SZ-Adventskalender:Gefangen im eigenen Heim

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Wenn Menschen älter werden oder schwer erkranken, können sie sich in ihrem Zuhause oft nicht mehr frei bewegen. Die Wohnberatung hilft, doch oft scheitern die notwendigen Umbauten am Geld

Von Petra Schafflik, Dachau

Ohne Umbaumaßnahmen können Rollstuhlfahrer ihre eigene Wohnung oft nicht mehr nutzen. (Foto: Catherina Hess)

Fünf Stufen können einen Menschen vom Leben abschneiden. So wie die ältere Dame, die bei Wohnberaterin Michaela Heyne angefragt hat. Noch in rüstigem Alter ist die Seniorin schon vor Jahren in eine barrierefreie Wohnung gezogen. Bodengleiche Dusche, breite Türen, keine Schwellen, Lift im Haus - alles da. Doch jetzt, da die Beweglichkeit nachlässt, blockiert eine kurze Treppe den Weg. Was bisher nicht störte, wird zur Hürde, die es zu überwinden gilt. Meist sind es allerdings mehrere Hindernisse, die Kranken oder Älteren ein Leben in den eigenen vier Wänden erschweren.

Enge Bäder, schmale Türen, Schwellen und Treppen stellen sich einem selbstbestimmten Leben im gewohnten Wohnumfeld in den Weg. Expertin Heyne weiß, welche Umbauten sinnvoll, welche Fördermittel abrufbar sind. Ihre kompetente Beratung, die seit einem Jahr dem Sozialverband VdK angegliedert ist und allen Landkreisbürgern kostenfrei offensteht, ist gefragt. Schon 80 Anfragen hat sie in den vergangenen Monaten registriert, 57 Umbaumaßnahmen laufen. Manchmal jedoch scheitern sogar kleine Verbesserungen am Budget. "Leute müssen ins Heim, weil sie sich 500 Euro Eigenanteil für den Badumbau nicht leisten können", sagt der VdK-Kreisvorsitzende Anton Hassmann.

Ratlose Angehörige

Oft sitzen Michaela Heyne ratlose Angehörige gegenüber. Der Ehemann oder die Mutter hat einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten und ist plötzlich auf einen Rollstuhl angewiesen. Vor einer Rückkehr nach Hause muss das Wohnumfeld angepasst werden. Doch wie? Die Expertin erkundet in einem ersten Gespräch die Situation, bei einem Hausbesuch werden oft weitere Fallen sichtbar. "Im ersten Moment sehen viele nur ein Kernproblem, haben aber das Drumherum nicht im Blick." Genau dafür gibt es die Fachberatung, die immer die gesamte Situation betrachtet.

Was nützt ein komfortables Pflegebett, wenn das Bad nicht mehr genutzt werden kann. "Auch eine barrierefreie Wohnung alleine ist nicht die Lösung, wenn ich dort eingesperrt bin, nicht mehr auf den Balkon, die Terrasse oder überhaupt hinaus in die Stadt kann." Die Vorschläge, die Wohnberaterin Heyne gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet, richten sich nach den deren Bedürfnissen und Möglichkeiten. "Hilfsmittel oder Umbauten sollen natürlich den Zweck erfüllen und praktisch sein, aber auch akzeptabel aussehen." Denn trotz Einschränkungen möchten die Menschen sich wohlfühlen, wünschen sich ein gemütliches, vertrautes Zuhause, kein Krankenzimmer.

Oft müssen Handwerker helfen

Oft helfen winzige Veränderungen schon viel, wie Möbel umstellen, Gefahrenquellen beseitigen, Haltegriffe anbringen. Nicht selten jedoch müssen Handwerker ran, damit sich Menschen mit eingeschränkter Mobilität im eigenen Zuhause weiter nicht nur wohl, sondern auch sicher fühlen können.

Aber nicht immer lassen sich sinnvolle Konzepte auch umsetzen. Da gebe es natürlich Familien, die finanziell gut gestellt sind und öffentliche Fördermittel nicht abrufen möchten. Viel häufiger erlebt Michaela Heyne, wie selbst sparsam kalkulierte Maßnahmen zuletzt doch am Geld scheitern. Zuschüsse gibt es zwar. So können Bürger, denen bereits ein Pflegegrad attestiert wurde, einmalig eine Pauschale von 4000 Euro bei der Pflegekasse abrufen. Für Menschen mit einer Behinderung gibt es ebenfalls öffentliche Mittel als zins- und tilgungsfreies Darlehen, sofern das Einkommen unter bestimmten Grenzen liegt. Doch diese Programme decken nicht jeden Fall ab und so gut wie immer bleibt ein Eigenanteil, den sich viele Senioren nicht leisten können. Denn auch im prosperierenden Landkreis Dachau lebt mancher mit einer kleinen Rente.

"Es gibt Altersarmut und sie nimmt zu, wir sehen das vor Ort", sagt der Kreisvorsitzende Hassmann. Schon die zusätzlichen Kosten, die durch die Erkrankung selbst entstehen, wie Zuzahlungen zu Medikamenten, Hilfsmitteln und Fahrtkosten zum Arzt, lassen sich für manche Ältere kaum schultern. Wenn sich dann bei der Wohnberatung herausstellt, dass noch einige hundert Euro aus eigener Tasche zu zahlen sind, überfordert das manchen Betroffenen. Der SZ-Adventskalender will daher ein Budget bereitstellen, um in Härtefällen zu unterstützen. Damit ein Lebensabend im eigenen Zuhause nicht an kleinen Summen scheitert.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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