Tag des offenen Denkmals:Verborgene Schätze

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In vielen Kirchen und Häusern im Landkreis Dachau spielt der Baustoff Holz eine wichtige Rolle. Eine Exkursion mit Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter führt zu Gebäuden, deren Türen sonst verschlossen sind.

Anna Schultes

Wenn jemand auf dem Holzweg ist, heißt das meist nichts Gutes. Denn es bedeutet, dass er irrt, in einer Sache falsch liegt. Die Redewendung hat ihren Ursprung in der Forstwirtschaft: Ein Pfad im Wald, auf dem das gefällte Holz abtransportiert wird, nennt sich Rückeweg. Oder eben Holzweg. Wenn ein Spaziergänger ihm folgt, landet er in der Regel nicht am Ziel, das er sich für seine Wanderung gesetzt hat. Bei der Exkursion des Dachauer Forums hingegen darf man das Motto "Auf dem Holzweg" etwas wörtlicher nehmen: Der Besucher begibt sich auf eine kleine Reise zu Kirchen mit hölzerner Innenausstattung und zu alten wie modernen Holzhäusern im Dachauer Land. Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter begleitet die Tour am bundesweiten "Tag des offenen Denkmals", der sich in diesem Jahr dem Naturstoff Holz in all seinen Facetten widmet.

Seine Wohnung ist ein Denkmal: Der Volkskundler Alois Kammermeier lebt in einem der letzten beiden intakten Holzhäuser, die im Landkreis Dachau zu finden sind. Sein Bauernhofmuseum in Ebersbach ist eine der Stationen auf der Denkmalstour. (Foto: Toni Heigl)

Unger-Richter hat für die Busexkursion fünf Stationen ausgewählt: Aufhausen und Gundackersdorf (Gemeinde Weichs), Pipinsried (Gemeinde Altomünster), Ebersbach (Gemeinde Weichs) und den Dachauer Stadtteil Webling. Wie an vielen anderen Orten im Landkreis öffnen dort am Sonntag, 9. September, eine ganze Reihe sakraler und profaner Gebäude ihre Pforten. Der Tag des offenen Denkmals ist ein Datum, das auf die Bedeutung des kulturellen Erbes und die Belange des Denkmalschutzes aufmerksam machen will. Im Jahr 1984 wurde der Tag in Frankreich eingeführt, seit 19 Jahren ruft die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Veranstaltung auch in Deutschland aus. Seitdem beteiligt sich auch der Landkreis Dachau an der Aktion.

Der Stoff geht den Experten, die am Tag des offenen Denkmals mit den Besuchern diskutieren, nicht aus: Im Landkreis Dachau gibt es viele Kirchen, Kapellen, Schlösser oder private Häuser, die einen Abstecher allemal wert sind. Die Erkundungsfahrt mit Birgitta Unger-Richter startet auf dem Bahnhofsvorplatz in Dachau. Um 13 Uhr geht es von dort aus zur Filialkirche St. Stephanus in Aufhausen. Die flachgedeckte Saalkirche wurde in ihrer heutigen Form Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut. In ihrem Inneren befinden sich mehrere Skulpturen aus Holz. Ebenfalls aus dem Naturstoff sind die Aposteltafeln an der Empore und der spätgotische Flügelaltar. Die Kunsthistorikerin Elisabeth Hinterstocker hat in der Vergangenheit bereits einen Vortrag erarbeitet und wird die Besucher am 9. September durch die Kirche führen. In der katholischen Filialkirche St. Andreas in Gundackersdorf steht Hans Schertl bereit, der im Landkreis als Experte für Kirchen, Kapellen und Flurkreuze gilt. Die hölzerne Emporenbrüstung der Kirche zeigt eine ornamentale und figurale Bemalung, die aus dem Jahr 1590 stammt. "Da gibt es im Landkreis nur wenig Vergleichbares", weiß Unger-Richter.

