"Eenmal Nutte, immer Nutte. Is' wahr. Dieses Stigma klebt wie Scheiße an der Schuhsohle", sagt eine Darstellerin in "Love for Sale", dem neuen Stück der US-amerikanischen Regisseurin und Wahl-Dachauerin Karen Breece über Sexarbeit und Prostitution. Und unwillig, weiter darüber zu sprechen, fragt sie: "War's das?"
Nein. Damit fängt es erst an - Breece nimmt die Besucher auf eine Erkundungsfahrt in die Grauzonen eines Wirtschaftszweig mit geschätzten 14,5 Milliarden Euro Jahresumsatz. Alles, was man über Prostitution zu wissen glaubt, ist falsch. Das fängt schon bei den Zahlen an: 1,2 Millionen Männer sollen täglich zu Sexarbeiterinnen gehen, 400 000 Menschen, überwiegend Frauen, sollen neben Männern und Transsexuellen in Deutschland in dem Gewerbe arbeiten. Diese Zahlen, die seit den 1980er Jahren immer wieder angeführt werden, sind indes wenig verlässlich.
Sicher ist hingegen: Die öffentliche Wahrnehmung der Menschen, die Sex-Arbeit anbieten, ist von Klischees, Vorurteilen, ihr Leben von sozialer und rechtlicher Diskriminierung geprägt. Basierend auf der Langzeitrecherche der Regisseurin und Autorin sowie ihren intensiven, vertrauensvollen Gesprächen mit Menschen aus dem Umfeld der Prostitution leuchtet das Stück das Geschäft mit der Lust aus.
Mit eigener Stimme sprechen
Wie schon in ihrer Theaterarbeit mit Obdachlosen oder Aussteigern aus der Neonazi-Szene und deren Müttern führt Breece ihre Protagonisten niemals voyeuristisch vor. Sie gibt ihnen auf der Bühne den Raum, ihre eigene Stimme zu erheben, ohne Bevormundung durch eine Gesellschaft, die einerseits käufliche Liebe braucht, andererseits, moralisch verlogen, dagegen gesetzliche Verbote fordert.
Sie sind die Experten und Expertinnen, wie die Regisseurin sie nennt - und das zu Recht. Sie sprechen darüber, was es bedeutet, seinen Körper als Ware anzubieten aus eigener Erfahrung. Inwieweit ist Sexarbeit selbstbestimmt, wie viele Frauen arbeiten unter Zwang, welche gefährlichen kriminellen Strukturen - Menschenhandel, Zuhälterei - wirken in dieses Schattenreich hinein?
Viele Fragen für den Nachhauseweg
Breece, die in Dachau lebt, hat an vielen Bühnen gearbeitet, sie inszenierte unter anderem für das Berliner Ensemble, die Münchner Kammerspiele, das Münchner Volkstheater, die Schaubühne Berlin. Zuletzt feierte sie mit "Wien's Anatomy" am Volkstheater Wien einen großen Erfolg. In all ihren Stücken, die dem dokumentarisch-szenischen Theater zugerechnet werden, führt die Regisseurin die Zuschauer zur Auseinandersetzung mit sich selbst.
Auch bei "Love for Sale": Was erzählt der Umgang mit Sexarbeit über uns und unsere Gesellschaft? "So sehr uns Sex, Pornographie und Prostitution im Alltag umgeben, so wenig sprechen wir offen darüber", sagt Breece. Was sagt Sexarbeit über das kapitalistische System, über #Metoo und Machtstrukturen? Breece spürt diesen Fragen nach - und gibt sie dem Publikum mit auf den Weg nach Hause.
Premiere am Samstag, 26. November, 20 Uhr; weitere Vorstellungen am 27., 28., 29. und 30.November, jeweils Beginn um 20 Uhr im Münchner Theater HochX, Entenbachstraße 37. Mit Lisa Marie Stojčev und Angela Aux. Tickets für 18, ermäßigt zehn Euro unter www.theater-hochx.de/tickets .