Theater:Im Geist der Antike

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"Die Apologie des Sokrates" von Platon lockt 185 Zuschauer in die Bavarian International School - ein weiterer Coup des Haimhausener Arztes und Archäologen Manfred Moosauer für seine deutsch-griechische Freundschaftsinitiative

Von Helmut Zeller

Haimhausen - "Das Fest war einer der Höhepunkte in meinem Leben, vielleicht der letzte", sagt der 74 Jahre alte Haimhausener Arzt Manfred Moosauer. Dabei hat es in seinem Leben an "Höhepunkten" nun wirklich nicht gefehlt. 185 Besucher sind zur Aufführung der "Apologie des Sokrates" von Platon in die Bavarian International School gekommen - aus seiner Gemeinde, aus der ganzen Region und aus Griechenland. Mit dem Theaterstück und einem anschließenden Fest wurde das Freundschaftsabkommen zwischen Haimhausen und der griechischen Stadt Argos-Mykene auf dem Peloponnes gefeiert. Das Wagnis ist gelungen - und zumindest für ein paar Stunden war in Haimhausen von den seit der Schuldenkrise beschädigten deutsch-griechischen Beziehungen überhaupt nichts zu spüren.

Genau darum geht es Moosauer, dem Initiator der kulturellen Kooperation beider Kommunen auch. "Griechenland ist seit 40 Jahren meine zweite Heimat", sagte er den vielen Gratulanten. "Ihr habt Übermenschliches geleistet", sagte einer im Überschwang der Gefühle. Von einem "Coup" sprachen andere Besucher mit Blick auf Moosauer und seine Frau Ingrid, die ihn am Abend und in den wochenlangen Vorbereitungen tatkräftig unterstützt hatte. Ein Wagnis war es eben auch wegen des gewählten Stückes: ein schwieriger philosophische Text Platons, der zur Weltliteratur zählt, in griechischer Sprache, wenn auch mit deutscher Übersetzung, auf der Bühne? Das konnte sich mancher nicht so recht vorstellen - doch waren am Ende alle begeistert. Das lag an den herausragenden Darstellern aus Kreta, Jannis Somarakis (Sokrates), Adam Frogakis (Ankläger Meletos) und Manos Papadakis, ein in ganz Griechenland bekannter Gitarrist, Sänger und Komponist.

Die Aufführung mit Jannis Somarakis als Sokrates lockte 185 Zuschauerinnen und Zuschauer an. (Foto: Robert Kiderle/oh)

Die Schauspieler fesselten mit ihrer Sprachgewalt und der modernen puristischen Umsetzung des antiken Textes das Publikum in jedem Moment der einstündigen Aufführung. Das Bühnenbild: ein Tonkrug, ein Hirtenstock, ein kleiner Holztisch und ein Monitor an der Wand dahinter. "Dieses Stück war ein Erlebnis", sagte ein Besucher. Die Darsteller verzichteten auf Mikrofon und Lautsprecher - und erzeugten tatsächlich die Illusion, den drei Verteidigungsreden des Philosophen Sokrates vor dem athenischen Volksgericht beizuwohnen, der schuldlos der Verführung der Jugend und der Gottlosigkeit angeklagt ist.

"Der Sokrates ist allen unter die Haut gegangen", sagt Moosauer, der meint, dass so ein Erfolg nicht zu erwarten gewesen sei. Eingebunden in seine deutsch-griechische Freundschaftsinitiative ist auch die benachbarte Gemeinde Kranzberg im Landkreis Freising, das Bronzezeit-Bayern-Museum und dessen Trägerverein, Pantaleonsberg Kranzberg, mit seinem Vorsitzenden Alfons Berger. Von der Palladion-Stiftung war die Präsidentin Vassilia Triarchi-Hermann gekommen. Stefanie Seeser, die als persönliche Referentin die Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) vertrat, wird Moosauers Vorhaben in die Politik hineintragen.

Ist in Griechenland ein bekannter Gitarrist, Sänger und Komponist: Manos Papadakis. Auch in Haimhausen sorgte er für Begeisterung. (Foto: Robert Kiderle/oh)

Denn Haimhausen war nur der Auftakt: Manfred Moosauer, der an 50 Gymnasien in ganz Bayern für einen Schüleraustausch mit griechischen Schulen wirbt, braucht dafür die Unterstützung bayerischer Ministerien. Und natürlich Haimhausen: Das Freundschaftsabkommen mit der 42 000 Einwohner zählenden Stadt Argos-Mykene muss von den Bürgern gelebt werden - und dafür hat die Theateraufführung und das anschließende Fest einen soliden Boden gelegt, mit Darbietungen der griechischen Tanzgruppe Pontos, musikalischen Einlagen und nicht zuletzt mit einem üppigen Gourmetbuffet; schließlich bringt Essen und Reden die Menschen zusammen. Haimhausens Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU) ist zufrieden. Auch griechische Gäste, darunter viele Ärzte, waren gekommen, um bei diesem, wie einer sagte, "einzigartigen" Begegnungsfest dabei zu sein. "Ich habe wieder viele neue griechische Freunde gewonnen, auch den Erzpriester und Archimandriten Antonios Vichos von Dachau", sagt Moosauer. 2649 Landkreisbürger haben die griechische Staatsangehörigkeit.

Griechenland lässt Moosauer nicht los. Dort liegt die Wiege unserer europäischen Kultur, wie er sagt, das jetzige Deutschland hat eine gemeinsame Vorgeschichte mit Griechenland schon vor 3500 Jahren. Im Kranzberger Ortsteil Bernstorf entdeckten er und Traudl Bachmaier, die im November 2016 verstorben ist, die Überreste einer bronzezeitlichen Siedlung. 1998 stießen die beiden auf den Goldschatz von Bernstorf, zwei Jahre später fanden sie einzigartige Bernsteinstücke mit Gravuren - darunter ein Petschaft mit mykenischer Linear-B-Schrift. Bernstorf ist die größte bekannte bronzezeitliche Befestigung dieser Art nördlich der Alpen. Und die Funde dokumentieren einen regen Austausch mit der mykenisch-minoischen Kultur bereits 1500 vor Christus. So war denn das der einzige bittere Gedanke Moosauers an diesem Abend: dass sie, Traudl Bachmaier, ihn nicht mehr erleben durfte.

Manfred Moosauer (rechts) freut sich über die neue Freundschaft mit dem Erzpriester und Archimandriten Antonios Vichos von Dachau. (Foto: Robert Kiderle/oh)

Die kretischen Schauspieler reisten noch nach Berlin und in andere Städte Deutschlands, wo sie den Sokrates auch mit Erfolg aufführten. Doch Haimhausen bleibt besonders in Erinnerung. Am Dienstag schauten sie noch einmal bei den Moosauers vorbei und übernachteten bei ihnen. Bevor Manfred Moosauer sie zum Flughafen brachte, schenkten sie ihm etwas Besonderes: einen Hirtenstab aus dem Holz eines Olivenbaums. Die Hirten in den Bergen Kretas verwenden ihn als Universalwerkzeug, zum Tragen von Lasten, zum Antreiben von Eseln - das passende Geschenk für ihren Freund, der noch so viel antreiben möchte für die Freundschaft zwischen Deutschen und Griechen.

© SZ vom 13.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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