Urteil in Dachau:Szenen einer wilden Ehe

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Geschlagen, getreten, und mit dem Tod bedroht: Ein 42-Jähriger verprügelte seine Lebensgefährtin - und kommt mit einer Bewährungsstrafe davon.

Walter Gierlich

Die Selbsteinschätzung des Angeklagten war so realistisch, dass alle im Gerichtssaal lachen mussten. Auf die Frage nach seiner Arbeit erklärte der 42 Jahre alte Stephan M., er könne aus gesundheitlichen Gründen keine körperliche Arbeit verrichten und an den Empfang eines Hotels könne er sich auch nicht stellen: "Da würde ja niemand einziehen."

Wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung musste sich ein Mann in Dachau vor dem Schöffengericht verantworten. (Foto: dapd)

In der Tat machte der Mann, der sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung vor dem Schöffengericht verantworten musste, nicht gerade einen vertrauenerweckenden Eindruck: Kahler Schädel, 125 Kilo schwer, über und über tätowiert und mit einem T-Shirt, das vorne die Aufschrift trägt "Schwerttag ist Bluttag", während hinten die "Streiter Wotans" zum Kampf aufgerufen werden.

Doch nicht wegen eines rechtsradikalen Delikts - wegen solcher hatte er schon einige seiner 17 Vorstrafen kassiert - stand er diesmal vor Gericht, sondern weil er seine Lebensgefährtin im Mai 2009 geschlagen, getreten, gewürgt und mit dem Tod bedroht haben soll. Mit Blick auf das furchterregende Äußere des in Karlsfeld lebenden Stephan M. zweifelte zunächst niemand, dass er der Frau die Grausamkeiten angetan hat, welche die Staatsanwältin in der Anklageschrift detailliert auflistete.

Der Angeklagte räumte ein, dass er die Mutter seines Sohnes beschimpft habe. Auch die eine oder andere Watschn habe er ihr verpasst und sie wohl auch mal am Hals gepackt. Doch Tritte in den Unterleib - "so was mach' ich doch nicht sechs Wochen nach einem Kaiserschnitt" - streitet er ab. Es sei nur ein Tritt in den Hintern gewesen. Überhaupt meint er, dass seine Lebensgefährtin "anders ausgeschaut hätte, wenn ich das alles gemacht hätte, was die Staatsanwältin vorgelesen hat".

Die Frau, die während des Streits eine Freundin angerufen und gebeten hatte, die Polizei zu holen, hatte ihre Aussage eine Woche nach der Tat zurückgezogen - aus Angst, wie Richter Lukas Neubeck glaubte, der Stephan M. 13 Monate nach den Schlägen sogar wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft schickte. Sie blieb vor Gericht dabei, dass sie in erster Aussage übertrieben habe, "weil ich so sauer auf ihn war". Der Angeklagte habe sie weder gewürgt noch getreten noch mit dem Tode bedroht. Staatsanwältin und Gericht glaubten ihr kein Wort.

Doch der Rechtsmediziner, der gegen Ende der etwa vierstündigen Beweisaufnahme dran war, bestätigte die Angaben der Frau weitgehend. Die Verletzungen, die wenige Stunden nach den Schlägen in der Gerichtsmedizin protokolliert worden waren, deckten sich ziemlich genau mit den Taten, die Stephan M. gestanden hatte.

Doch weil das schlimm genug war und wegen der immensen Vorstrafenliste, die von Diebstahl und Drogenhandel bis zu Körperverletzung reichte, forderte die Anklagevertreterin eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monate. Unter Verweis auf die günstige Sozialprognose, die seine Therapeutin und die Bewährungshelferin Stephan M. attestiert hatte, schien dem Verteidiger eine Bewährungsstrafe von 21 Monaten ausreichend. Dem folgte auch das Gericht. Als Bewährungsauflage muss M. 260 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.

© SZ vom 09.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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