Nach einer Pause geht die Fahrt weiter nach Pipinsried. Dort können sowohl die Kirche St. Dionysius als auch der Pfarrstadl besichtigt werden. Kirchenpfleger Peter Ertl und der Zimmerer Ulrich Reiser erklären, wie der Dachstuhl des Stadls aufgebaut ist. Normalerweise sind die historischen Gebäude der Öffentlichkeit nicht zugänglich, so wie viele andere Kirchen und Kapellen im Landkreis. Der Reichtum an Kirchenkunst und sakraler Tradition des Dachauer Landes bleibt so den meisten verborgen. Unger-Richter erklärt, dass die Türen aus Angst vor Diebstahl oder Zerstörung meist verschlossen bleiben. Die Mitarbeiter des Dachauer Forums sehen das kritisch. Deshalb verfolgen sie das Projekt "Offene Kirche", damit die Bauten in Zukunft häufiger für Einkehr und Gebet, aber auch für kunsthistorische Zwecke zur Verfügung stehen.

Das Bauernhofmuseum von Alois Kammermeier hingegen kann man regelmäßig besuchen. Nach Voranmeldung zumindest, denn der Volkskundler lebt selbst in einem der beiden letzten intakten Holzhäuser aus dem 18. Jahrhundert, die im Landkreis noch zu finden sind. "Das private Bauernhofmuseum ist ein gutes Beispiel, dass man in einem Denkmal auch leben kann", sagt Unger-Richter.

Eine zeitgemäße Nutzung erfährt auch ein ehemaliger Pferdestall aus dem Jahr 1900 in Webling. Der Holzingenieur Georg Klotz hat das so genannte Wohnhaus Reichlmair saniert. Mit seiner Familie lebt er im ersten Stock. Wegen der Passivbauweise wurde das Gebäude mit dem Energiepreis ausgezeichnet. Klotz bietet am Tag des offenen Denkmals selbst Führungen durch sein Eigenheim ein. Das Haus ist zwar kein Denkmal im klassischen Sinne, es zeigt aber, wie man mit alter Bausubstanz etwas Neues schaffen kann. Und das ist Unger-Richter wichtig: Sie möchte nicht nur alte Bauwerke zeigen, sondern auch moderne.

Im Anschluss an die Besichtigung des Wohnhauses fährt der Bus zurück zum Ausgangspunkt. Da nur kurze Strecken zu Fuß zurückgelegt werden, ist die Exkursion laut Unger-Richter auch für ältere Menschen gut geeignet. Letztlich richte sie sich aber an alle, die sich für Bauwerke interessieren. Ein spezielles Kinderprogramm hat die Kreisheimatpflegerin nicht konzipiert. Ihre eigene Tochter war zwar vom privaten Bauernhofmuseum begeistert. Grundsätzlich rät sie Familien aber dazu, abseits von der geführten Tour individuell Bauwerke auszuwählen, die etwa gut mit dem Fahrrad zu erreichen sind. Nächstes Jahr möchte Unger-Richter aber unbedingt ein Programm für die jungen Besucher anbieten. Diesmal reichte schlichtweg die Zeit nicht, da sie ihre Stelle als Nachfolgerin von Norbert Göttler erst im April antrat. "Ich habe das Programm deshalb spontan und zügig organisiert", sagt sie.

Die Auswahl für die Exkursion ist ihr dabei sehr schwer gefallen. Am liebsten würde sie an jeden Ort fahren, sagt Unger-Richter. Denn sie schätzt die Vielfalt der Denkmäler im Landkreis, die aus ganz unterschiedlichen Zeiten stammen. Deshalb ist die Kunsthistorikerin ganz pragmatisch vorgegangen: Sie hat sich vor allem gefragt, was im Zeitraum von fünf Stunden zu schaffen ist und wie man die verschiedenen Formen des Naturstoffs Holz zeigen kann. Denn das gefällt ihr am Thema ganz besonders: Der Blick wird nicht allein auf die historischen Bauwerke gelenkt, sondern auf einen ganz bestimmten Aspekt, ein Detail. So können auch Bürger, die ihren Landkreis schon intensiv erforscht haben, noch etwas Neues entdecken.

Birgitta Unger-Richter kennt den Landkreis gut. Lange hat sie mit ihrer Familie in Dachau gelebt, seit elf Jahren nun in Kleinberghofen. Die ersten Monate als Kreisheimatpflegerin hat die Kunsthistorikerin genossen. "Ich habe sehr viele Eindrücke gesammelt und interessante Begegnungen gehabt." Momentan hat sie Urlaub, den Unger-Richter auch dazu nutzt, die neuen Erfahrungen sacken zu lassen. Und wenn der Urlaub dann vorbei ist, freut sie sich besonders auf eine Entdeckungsreise zu den hölzernen Denkmälern im Dachauer Land.

© SZ vom 01.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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