteilegeschäft für Süddeutschland, den Balkan, Österreich und Schweiz, werden hier nun bald Reifen für die Produktion in München montiert. Außerdem sortieren die Dachauer demnächst Teile vor, damit der Takt in München nicht aus dem Tritt kommt, man liefert auch Anbauteile für Motoren in die Nürnberger Niederlassung, verpackt Lieferungen, zum Beispiel Achsen, für die Seefracht nach Miami oder Dinge für das Zentrallager in Salzgitter. Künftig sollen auch neue Laster auf Tieflader gehievt werden, damit sie mit Tachostand Null zum Kunden transportiert werden können. Manches braucht noch etwas Zeit, bis die Arbeit aufgenommen werden kann. Aber die Vorbereitungen sind im Gange. Der Betrieb hat schon viel Geld in den Standort Dachau investiert - von Mitte 2016 bis Anfang 2018 werden es 20 Millionen Euro sein. Allein das beruhigt die Mitarbeiter sehr.

Foto: Niels P. Jørgensen (Foto: Niels P. Joergensen)

"Wir sind froh, dass MAN zu seinem Standort steht", sagte Oberbürgermeister Florian Hartmann am Dienstag bei einem Pressegespräch. "Ein großer Konzern kann einen kleinen Standort mit einem Federstrich wegrationalisieren, das haben wir bei der Papierfabrik gesehen, die geschlossen wurde, obwohl sie profitabel war." Hartmann versicherte, er habe immer ein offenes Ohr für MAN. Und so werde die Linie 744 demnächst nach der Spätschicht ein weiteres Mal zum Dachauer Bahnhof fahren. Man müsse noch mit dem Münchner Verkehrsverbund verhandeln. Wenn es schnell geht, verkehrt der Bus bereits ab Herbst, sonst vom Fahrplanwechsel an, so Hartmann.

Altersdurchschnitt von 52 Jahren

"Die Dachauer Kollegen brauchen sich nun keine Sorgen mehr machen", sagte der Betriebsratsvorsitzende Saki Stimoniaris. "Das Schicksal Dachaus ist jetzt eng mit München verbunden." Und das sei immerhin das Herz. Doch "leicht war es nicht, Alternativen zu suchen." 35 Jahre lang sei das Ersatzteilzentrum in Dachau das Auffangbecken von München gewesen. Arbeiter, die bei dem hohen Takt der Produktion nicht mehr mithalten konnten, wurden nach Dachau versetzt. So hat die Belegschaft hier einen Altersdurchschnitt von 52 Jahren. 25 Prozent der Beschäftigten hätten zudem eine Einschränkung, so Grube. Eine hoch qualifizierte Aufgabe konnte man für diese Belegschaft nicht brauchen. Noch dazu sollte sie wirtschaftlich sein. "Eine echte Herausforderung", sagt Stimoniaris. Zudem hat Dachau den Nachteil, dass es nicht an der Autobahn liegt. Doch eine Wegrationalisierung sei "nicht vorstellbar" gewesen. Das Werk im Hinterland habe eine große Tradition, ganze Familien arbeiten hier. Jeder fünfte oder sechste in der Region ist ein MANler, der entweder in München oder Dachau beschäftigt ist.

Die Mitarbeiter können mühelos die Maschinen, die jetzt in der passenden Höhe angebracht sind, bedienen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Aber Dachau hat auch Vorteile: So hat das Unternehmen hier Platz. Das Firmenareal ist 110 000 Quadratmeter groß, die überdachte Fläche beträgt, laut Gruber, 54 000 Quadratmeter, München platzt dagegen aus allen Nähten. Und so habe man eben Teile, die für die Produktion wichtig sind, ausgelagert - zum Beispiel die Montage der Reifen. Der komplette Satz für einen Laster wird demnächst fix und fertig nach München geliefert. Ohne das Werk in Dachau hätte man einen Dienstleister beauftragen müssen. Für MAN wäre dies jedoch teurer gewesen. Auf derartigen betriebswirtschaftlichen Berechnungen fußt übrigens die gesamte Umstrukturierung. Anders als früher ist jetzt jede Niederlassung spezialisiert auf ihr Gebiet: In München ist die Produktion, in Nürnberg werden Motoren gebaut, Salzgitter ist der Komponentenstandort und Dachau der "Logistikpark". Wenn die Produktion steigt, wird übrigens auch die Arbeit in Dachau mehr, erklärt Gruber. Das sei eine große Chance für das Werk, sogar noch zu wachsen.

365 Tage im Jahr 24 Stunden lang sei man hier für die Kunden erreichbar, so Gruber. Egal, wann die Bestellung komme, sie werde bis sieben Uhr morgens am nächsten Tag ausgeliefert. Die ersten Laster verlassen um 15.30 Uhr das Gelände an der Max-Planck-Straße, die meisten fahren zwischen 19 und 20 Uhr los. Großes Lob sprach Werksleiter Gruber seinen Mitarbeitern aus, die trotz ihrer schwierigen persönlichen Situation und den vielen Baustellen in der Halle den Betrieb am Laufen gehalten hatten und die 2500 Kunden in aller Welt belieferten und sogar noch Überstunden machten.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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