Theater:Psychogramm eines Mörders

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In der Inszenierung von Ansgar Wilk wird das Kriminalstück zum atmosphärisch dichten Kammerspiel. (Foto: Niels P. Joergensen)

Boshaft, klug und abgründig: Das Hoftheater Bergkirchen präsentiert das Stück "Party für eine Leiche", das Alfred Hitchcock für den Film adaptiert hat, als fabelhaft gespielten Thriller der Extraklasse

Von Dorothea Friedrich, Dachau

"Ich habe getötet, nur um zu töten." Ein sardonisches Grinsen gleitet über das Gesicht des Mannes. Es erreicht seine kalten Augen nicht. Ein weiterer Mann steht daneben, fühlt sich sichtlich unwohl, sucht nach einer möglichst coolen Attitude. Die Zuschauer im Hoftheater Bergkirchen sind soeben Zeugen eines wohlgeplanten (Theater-)Mordes geworden. Die Freunde Wyndham Brandon (superb: Guido Drell) und Charles Granillo (ein ebenbürtiger Patrick Brenner) haben gerade den perfekten Mord begangen. Sie haben ihren ehemaligen Schulfreund Ronald mit einem Strick in den Tod befördert, ihn in einer Truhe in der gemeinsamen Wohnung zwischengelagert. Nun wollen sie ihre Tat mit einer Party krönen, bevor sie die Leiche endgültig entsorgen.

Der Plot ist bekannt. Alfred Hitchcock hat 1948 aus dem Theaterstück "Party für eine Leiche" von Patrick Hamilton den Experimentalfilm "Cocktail für eine Leiche" mit James Stewart in der Hauptrolle gemacht. Nun wäre es für Regisseur Ansgar Wilk, der auch die Rolle des schrulligen und zugleich scharfsinnigen Professors Rupert Cadell spielt, ein Leichtes gewesen, einen Hitchcock-Klon auf die Bühne zu bringen. Doch Wilk ist einen eigenen Weg gegangen, weg von den schwarzhumorigen Einsprengseln nach Art des Altmeisters gepflegten Grusels. Wilk hat ein atmosphärisch dichtes Kammerspiel im Bühnenbild von Ulrike Beckers inszeniert. In einem Zimmer mit diversen schwarz verkleideten Truhen und Bänken, ein paar roten Kissen, einer wohlsortierten Bar, mit kontrastierenden Swing-Hits und einem gekonnten Spiel von Licht und Schatten zeichnet er das Psychogramm eines Mörders. In dem hochdramatischen Geschehen spielt makaberer Humor eine ebenso wichtige Rolle wie der gekonnte Spannungsbogen, der das Geschehen von Anfang bis Ende dominiert.

Brandon entpuppt sich schnell als Soziopath der schlimmsten Sorte. Er quält mit Lust und Leidenschaft seinen Mittäter Granillo, einen unsicheren Kantonisten. Wird dieser doch von der Angst vor der Entdeckung gejagt - und betäubt sich mit Alkohol. Diesem sprechen auch die seltsamen Partygäste reichlich zu. Wie etwa die einzige Frau in der Runde vorgeblicher Gentlemen: Leila (unübertrefflich dumm-arrogant: Lisa Wittemer) hat sich durch die Reihe ehemaliger Schulfreunde geschlafen - und ist die einzige, die dem dominanten Brandon gelegentlich Paroli bietet. Zu ihren verflossenen Lovern zählt auch der verklemmte Kenneth Raglan (ein bedauernswerter ewiger Verlierer: Stephan Roth). Das arme Würstchen lässt die sadistischen Verbalattacken Brandons fast widerstandlos über sich ergehen. Er findet weder im Vater des Mordopfers, Sir Johnstone Kentley (Jürgen Füser als typischer Vertreter der britischen Oberschicht), noch in seinem ehemaligen Lehrer Rupert Cadell Unterstützung. Dieser bewahrt in dieser klaustrophobischen Gesellschaft die Ruhe, lässt sich weder vom Alkohol noch von nur mühsam verschleierten Gefühlsausbrüchen von seinem Ziel abbringen.

Welches das ist, das offenbart sich bald. Die Spannung steigt von Minute zu Minute, unterdrückt ein wenig das Grauen, das angesichts der Ungeheuerlichkeiten auf der Bühne wie Nebelfinger nach den Zuschauern greift. Denn auf der Bühne offenbart sich die ganze Hybris eines Menschen, der sich als Herr über Leben und Tod geriert, sich um Ethik und Moral einen Dreck schert. Das kann Angst machen, und es macht Angst. Könnte Brandon doch ebenso gut den Namen Hitler oder den eines aktuellen mordenden Diktators tragen. "Auf Mord im Kleinen reagiert die Gesellschaft mit Abneigung und Strafe. Mord im Großen verzeiht die Gesellschaft und nennt das Ganze Krieg", sagt der kluge Professor Rupert an einer Stelle. Klingt resignativ, doch Rupert sorgt für ein gutes Ende dieser brillanten Geschichte vom Sieg der Gerechtigkeit über das Böse - verpackt in einen fabelhaft gespielten Thriller von besonderer Güte.

Zu sehen ist das Stück noch einmal am Samstag, 17. Juni, um 20 Uhr. Kartenreservierung unter der Nummer 08131/326 400 oder mail@hoftheater-bergkirchen.de.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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