Städtische Kunsteisbahn:Verheddert im Amtsdeutsch

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Schlittschuhlaufen auf der Kunsteisbahn: Weil eine 14-Jährige nicht mit ihren Großeltern aufs Eis durfte, wird nun die Satzung geändert. (Foto: Toni Heigl)

"Geisteskranke und dergleichen" dürfen nicht auf die Kunsteisbahn: Weil die alte Satzung nicht mehr zeitgemäß ist, ändert Dachau den Text. Wirklich besser wird er nicht

Von Viktoria Großmann, Dachau

Als die Kunsteisbahn im Jahre 1978 eröffnete, machten sich die Betreiber Gedanken um die Gesundheit der Bevölkerung. Dieser sollte einerseits die Eisbahn zur "Erholung, Förderung der Gesundheit und körperlichen Ertüchtigung" zur Verfügung stehen, anderseits sollten Unfälle auf Glatteis vermieden werden. Grundsätzlich also stellte die Stadt Dachau in ihrer Satzung zwar fest: "Die städtische Kunsteisbahn steht jedermann zur Benützung zur Verfügung." Schränkte jedoch gleich im darauffolgenden Satz ein: "Von der Benützung ausgeschlossen sind Betrunkene, Geisteskranke und dergleichen." Diese Fassung steht auch jetzt noch online auf den Seiten der Stadt Dachau.

37 Jahre später stellt die Stadtverwaltung fest: "Diese Formulierung ist sprachlich nicht mehr zeitgemäß und im Übrigen auch unbestimmt." Das Problem an diesem Satz umfasst eindeutig mehr als nur die Formulierung, wichtig aber ist die Schlussfolgerung: Der Text wird geändert. Allerdings hat sich die Stadtverwaltung erneut im Amtsdeutsch und irgendwie auch im Ansinnen verheddert. Das Wort "Geisteskranke" wird ersetzt durch "Personen, die an einer meldepflichtigen übertragbaren Krankheit oder offenen Wunden leiden". Damit wurde nun also nicht nur das peinliche Wort "Geisteskranke" gestrichen, sondern wird nun zu recht, Menschen mit Behinderung das Eislaufen laut Satzung nicht mehr verwehrt.

Als die Satzung 2001 zuletzt geändert wurde, hatte der Satz offenbar noch keinen gestört. Noch besser, als das Wort zu streichen, wäre es gewesen, die Stadtverwaltung hätte keinen neuen Anlauf genommen, irgendjemanden von der Benutzung der Eisbahn auszuschließen. So hat sie sich wieder Bein gestellt: nun bleiben Menschen mit ansteckender, meldepflichtiger Krankheit ausgeschlossen. Dazu gehören laut Infektionsschutzgesetz Mumps, Masern, Cholera und Typhus. Meldepflichtig ist auch der Nachweis von Salmonellen, Hepatitisviren und HIV. Die Stadtverwaltung legt jedoch Wert darauf, sich ausschließlich auf die meldepdlichtigen Krankheiten, nicht auf die meldepflichtigen Erreger zu beziehen. Menschen, mit HIV oder Hepatitis sind daher nicht ausgeschlossen.

Bleibt die Frage, ob jemand, der akut an Masern oder Diphterie leidet, Kraft zum Freizeitsport hat. Warum überhaupt irgendjemand vom Schlittschuhlaufen auf der städtischen Kunsteisbahn ausgeschlossen werden soll, ist schwer zu verstehen. Die Stadt beruft sich auf den Schutz der Bürger. Solche Klauseln seien üblich, sagt Hauptamtsleiter Josef Hermann, auch wenn sie die Einhaltung letztlich schwer oder gar nicht zu überprüfen sei, wie er einräumt.

Es ist nicht leicht mit den korrekten Formulierungen. Auch das Wort Betrunkene wurde spezifiziert. Es wird ersetzt durch "Personen, die unter dem Einfluss berauschender und betäubender Mittel stehen". Das entspricht ungefähr der Straßenverkehrsordnung, die nicht nur Alkohol am Steuer verbietet, sondern auch andere Drogen, etwa das Rauchen von Marihuana. Eisläufer sollten auch mit dem Glühwein aufpassen.

Begonnen wurde die Überarbeitung der Satzung übrigens, weil in der vergangenen Saison einer 14-Jährigen in Begleitung ihrer Großeltern der Zutritt zur Abendzeit untersagt wurde. Erlaubt wäre er nur in Begleitung der Erziehungsberechtigten gewesen. Mit der neuen Satzung dürfen Minderjährige zu den Abendlaufzeiten nun auf die Bahn, wenn sie eine volljährige Person mitbringen. Damit wäre der Ausflug auf die Eisbahn nach 19 Uhr mit Geschwistern, Tanten, Großeltern geritzt.

Ach nein, nicht ganz. Die volljährige Person muss von den Erziehungsberechtigten "beauftragt" sein. Wie soll diese Beauftragung aussehen? Braucht es eine schriftliche Vollmacht? Reicht eine Whats-App-Nachricht? Die Stadträte im Haupt- und Finanzausschuss bemängelten die Formulierung als zu ungenau. Kleinlaut räumte die Verwaltung ein, nachbessern zu wollen. Sicher in zeitgemäßem Ton.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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