Vor dem Amtsgericht:Große Erinnerungslücken

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20-Jähriger räumt eine Vielzahl an Delikten ein. Da er aber betrunken gewesen sein will, sagt er zu den Einzelheiten nichts

Von Thomas Hürner, Dachau

Die Erinnerungslücken eines 20-jährigen Karlsfelders waren beinahe so groß wie das Repertoire an Straftaten, für die er sich am Donnerstagvormittag vor dem Jugendschöffengericht in Dachau verantworten musste. Hausfriedensbruch, Beleidigung, Sachbeschädigung, Angriff auf Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche Körperverletzung - der Angeklagte hatte zwischen Januar und Mai 2018 eine beachtliche Anzahl an Delikten begangen, wie er selbst auch völlig einräumte. Einzig: In diesem Zeitraum sei er permanent stark alkoholisiert gewesen, weshalb er über Einzelheiten zu den Vorfällen nicht berichten könne.

Am Liebsten, darauf lassen jedenfalls die beinahe täglichen Vergehen schließen, hielt er sich am Dachauer Bahnhof auf. Dort benahm er sich jedoch nicht entsprechend der gesellschaftlichen Gepflogenheiten, er beleidigte Passanten und wurde mitunter auch handgreiflich. Hierfür erhielt der junge Mann recht bald ein Hausverbot erteilt, was ihn jedoch nicht davon abhielt, in mindestens 49 Fällen unerlaubterweise am Bahnhof zu erscheinen. Dies sei mitunter auf die Sprachbarriere zurückzuführen, erklärte der Verteidiger des gebürtigen Kosovaren, der seit dem Jahr 2014 in Deutschland lebt. Er habe die Anweisungen des Sicherheitspersonals schlichtweg nicht verstanden, außerdem sei er die meiste Zeit betrunken gewesen.

Unter Alkoholeinfluss stand er nachweislich an einem jener Nachmittage, an denen er Menschen am Bahnhof beschimpfte. Der Angeklagte bediente sich gegenüber zweier Mitarbeiterinnen des Sicherheitspersonals eines vulgären Vokabulars und bezichtigte sie der Prostitution. Deshalb wurde die Polizei informiert, als diese jedoch eintraf, begab sich der junge Mann auf die Flucht. Als er gefasst wurde, wehrte er sich mit Faustschlägen und Tritten. Anschließend wurde ein Alkoholpegel von rund 1,5 Promille festgestellt.

Weitere Vorwürfe betrafen eine nicht bezahlte Taxifahrt sowie Schlägereien auf dem Dachauer Sparkassenplatz und beim Volksfest in Markt Indersdorf. Trotz fehlender Erinnerungen räumte der Angeklagte diese ein, weshalb Richter Christian Calame darauf verzichtete, hierzu Zeugen anzuhören. Ein Vorfall auf einem Dachauer Sportplatz bedurfte jedoch weiterer Aufklärung, weil sich der 20-Jährige zwar auch hier nicht mehr an Einzelheiten erinnern konnte, aber bestritt, dass er einen am Boden liegenden jungen Mann getreten habe. Vorausgegangen war ein Streit um einen Basketball, der dem Angeklagten zwar nicht gehörte, mit dem er an jenem Nachmittag aber dennoch zu spielen beabsichtigte. Als der Eigentümer die Herausgabe des Basketballs verweigerte, quittierte der Angeklagte dies laut Zeugenaussagen mit Faustschlägen und Fußtritten. Er sei auch in Begleitung eines blonden Mannes gewesen, der sich an der Auseinandersetzung beteiligte. Wer diese Person war, vermochte der 20-Jährige aber nicht mehr zu sagen.

Der Angeklagte beteuerte, dass er sich in einer dreieinhalbmonatigen Untersuchungshaft, in die er sich im vergangenen Sommer zu begeben hatte, sein Leben und seinen Alkoholkonsum überdenken konnte. Inzwischen hat er eine Festanstellung im Tiefbaugewerbe und sich einer Therapie bei der Klientenzentrierten Problemberatung unterzogen. Diese gelte es fortzuführen, urteilte Richter Calame. Er verhängte zusätzlich eine Bewährungsstrafe über ein Jahr und vier Monate und einen sozialen Trainingskurs.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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