Sicherheit im Fasching:Stress mit der Gaudi

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Faschingswagen müssen sich heuer einer TÜV-Prüfung unterziehen. Teilnehmer an den Umzügen sind verärgert.

Bärbel Schäfer

TÜV-Prüfer Stefan Karnowski muss prüfen, ob die Gefährte die Sicherheitsauflagen erfüllen. (Foto: © joergensen.com)

Im Schneeregen bückt sich Stefan Karnowski unter den Anhänger, balanciert auf dem nassen Asphalt auf einem Knie, leuchtet mit der Taschenlampe unter den Anhänger, begutachtet Rahmen und Fahrwerk, misst mit einem Riesen-Meterstab die Aufbauten. Der TÜV-Sachverständige kontrolliert auf der Ludwig-Thoma-Wiese die Faschingswagen auf ihre Verkehrssicherheit. Am Umzug teilnehmen dürfen nur TÜV-geprüfte Wagen. Fünf beim Faschingszug angemeldete Vereine aus dem Dachauer Landkreis unterziehen sich der Prüfung auf der Thoma-Wiese. Alle bestehen sie. Zehn weitere Wagen werden in separaten Einzelabnahmen kontrolliert. "Wenn einer kein Gutachten hat, fährt er direkt wieder heim", sagt Erik Stöhr vom Faschingsförderverein Dachau. Trotz des Mehraufwandes hält er die TÜV-Abnahme für eine wichtige Maßnahme. "Dadurch ist eine Sicherheit für den Fahrer und die Verantwortlichen gegeben, und bei Versicherungsfragen gibt es keine Probleme."

Seit vierzehn Tagen begutachtet Stefan Karnowski in den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck die Faschingswagen. Die meisten nehmen an mehreren Umzügen teil. Von insgesamt 25 bisher geprüften Wagen sind zwei durchgefallen. Viele ältere landwirtschaftliche Anhänger haben zwar eine bauartbedingte Betriebserlaubnis, aber in vielen Fällen ist das Dokument im Lauf der Jahre verloren gegangen. Fehlt die Betriebserlaubnis, muss das Fahrzeug vom TÜV geprüft werden. Neben Bremstauglichkeit, Anhängerdeichsel und Stabilität kontrolliert der amtlich anerkannte Sachverständige vom TÜV Süd vor allem die hohen Aufbauten. Sie sind oft zweistöckig und aus Holz. Brüstungen und Geländer müssen 1,20 Meter hoch sein, damit keiner runter fällt. Höher als vier Meter und breiter als drei Meter darf kein Aufbau sein, Fahrzeugkombinationen dürfen eine Länge von 18 Metern nicht überschreiten. "Sonst bleibt der Wagen in Stromleitungen, Bäumen und Ampeln hängen", sagt Karnowski.

Die gesetzliche Vorschrift zur TÜV-Prüfung stammt bereits vom 13. November 2000, fand aber bisher wenig Beachtung. Am 6. November 2012 wurden die Verkehrs- und Genehmigungsbehörden von der Regierung von Oberbayern informiert, den Erlass nun zwingend umzusetzen. Das Treffen der Genehmigungsbehörden mit Polizei und Veranstaltern fand am 17. Dezember im Rathaus in Indersdorf statt, berichtet Erik Stöhr. Am 21. Dezember 2012 wurden die Vereine vom Landratsamt Dachau schriftlich über die detaillierten Auflagen zu diesen Fahrzeugen informiert. Auch Prüfer Stefan Karnowski wundert sich, dass die eigentlich alte Regelung erst jetzt und so kurzfristig umgesetzt wurde. "Wir wurden erst im Januar benachrichtigt." Wegen der kurzfristigen Umsetzung rechnet Stöhr heuer mit weniger Zugteilnehmern. Für die meisten kam die neue Regelung nicht nur überraschend, sondern reichlich spät. Sie arbeiten in ihrer Freizeit bis tief in die Nacht und am Wochenende, um etwas auf die Beine zu stellen. Jetzt fühlen sie sich von der Verwaltung schikaniert. Offensichtlich hat es sich bis dorthin nicht rumgesprochen, dass der Fasching schon am 11.11. beginnt. "Wir haben die Mitteilung erst Ende Januar bekommen", sagt Sebastian Klein vom Burschenverein Niederroth. Der Verein fängt traditionell vor Weihnachten mit dem Bau seines Wagens an. Bis die Mitteilung den Verein erreichte, war der Wagen längst fertig. Aus Furcht, der Wagen könne der Sicherheitsprüfung nicht standhalten, organisierten die Niederrother einen Anhänger mit Betriebserlaubnis und konstruierten in Rekordzeit einen neuen Faschingswagen.

