Vor dem Amtsgericht Dachau:Ein falscher Polizist und andere Missverständnisse

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Seine Schreckschusspistole hat einen 20-Jährigen jetzt auf die Anklagebank gebracht

Von Viktoria Großmann, Dachau

Besitzer von Schreckschusspistolen dürfen diese offen bei sich tragen, wenn sie dafür einen Berechtigungsschein haben. Doch allein das Tragen einer solchen Waffe kann andere gehörig erschrecken und zu ganz falschen Schlussfolgerungen verleiten. Ein 20-Jähriger aus Dachau musste sich deshalb nun vor dem Amtsgericht wegen Amtsanmaßung und Nötigung verantworten. Er solle sich vor einem anderen jungen Mann als Polizist ausgegeben haben, sodass dieser glaubte, in eine zivile Verkehrskontrolle geraten zu sein. So lautete der Vorwurf. Im Laufe der Verhandlung wurden jedoch einige Missverständnisse offenbar.

Der junge, sehr athletische Mann, der bei der Bundeswehr arbeitet und die Waffe, wie er sagte, zur Selbstverteidigung angeschafft hat, war am vergangenen Heiligabend mit zwei Freunden im Auto unterwegs. Man wollte noch ausgehen. Auf ihrem Weg durch Dachau Ost stießen sie auf jenen damals 18-Jährigen, der in seinem Auto, das ebenfalls mit zwei weiteren Freunden besetzt war, vor ihnen herfuhr. Allerdings so langsam, dass der Militärpolizist erst beinahe die Geduld verlor und dann begann zu glauben, dass mit Fahrzeug oder Fahrer irgendetwas nicht stimmt.

"Laut meinem GPS ist er teilweise nur 16 Kilometer pro Stunde gefahren", sagt der Angeklagte. Immer wieder habe das Auto vor ihm abgebremst, sei immer langsamer geworden. Der Angeklagte hupte, gab Lichtzeichen. Überholen konnte er nicht. Entweder war er in einer 30er-Zone unterwegs oder es war zu eng. Hinter ihm habe sich eine Schlange gebildet, andere hätten ebenfalls gehupt, sagt er.

In dem kleinen, alten Auto vor ihm aber sitzt ein junger Mann, der erst kurz zuvor seinen Führerschein erhalten hat und den das Fahren offenbar noch sehr anstrengt. Zudem hat er es am Weihnachtsabend offenbar allgemein nicht eilig. Das Hupen und Aufblenden hinter ihm verunsichert ihn noch mehr. Er glaubt, mit seinem Auto stimme etwas nicht, fährt noch langsamer. Schließlich hält er in der Würmstraße an, um einen Freund abzusetzen.

Nun zieht der Angeklagte in seinem deutlich größeren und neueren Wagen vorbei, stellt das Auto schräg vor dem anderen ab, steigt aus und spricht den 18-Jährigen durchs Fenster an. Die Waffe gut sichtbar. Dann steigt auch noch sein Beifahrer aus, um draußen seine Zigarette zu Ende zu rauchen, wobei er ebenfalls ein paar Schritte auf das andere Auto zu geht. Was genau der Angeklagte gesagt hat, ob er wirklich gefragt hat, ob der Jüngere etwas genommen hat oder nur, ob mit dem Auto alles in Ordnung ist, das kann schließlich keiner mehr so genau sagen. Es ist die offen getragene Schreckschusspistole, die Fahrer und Beifahrer irritiert. "Davor hatte ich am meisten Angst", sagt der Fahranfänger, ein sportlicher junger Mann, der sich zum Fitnesskaufmann ausbilden lässt. "Es kam mir komisch vor, dass er eine Waffe hatte", erzählt sein Beifahrer als Zeuge dem Gericht. "Deswegen haben wir dann auch die Polizei gerufen."

Die findet die Sache offenbar auch merkwürdig. Innerhalb von 20 Minuten ist sie am Heiligabend bei dem Angeklagten. Er habe sich als Polizist ausgegeben, den Vorausfahrenden durch Hupe und Lichtsignale bedrängt, ihm schließlich den Weg abgeschnitten. Ganz so schlimm sieht das dann aber auch der verunsicherte Fahranfänger nicht mehr. Die Staatsanwältin plädiert auf Freispruch, dem folgt Richter Daniel Dorner. Den jungen Bundeswehrangehörigen entlässt er mit der Mahnung, sich klar zu machen, dass das Tragen einer Waffe bei anderen falsche Annahmen hervorrufen kann. Was der 20-Jährige mit heftigem Kopfnicken und sichtbarer Erleichterung zur Kenntnis nimmt.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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