Achtung, Radfahrer!:Blumenpflücken am Bahndamm

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Von Dachau nach München mit dem Fahrrad zu fahren, ist für Berufspendler eine Abwechslung, mehr nicht. Ein Selbstversuch.

Von Viktoria Großmann, Dachau/München

Hinter Allach wird es unübersichtlich. Der Routenplaner hilft jetzt auch nicht weiter. Es gibt keine Straßennamen und keine Kreuzungen mehr, nur noch Meterangaben. Aber wer weiß schon so genau, ob es seit der letzten Kreuzung 200 oder 250 Meter waren? Die können aber entscheidend sein, wenn man sich weder im Allacher Forst verirren, noch auf der Bundesstraße überfahren lassen will.

Von Dachau nach München-Schwabing sind es knapp 20 Kilometer. Keine Strecke die man als Berufspendler gern jeden Tag und dann auch noch hin und zurück bewältigen möchte. Für Freizeitradler aber ist es ein netter Ausflug und für Pendler ist es an schönen Tagen eine willkommene Abwechslung zum Herumstehen an und in der S-Bahn, mit der man ja immerhin eine Wegstrecke morgens oder abends bewältigen kann - wenn doch nur alles ein bisschen besser beschildert und ein bisschen besser ausgebaut wäre.

Ein Radschnellweg nach München, wie ihn der Verkehrsclub ADFC fordert? Ja, bitte. Je nach Zustand von Rad und Radler braucht man auf dem - immerhin sehr abwechslungsreichen - Weg zwischen 75 und 90 Minuten. Es sei denn, man möchte zwischendurch an einem der Blumenfelder anhalten und einen Strauß Sonnenblumen schneiden oder gar Kürbisse ernten. Dann verzögert sich das Ganze um unbestimmte Zeit. Entscheidend für das Fortkommen ist aber der Zustand der Wege und der ist in den meisten Teilen stark verbesserungswürdig.

Man kann man mehrmals anhalten und Blumen schneiden - das ist einer der wenigen Vorteile. (Foto: Toni Heigl)

Das fängt zwischen Dachau und Karlsfeld an. Zwei Kommunen, die so vieles verbindet und die so eng beieinander liegen, könnten es dem Radlerverkehr ruhig etwas leichter machen. Angenehm ist die Strecke über die Augustenfelder Straße in Dachau hinüber zur Münchner Straße in Karlsfeld. Hingegen wäre auf der Alten Bayernwerkstraße entlang der S-Bahnlinie ein Radweg sehr willkommen. Hier wird es schon für zwei entgegenkommende Autos eng, in der Dämmerung muss man fürchten, übersehen zu werden. Vorbildlich ist dann der Ausbau durch Karlsfeld hindurch bis zur Eversbuschstraße. An der Stadtgrenze zu München ist Schluss mit dem Radweg. Man hat die Wahl, sich die enge Straße mit Zwölftonnern zu teilen oder Fußgänger auf dem schmalen Gehweg zu nerven. Radfahrer sind in Allach einfach nicht vorgesehen. Auch Schilder existieren für sie nicht. Es geht also noch eine Weile auf dem Fußweg entlang bis ein Schild scharf links nach Ludwigsfeld zeigt. Hier gibt es wieder einen Radweg, man fährt noch ein paar Meter durch bebautes Gebiet, dann wird es karg, es folgt eine Brückenunterführung. Wenn links das Wohngebiet auftaucht, ist es Zeit, sich in Büsche zu schlagen.

Der weitere Weg Richtung München Innenstadt führt durch grünes Bahngelände. Die Wege sind naturbelassen, eine Federgabel zahlt sich hier aus. Auch diese Strecke ist nichts für jeden Tag und dient nicht gerade dem schnellen Fortkommen. Die Wege sind nicht beschildert, es gibt ab und an Auswahlmöglichkeiten, sie führen aber letztlich alle wieder zusammen. So geht das eine Weile über die Schotterpiste an Joggern, Spaziergängern und Hunden vorbei bis zur Kreuzung der Dachauer Straße in München mit der Bundesstraße 304. Verirren kann man sich jetzt nicht mehr. Die Dachauer Straße führt durch Moosach, Neuhausen und die Maxvorstadt geradewegs bis zum Münchner Hauptbahnhof.

Nachteile: mangelnde Beschilderung und holprige oder gar keine Radwege. (Foto: Toni Heigl)

Es ist eine Strecke auf der man erleben kann, dass München nicht überall leuchtet und öffentliche Mittel in der 1,5 Millionen-Stadt mit dem Sechs-Milliarden-Haushalt offenbar etwas ungleich verteilt werden. Die Wege, die an Discountern und Mietshäusern vorbei führen sind zwar zum großen Teil sehr breit, aber den Platz brauchen Fußgänger und Radfahrer auch, um Löchern, Wurzeln oder hinderlich aufgebauten Verteilerkästen und Schildern ausweichen zu können.

An der Kreuzung mit der Gröbenzeller Straße ist Schluss mit dem Radweg, in der engen Unterführungsstraße kann man sich nur auf den Fußweg retten und das besser frühzeitig, denn die Bordsteinkante ist zu hoch, um noch schnell rüber zu ziehen, wenn der Laster von hinten drängelt. So geht das ein Stück bis zur nächsten großen Kreuzung. Hier gibt es nicht nur Radwege, sondern sogar Radfahrerampeln und Schilder. Endlich hat man genügend Platz und das Gefühl, als Radfahrer in der Verkehrsplanung eine Rolle gespielt zu haben. Man ist angekommen in der Stadt und denkt sich in der Hochstimmung, die auf sportliche Leistungen folgt: Wenn der ganze Weg so eben, so breit, so gut beschildert wäre, man würde ihn glatt jeden Tag radeln. Oder fast.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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