In zweifacher Hinsicht auf Nummer Sicher ging die Faschingsgruppe "Webling". "Wir haben extra einen Wagen mit Betriebserlaubnis organisiert", sagt Christian Hefele. Die Frage, ob in diesem Fall ein TÜV trotzdem notwendig sei, konnte ihm das Landratsamt allerdings nicht beantworten. Hefele wurde deshalb mit seinem Gefährt auf der Thoma-Wiese vorstellig. Vorsicht regiert auch bei den Faschingsfreunden Eisenhofen. Sie haben an ihrem Wagen "alles hergerichtet, was notwendig ist und vorsichtshalber die Bremsschläuche erneuert", sagt Simon Reindl. Verunsichert sind Christian Glas und seine Truppe vom Radio Gong-Wagen. "Unser Wagen ist sowieso verkehrssicher. Wir haben nur noch keinen Aufbau. Der wird aus Kostengründen und wegen der Technik erst wenige Tage vorher angefertigt. Jetzt wissen wir nicht, wie wir das mit dem TÜV regeln sollen." Die Teilnehmer finden die neuen Sicherheitsbestimmungen zwar sinnvoll, kritisieren aber die kurzfristige Bekanntgabe. "Das nervt", sagt Sebastian Klein. Simon Reindls Schwester Tanja fürchtet, dass die Auflagen viele Vereine abschrecken. "Kaputt machen durch Regeln. Ich bin seit zehn Jahren dabei und muss leider feststellen: Früher war das Feeling ganz anders." Gegängelt fühlt sich auch der Burschenverein Bergkirchen: "Es macht keinen Spaß mehr." Christian Hefele befürchtet: "Irgendwann stirbt der Fasching, weil keiner mehr Lust hat, in seiner Freizeit etwas auf die Beine zu stellen." Alexander Rabl vom Faschingskomitee Indersdorf fürchtet die Spaßbremse: "In den vergangenen Jahren sind die Auflagen gestiegen. Die Wagen sind sehr sicher geworden. Der Mehraufwand schreckt jetzt viele ab. Sie müssen früher fertig werden und haben höhere Kosten."

Die Gebühr von 40 Euro fürs TÜV-Gutachten ist dabei das kleinere Übel. Die Vereine haben generell höhere Materialkosten und müssen ihren Wagen eventuell nachrüsten. So wie die Weblinger. Der Sachverständige Karnowski bemängelt fehlende Rückstrahler und Warnschilder. Der Holzaufbau muss in den Ecken mit zusätzlichen Gewindestangen fixiert werden. Auch der Burschenverein Niederroth legt in diesem Fasching aus der Vereinskasse ordentlich drauf. Bereits in den ersten Wagen investierte er 2000 Euro.

Stöhr glaubt, dass sich die Unsicherheit über die Auflagen im nächsten Jahr legen wird. Vor allem aber hofft er auf Auflagen, die landkreisübergreifend identisch sind. Wenigstens in einer Hinsicht sind die Niederrother versöhnt. Ihr Wagen wurde als perfekt beurteilt. Vielleicht liegt das auch an dem neuen Motto. Das wurde von "Saloon" in "TÜV" geändert.

© SZ vom 05.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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