Unfallfluchten:Ich bin dann mal weg

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Die Zahl der Autofahrer, die nach einem Unfall davonfahren, ohne ihn zu melden oder sich um den Schaden zu kümmern, steigt von Jahr zu Jahr. Die Polizei spricht von einem Mentalitätswandel.

Von Viktoria Großmann

Beim Ausparken kann man leicht mal beim Nachbarn anecken (im Bild: Petershausen Bahnhof P+R Parkplatz). Die Polizei nimmt solche Bagatellschäden unbürokratisch auf. Wenn man sich allerdings einfach aus dem Staub macht, kann es richtig Ärger geben. Unfallflucht ist eine Straftat. (Foto: Toni Heigl)

Die Zahl der Fahrerfluchten ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Bis Dienstag registrierte die Polizeiinspektion Dachau 808 Fälle insgesamt, nur etwa 300 davon konnten aufgeklärt werden. Im gesamten Jahr 2012 wurden 814 Fälle von Fahrerflucht angezeigt. Damit ist absehbar, dass in diesem Jahr ein neuer Rekord erreicht werden wird.

Allein am Montag gingen acht Anzeigen bei der Polizei in Dachau ein, nur ein Fall konnte sofort aufgeklärt werden, weil ein Zeuge sich das Kennzeichen der Unfallverursacherin gemerkt hatte. Diese hatte beim Ausparken einen hinter ihr stehenden Wagen touchiert. Wie hier geht es bei nahezu allen dieser Fälle um Blechschäden in Höhe von 500 bis etwa 2000 Euro, seltener liegen die Schäden deutlich darüber. Etwa als vor wenigen Tagen ein Pkw-Fahrer auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums in Karlsfeld gleich drei geparkte Autos rammte. Dadurch entstand ein Schaden von insgesamt etwa 30 000 Euro.

Einkaufsparkplatz ist ein Stichwort für Polizeisprecher Michael Richter: "Das hier ist ein boomender Landkreis. Die Einwohnerzahlen wachsen, es gibt mehr Einkaufszentren und mehr Großparkplätze." Das ist einer der Gründe auch für die insgesamt steigenden Unfallzahlen. Gleichzeitig würden mehr Blechschäden angezeigt als früher. Gerade für jene, die ihr Auto geleast haben, kann es sinnvoll sein, Fremdverschulden nachzuweisen. Seit 2012 sind jedenfalls 16 Prozent mehr Fälle bekannt geworden, in denen sich Autofahrer nach Unfällen aus dem Staub gemacht haben, als 2008.

Richter sieht auch einen Mentalitätswandel bei den Autofahrern. Das Unrechtsbewusstsein sei möglicherweise nicht mehr so groß. Einige wenige seien vielleicht angetrunken oder ohne Führerschein unterwegs. Die meisten aber, sagt Richter, hätten wohl schlicht Angst, dass ihre Versicherungsprämie erhöht wird. Dabei ist das noch deutlich angenehmer als das, was jene Flüchtigen erwartet, die erwischt werden: in jedem Fall ein Strafverfahren. Abhängig von der Art des Fehlverhaltens und der Schadenshöhe kann das Vergehen mit Geldstrafe, Fahrverbot und Führerscheinentzug geahndet werden.

Und wenn man es wirklich nicht bemerkt hat? "Das merkt jeder, wenn er mit seinem Auto irgendwo dagegen stößt", sagt Richter. "Da gibt es keine Ausreden." Höchstens bei einem Lastwagenfahrer könne er sich so ein unbemerktes Dagegenfahren vorstellen. Im Oktober etwa fuhr ein Lastwagenlenker so dicht an einem geparkten Pkw vorbei, dass er die Tür abriss, die dessen Fahrerin gerade öffnen wollte. Ob der Lkw-Fahrer das bemerkte oder nicht, blieb genauso ungeklärt wie seine Identität. Denn in vielen dieser Fälle kann die Polizei nichts tun. Im vergangenen Jahr konnte sie immerhin 42 Prozent der Fälle aufklären. In den meisten hatten sich Zeugen die Kennzeichen gemerkt, manchmal hilft auch eine Auswertung der Spuren weiter. Aus Lackspuren und Glassplittern können die Polizisten Schlüsse auf Fabrikat und Baujahr schließen. Manchmal ist es dann so einfach wie in einem Fall in Dachau vor etwa einem Jahr.

Der Unfallverursacher hatte sich wenig Mühe gegeben, sich zu verstecken. Seinen Sprinter hat er wenige Meter weiter geparkt. Die Dellen und die Lackfarbe wiesen den Wagen eindeutig als den des Unfallflüchtigen aus. Möglicherweise hatte er sich später melden wollen. Aber später zählt nicht. Genauso wenig wie ein Zettel am Scheibenwischer. "Es gibt eine Wartepflicht", sagt Richter. Diese sei allerdings schon erfüllt, wenn man sich sofort bei der Polizei melde. Der Unfall wird dann telefonisch aufgenommen und der Halter des beschädigten Fahrzeugs von den Beamten verständigt. Damit ist dann alles erledigt. "Der Unfallverursacher hat in diesem Fall nichts befürchten", sagt Richter. Bis eben auf die mögliche Erhöhung der Versicherungsprämie. Diese erwartet auch den Geschädigten: Wenn der Fall ungeklärt bleibt, hat er den doppelten Schaden. Der Versicherung ist es nämlich in den meisten Fällen egal, wer schuld an der Delle ist.

© SZ vom 28.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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