Klassik in der Kulturschranne:Schumann und seine Verehrer

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Gemeinsam mit Julian Riem gibt Klarinettist Georg Arzberger ein Konzert bei freiem Eintritt in der Kulturschranne. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Kulturschranne ist vollbesetzt, als Klarinettist Georg Arzberger und Pianist Julian Riem auftreten. Einen ganzen Abend spielen sie "romantische Fantasiestücke im Gefolge von Robert Schumann".

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

In der vollbesetzten Kulturschranne spielten sie am Mittwoch einen ganzen Abend lang "Fantasiestücke": der in Dachau lebende Professor für Klarinette Georg Arzberger und der Münchner Pianist Julian Riem. Doch gibt es denn in der Musik überhaupt etwas anderes als Fantasiestücke, ist nicht jedes Musikstück von Haus aus ein Fantasiestück? Franz Schubert notierte am 29. März 1824 in seinem Tagebuch: "O Phantasie, du höchstes Kleinod des Menschen, du unerschöpflicher Quell, aus dem sowohl Künstler als Gelehrte trinken!"

Wenn man das, was Arzberger und Riem auf vorzügliche und unerhört virtuose Weise boten, als "romantische Fantasiestücke im Gefolge von Robert Schumann" bezeichnet, hat man wohl den Nagel auf den Kopf getroffen. Das war es, was die Konzertbesucher in der Kulturschranne hörten: Musik von Robert Schumann und weitestgehend unbekannten Komponisten, die ihn verehrten und in seinem Stil komponierten, also ausschließlich romantische Musik, vor allem des späten 19. Jahrhunderts.

Eindrucksvoll trugen Georg Arzberger und Julian Riem die vier Fantasiestücke für Klarinette und Klavier von Niels Wilhelm Gade vor. Sie erwiesen sich als sehr virtuose Stücke der unmittelbaren Schumann-Nachfolge - ebenso die drei Fantasiestücke des unbekannten dänischen Gade-Schülers August Hendrik Winding. Den Namen des Dänen Niels W. Gade kennen wohl viele Klavierschüler, denn im sehr verbreiteten "Album für die Jugend" von Robert Schumann ist ein "Nordisches Lied" als "Gruß an W. Gade" enthalten.

Schumanns Werke sind der Konzerthöhepunkt

Die meisten der romantischen Fantasiestücke sind nur mit einer Tempovorschrift wie "Allegro moderato" oder "Presto" versehen. Doch das dritte Fantasiestück von Gade ist eine Ballade. Dieses Wort hat die Phantasie des Pianisten Julian Riem in der Kulturschranne angeregt. Er sieht eine Runde würdiger Ritter beim Gespräch - ganz anders als Karl Valentin, bei dem es heißt: "g'suffa ham's, und des net wia, aus de Eimer Wein und Bier".

Das sei nur bemerkt, um den einheitlichen wohlig-romantischen Charakter aller Stücke dieses Abends zu verdeutlichen, bei dem Bizarres oder aus dem Rahmen Fallendes keinen Platz hatte und gestört hätte. So etwas blieb der Musik des 20. Jahrhunderts vorbehalten, doch davon war selbst bei Carl Reinecke, der 1824 geboren wurde und als einziger immerhin zehn Jahre ins 20. Jahrhundert hinein gelebt hat, nicht die geringste Spur zu entdecken.

Der Meister, der Fantasiestücke dieser romantischen Art ins Leben rief - man kann sie auch als "romantische Charakterstücke" bezeichnen - war Robert Schumann. Seine "Fantasiestücke für Klavier und Klarinette op. 73" standen als musikalischer Höhepunkt am Konzertende. Schon bei Schumann sind die musikalischen Zusammenhänge mehr zu erahnen als zu erfassen, wie einst treffend formuliert wurde. Doch beim Genuss seiner oft gespielten und sehr bekannten Musik spielen das Erlebnis und die Freude des Wiedererkennens eine große Rolle. Es war ein Abend mit überwiegend unbekannter, doch durchaus bemerkenswerter Musik. So etwas kommt im heutigen Konzertbetrieb, in dem meist Bekanntes und hundertfach Bewährtes die Konzertprogramme füllt, nur selten vor.

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