Westlich der Bahn:Ein Einkaufszentrum für 2800 Karlsfelder

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Jahrelang gab es kein einziges Geschäft des täglichen Bedarfs im wachsenden Ortsteil westlich der Bahn. Jetzt zeichnet sich eine Wende ab.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Jahrelang mussten die Karlsfelder im Ortsteil westlich der Bahn lange Wege in Kauf nehmen, um ihre täglichen Besorgungen zu erledigen. Nun zeichnet sich eine Wende ab. Nahe dem S-Bahnhof soll 2017 ein Supermarkt entstehen. Noch in diesem Jahr will die Erl & Streicher Bau- und Projektentwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG aus Deggendorf einen entsprechenden Bauantrag einreichen. Das bestätigte eine Sprecherin des Unternehmens der SZ. Details wollte sie jedoch gegenwärtig noch nicht nennen. In den kommenden Wochen liefen noch Gespräche mit Interessenten. Ehe die nicht abgeschlossen seien, wolle sie auch keine Namen nennen. Auch über die Größe des Supermarkts und ergänzende Geschäfte wie Bäckereien oder Drogerien machte sie keine Angaben.

Die Firma Erlbau errichtet am S-Bahnhof eine Seniorenanlage für Betreutes Wohnen. Mit 252 Wohnungen soll sie die größte Einrichtung ihrer Art in Bayern sein und wird dem Ortsteil von 2017 an wohl noch mal einige hundert Neubürger bringen. Aus der kleinen Splittersiedlung westlich der Bahn ist in den vergangenen Jahren ein komplett neuer Ortsteil mit städtischer Prägung entstanden. Der stärkste Schub ging vom Wohnbauprojekt "nido" aus, das als ökologische Modellsiedlung konzipiert war. Auf dem ehemaligen Gelände des Energieriesen Eon entstanden 547 Wohneinheiten, teilweise Einfamilienhäuser, aber auch Geschosswohnungsbau, die in kürzester Zeit verkauft waren.

Inzwischen ist die Einwohnerzahl westlich der Bahn auf mehr als 2800 Menschen gestiegen. Das sind mehr als etwa in der Gemeinde Sulzemoos leben. Der Kundenkreis für einen Nahversorger ist also längst schon vorhanden. Nicht nur Anwohner, auch Kommunalpolitiker werden deshalb ungeduldig. "Es wäre schön, wenn sich da drüben mal was tun würde", sagt Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). "Aber es ist schwierig mit den Expansionsleitern."

2009 gab es schon mal Pläne für einen Supermarkt

2009 gab es bereits ein Bauvorhaben für einen großen Versorgermarkt westlich der Bahn mit mehr als 5000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Genau zu dieser Zeit hatte der frühere Investor für Karlsfelds Ortszentrum Neue Mitte, die Hamburger HIH, den Bau für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Dafür machte er vor allem wirtschaftliche Gründe geltend. Die Gemeinde steckte in einer Zwickmühle: Sollte sie die Probleme bei der Verwirklichung der Ortsmitte, Karlsfelds zentralem städtebaulichen Projekt, durch neue Konkurrenz westlich der Bahn weiter erschweren und vielleicht sogar unmöglich machen? Oder sollte sie die "drüberen" Karlsfelder, die sich ohnehin von der Politik vernachlässigt fühlten, ein weiteres Mal enttäuschen und die Einzelhandelskette abweisen?

Dem Dilemma versuchte der Gemeinderat mit einem Mittelweg zu entgehen: Einzelhandel westlich der Bahn ja, aber nicht in dieser Dimension. Doch kleinere Brötchen wollte der Antragsteller damals nicht backen, und so gab er sein Vorhaben auf. Seitdem tauchte der Nahversorger nur noch als regelmäßig wiederkehrende politische Wunschvorstellung auf.

Der Ortsteil wächst schneller als die Infrastruktur

Bis auf den S-Bahnhof ist die Infrastruktur des neuen Ortsteils insgesamt noch deutlich ausbaufähig, und selbst der Bahnhof hat seine Defizite: Der Kiosk ist seit Jahren geschlossen, Toiletten fehlen. Regelmäßig klagen Fahrgäste über Schmutz und überquellende Abfallbehälter. Erst seit 2015 hat der Ortsteil einen Postkasten - nachdem die Gemeinde einen förmlichen Antrag bei der Post gestellt hatte. Insbesondere die Busanbindung Karlsfeld gilt als verbesserungsbedürftig. Deshalb setzt sich die Gemeinde mit Nachdruck dafür ein, dass der Pendlerbus der Linie 160 von Pasing nach Allach bis Karlsfeld westlich der Bahn verlängert wird - eventuell sogar bis ins Dachauer Gewerbegebiet. Zum Fahrplanwechsel 2017/18 könnte der Probebetrieb starten, sagt Verkehrsreferent Johann Willibald (CSU). Er weiß auch Landrat Stefan Löwl (CSU) hinter sich.

Der neue Ortsteil hat Potenzial. Am Bahnhof steht die Fachoberschule, an der Ackerstraße hält die Gemeinde eine Fläche für den Bau eines vierten Landkreis-Gymnasiums bereit. Außerdem wird die marode Verbandsgrundschule abgerissen; die Landeshauptstadt München errichtet dort für Münchner und Karlsfelder Schüler einen modernen Neubau nach dem innovativen Lernhaus-Konzept. Im kommenden Jahr wird außerdem mit dem Bau eines Kinderhauses westlich der Bahn begonnen, das die Betreuung für die Kinder der vielen zugezogenen jungen Familien sicherstellen soll.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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