SZ-Adventskalender:Einmal einen Ausflug in die Berge

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Die Krankheit von Mutter und Töchtern kostet viel Geld. Viele Wünsche bleiben unerfüllt

Von Petra Schafflik, Dachau

"Vor dem Zubettgehen müssen wir uns spritzen, das ist tägliche Routine", erklärt Julia Maier (Name geändert) mit ruhiger Stimme. Sie hat sich daran gewöhnt, gewöhnen müssen. Die 32-Jährige leidet wie ihre beiden Töchter an einer seltenen Immunerkrankung. Die Ursachen sind noch wenig erforscht, Heilung gibt es nicht. Aber tägliche Injektionen sollen dafür sorgen, dass die Abwehrkräfte stabil bleiben.

Doch nicht immer gelingt das. "Der kleinste Schnupfen kann zwei bis drei Wochen dauern und muss sofort mit Antibiotika behandelt werden. Sonst landen wir schnell auf der Intensivstation", sagt Julia Maier. Einmal, ihre Kinder waren noch nicht geboren, habe sie eine Blasenentzündung beinahe nicht überlebt, erzählt die dreifache Mutter. Trotzdem macht Julia Maier um die Erkrankung nicht viel Aufhebens, sie will den Töchtern und dem nicht erkrankten Sohn eine halbwegs normale Kindheit ermöglichen. Leicht fällt ihr das nicht. Es bleibt ja nicht bei den Einschränkungen durch die Krankheit, auch finanzielle Sorgen kommen noch dazu. Ihr Mann musste im Sommer seine Selbständigkeit aufgeben, erlitt einen Zusammenbruch. Auch sie selbst geriet an den Rand ihrer Kräfte. "Dieses Jahr war ein Tiefpunkt."

Julia Maier ist aufgewachsen mit einer Krankheit, die vor wenigen Jahrzehnten einem Todesurteil gleichkam. Doch als Kind konnte sie an einer klinischen Studie teilnehmen, seitdem gehört die tägliche Injektion zu ihrem Alltag. Ein ganzes Fach im Kühlschrank ist reserviert für die Fertigspritzen, denn auch ihre beiden Mädchen leiden an der Erkrankung. Nur der älteste Sohn ist nicht betroffen.

Auch wenn sie sich nach Normalität sehnt, muss die Familie mit Einschränkungen klar kommen. Da sind zum einen die vielen Fahrten in die Kinderklinik zur Immundefektsprechstunde und zu Fachärzten. Nur weil die Oma oft ihr Auto ausleiht, ersparen sie sich umständliche und zeitraubende Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dennoch fährt die zierliche Frau auch mal mit dem Rucksack im Bus zum Einkaufen. "Auf dem Land lebt man ruhiger, aber es gibt eben auch Nachteile", sagt sie.

Doch die Krankheit erzeugt zusätzliche Kosten, die das Familienbudget überfordern. Egal ob Wundsalbe oder Hustensaft, was der Arzt nicht auf ein rosa Kassenrezept schreibt, kann Julia Maier in der Apotheke nicht mitnehmen. "Die grünen Rezepte bleiben einfach bei mir in der Schublade." Da heißt es dann oft, geduldig abwarten und auf Hausmittel setzen.

Um die Abwehrkräfte zu stabilisieren, soll die Familie auf eine gesundheitsbewusste Lebensführung achten, frisches Obst, Gemüse und auch Fleisch sind wichtig. Doch in diesem Jahr gaben manchmal die kostenlosen Lebensmittel der Dachauer Tafel den Speiseplan vor. "Eine tolle Hilfe", betont Julia Maier, aber die gespendeten Waren seien nur eine Ergänzung gewesen. Wenn sie andere Mütter über die Kosten von Ballettstunden oder Reitunterricht plaudern hört, ist die engagierte Mutter froh über das "wirklich tolle Angebot", das der örtliche Sportverein zum günstigen Familienbeitrag für ihre Kinder möglich macht. "Das ist für uns Gold wert."

Trotz ihrer Erkrankung hat die tatkräftige Frau das Leben der Familie im Griff und schaut mit viel Engagement darauf, dass die Kinder so gut wie möglich teilhaben können an Aktivitäten. Dennoch gibt es neben dem gut organisierten Alltag natürlich Wünsche, die für andere nichts besonderes sind, für die Familie aber unerfüllt bleiben. Gelegentlich zu fünft ins Hallenbad, das ist nicht drin. Auch würden die Kinder gerne in den Weihnachtsferien mit Omas Auto einen Tagesauflug in die Berge machen, zum Schlittenfahren und Schneeschnuppern. Doch das Benzingeld übersteigt das Familienbudget.

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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