Als Stefan Lampl das Gebäude betritt, wenden sich ihm rund einhundertfünfzig Köpfe zu: Einige scheinen erfreut zu sein, andere neugierig, wieder andere wirken eher skeptisch. Vielleicht, weil der 25-Jährige nicht allein gekommen ist. In seinem Schlepptau hat er zwei Menschen dabei, die sichtlich nicht hierher gehören: der eine mit seiner Profikameraausrüstung, der andere mit seinen Halbschuhen, dem Sakko und einem elektronischen Schlaumeier, dem er ständig seine Beobachtungen einflüstert. Lampl geht ans Gatter und grüßt seine Kühe. "Ochsen", korrigiert er den Flüsterer. "Die sind einerseits sehr neugierig, andererseits besonders freundlich." Die einhundert Stiere, die im hinteren Teil der riesigen Stallung leben, verfügen offenbar über eine andere Lebenseinstellung: Sie ignorieren die Besucher komplett und vertreiben sich die Zeit mit einigen Kraftmeieren, die sich vornehmlich darum drehen, wer der Stärkere ist.
Das Gebäude ist ein sogenannter Wohlfühlstall mit einer Grundfläche von stolzen zwanzig auf sechzig Metern und einer Firsthöhe von 4,90 Metern. Stefan Lampl und sein Vater Michael, beide Landwirtschaftsmeister, haben den Bau vor rund fünf Jahren geplant und errichtet, einen knappen Kilometer außerhalb von Pfaffenhofen an der Glonn, wo die Familie seit fast zweihundert Jahren den Lamplhof betreibt. Wohlfühlstall? "Das hat mit der Größe des Stalles zu tun, und auch mit dem Licht und der Luft", erläutert Stefan Lampl. Traditionelle Ställe seien früher zumeist eng und dunkel gewesen, der Luftaustausch schlecht und die Innentemperatur wegen der vielen Tiere relativ hoch, so der Rinder-Experte. "Kühe fühlen sich aber bei Temperaturen um die zehn Grad am wohlsten."
Reguliert wird das Klima des Lampl-Stalls durch ein digitales Messsystem, das nicht nur Kälte und Wärme, sondern auch Windstärke und Windrichtung sowie die Sonneneinstrahlung auswertet. Die beiden Längswände des Gebäudes bestehen aus einem stabilen Maschenkonstrukt, das durch Blenden geöffnet und geschlossen sowie abgeschattet werden kann. "Wenn es im Sommer richtig heiß wird, können wir auf Durchzug schalten, damit die Tiere die Hitze nicht so spüren", erläutert Lampl. Zudem werde die Südwand abgeschattet. "Im Winter hingegen schließen wir eine Seite, denn Zugluft tut den Tieren genauso wenig gut wie uns."
Der zweite Wohlfühlaspekt hat mit dem Futter und der Sauberkeit des Stalles zu tun. Für beides sorgen Roboter. Ein Fütterungsroboter fährt fünfmal am Tag an den Boxen der Rinder vorbei und verteilt "altersgerechte Mahlzeiten", wie Lampl anmerkt. Vornehmlich Maissilage, Getreide- und Rapschrot, Stroh und Heu. "Alles gentechnikfrei", betont Lampl, "alles aus der Region, das meiste bauen wir selber an." Ein Reinigungsroboter schiebt regelmäßig die Ablagerungen am Boden in eine Grube am Ende der Halle. Zwölfmal am Tag, dementsprechend blitzblank wirkt der Stall. Wenn der Schieber kommt, heben die Tiere brav die Beine, sie haben sich offensichtlich an den Vorgang gewöhnt. Ein Einstreuroboter lässt anschließend von oben frisches Stroh herniederregnen. Die Roboter sowie die Klimasteuerungsanlage benötigen indes eine Menge Strom - was die Lampls aber nicht weiter kümmert, denn die riesige Dachfläche ist mit Photovoltaik-Modulen voll gepflastert. "Wir versorgen uns komplett selber", sagt der Landwirt.
Vater und Sohn kaufen die Ochsen bei Milchviehbetrieben im Dachauer und Brucker Land, meist im Alter von sechs bis sieben Monaten. Ein gutes Jahr werden sie gemästet, dann geht es ab zum Schlachthof nach Fürstenfeldbruck. An wen verkaufen die Lampls das Fleisch? "An niemanden", erklärt Lampl mit einem gewissen Stolz. Sein Bruder Michael Georg ist Metzgermeister, er verarbeitet das Fleisch auf dem Hof der Familie in seiner eigenen Metzgerei. Mutter Annemarie verkauft es im angeschlossenen Hofladen sowie über Partnerbetriebe. Das Komplett-Vermarktungskonzept der Lampls hat sich anscheinend herumgesprochen: Vor einigen Wochen war eine Delegation aus der georgischen Hauptstadt Tiflis in der Region unterwegs und hat den Lamplhof besichtigt. Angeführt wurden sie von einem "Repräsentanten des Gouverneurs", wie es auf dessen Visitenkarte heißt. Die Georgier zeigten sich sehr beeindruckt. "Eindeutig Leute vom Fach", urteilt Stefan Lampl. "Ihre Kommentare hatten Hand und Fuß."
Pfaffenhofens Bürgermeister Helmut Zech (CSU) hatte den Kontakt hergestellt. "Wir haben Kooperationen und gegenseitige Besuche vereinbart", sagt der Rathauschef. Ob Lampl demnächst nach Georgien aufbrechen wird, ist eher fraglich. "Wir arbeiten an sechs Tagen in der Woche - wie soll das gehen?" Sein langfristiges Ziel sei es zwar, nur noch den Ein- und Ausschalter zu betätigen und dazwischen die Füße hochzulegen, sagt er augenzwinkernd. "Doch so weit sind wir leider noch nicht."