Theater:Lebenslustig tot

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Sie sprühen vor Spiellaune: Janet Bens und Ansgar Wilk in der Hamlet-Parodie "Königsmörder küsst man nicht". (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Hoftheater und eine Hamlet-Version als "Operettical"

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Bereits der Auftakt ist höchst amüsant. Dem Henker am Königshof werden von einem gockelhaften Modeschöpfer die neuesten Kreationen aus Paris vorgeführt: "In diesem Blau werden sie zum Dandy des Richtblocks, zum Maître des Schafotts. Bald will jeder nur noch von Ihnen geköpft werden", flötet der Designer den grimmigen Scharfrichter an und wirbelt mit den Kleidungsstücken vor seinen Augen herum. Der Pariser Schneider wird seine modische Offensive die nächsten zehn Minuten allerdings nicht überleben, denn er landet als Delikatesse auf dem Bankett des Königs. Da vergisst das Publikum vor lauter Vergnügen, die vielen Toten zu zählen. Laut Programmheft sind es immerhin zehn Stück.

Wegen der Rasanz, mit der das Ensemble spielt, singt und tanzt, verliert man darüber bald den Überblick. Die neue Bühnenproduktion des Hoftheaters Bergkirchen "Königsmörder küsst man nicht" ist eine vergnügliche Persiflage auf Shakespeares Hamlet. Autor Claus Martin hat ein freches Bühnenstück voller schwarzem Humor geschrieben. Eine flotte Mischung aus Sprechtheater, Operette und Musical, ein "Operettical" mit Musik von Jacques Offenbach und Richard Strauß.

Regisseur Herbert Müller und sein Ensemble setzen den makabren Stoff spritzig und leichtläufig um. 21 Rollen sind auf sieben Darsteller verteilt und in Shakespeare'scher Manier doppelt besetzt, woraus sich schnelle Wechsel ergeben. Der Vorgang des Verkleidens und Kostümwechsels gehört zum Spiel. Als Running Gag wird das Publikum einbezogen. Der König grüßt von der Bühne "Hallo Volk" und das Publikum antwortet: "Hallo lieber König".

Neben Janet Bens, die als souveräne Sängerin brilliert, zeigen sich alle Darsteller als kompetente Sänger und Schauspieler. Die Figuren sind parodistisch überzeichnet und die Rollen zum Teil geschlechterübergreifend angelegt. Prinz Hamlet wird von Helena Schneider und der Koch von Lisa Wittemer gespielt. Sie mimt auch die Mätresse des Königs. Pianistin Petra Morper, die auch als musikalische Leiterin fungiert, begleitet wunderbar. Die beschwingten Musiknummern mit den witzigen Texten konterkarieren die mordlustige Tragödie. Bühnenbild und Kostüme entwickelte Ulrike Beckers.

Die Handlung ist grotesk. Gertrud, die Frau des alten Königs (Herbert Müller), stachelt dessen Bruder Claudius zum Königsmord an. Ähnlich wie bei Lady Macbeth ist ihre Machtgier der Ausgang aller Intrigen und Morde, denn Gertrud möchte bald selbst den Thron besteigen. Janet Bens mimt die Rolle der ehrgeizigen Königin mit unbändiger Lust am Spielen und Singen. Sprühend vor Temperament bezirzt sie Claudius (Ansgar Wilk): "Bring ihn für mich um", und es entspinnt sich ein herrliches Duett über die verschiedenen Tötungsmethoden. Nach vollbrachter Tat am alten König (Herbert Müller) jubelt der Chor: "Er ist tot, so ist das Leben."

Bald stolziert also Claudius als der neue König blasiert über die Bühne und eifert dem ermordeten Bruder in Stil und Geist nach. Mätresse und Henker müssen ihm stets zu Diensten sein. Lustige Szenen entspinnen sich während des französischen Sprachkurses und einer missverstandenen Anweisung von Polonius (Jürgen Füser, auch in der Rolle des Henkers). Der Höfling gibt dem König mit Lippenbewegungen zu verstehen, er solle, wie es unter seinem Vorgänger üblich war, das Volk begrüßen. Endlich hat der neue König kapiert und grüßt huldvoll von der Bühne herunter: "Hallo Volk."

Weil Prinz Hamlet die Intrige jedoch durchschaut, soll auch er ermordet werden. Doch er nutzt, vom Geist seines toten Vaters zur Rache angestachelt, das Verbrechen zu seinen Gunsten und lässt von einer Theatertruppe ein Stück aufführen. Dieses Stück stellt den Mord nach und Hamlet kann auf diese Weise den Mörder entlarven. Das ist Theater im Theater, wenn innerhalb eines Stückes ein zweites dramatisches Werk entsteht. Auf diese Weise reflektiert das Theater sich selbst und auch die Handlung. Am Ende sind alle tot und das Publikum geht bestens gelaunt nach Hause.

Hoftheater Bergkirchen: Samstag 29. Oktober, 20 Uhr, und Sonntag, 30. Oktober, 17 Uhr.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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