Schöngeising:Der Missionierung Afrikas auf der Spur

Lesezeit: 3 min

Eine Ausstellung am Jexhof beschäftigt sich mit der Christianisierung der sogenannten Heiden in Afrika

Von Peter Bierl, Schöngeising

"Hilfe für die Heiden" lautet der Titel am Eingang. Darunter ist ein Weißer mit Tropenhelm zu sehen, der von Schwarzen über einen Fluss getragen wird. Das Foto entstand zwischen 1909 und 1916 und zeigt einen Missionar aus Sankt Ottilien im heutigen Tansania. Damals fürchteten Europäer, am Schwarzwasserfieber zu erkranken, was oft tödlich verlief. Titel und Bild illustrieren sehr schön Anspruch und Wirklichkeit der christlichen Mission, die Mitte des 19. Jahrhunderts noch einmal aufblühte. Ihr ist eine hervorragende neue Sonderausstellung im Bauernhofmuseum Jexhof gewidmet. Überzeugend sind Gestaltung und Präsentation. Erstmals wird ein Licht auf das Leben der Missionare geworfen, die meist aus der Region stammten, und der Zusammenhang von Kolonialismus und Rassismus herausgearbeitet.

Die Missionare kamen aus größeren Familien mit bescheidenem Einkommen. Die Väter waren Bauern und Handwerker, ihr Weltbild christlich-konservativ. Für Laienbrüder bedeutete die Mission religiöse Erfüllung, materielle Sicherheit und sozialen Aufstieg, Afrika versprach zudem Freiheit und Abenteuer. Etwas schwieriger war es, Patres zu gewinnen, die Abitur haben mussten. Dafür wurde ein eigenes Missionsseminar eingerichtet, aus dem später Gymnasium und Internat von Sankt Ottilien hervorgingen.

Die meisten Objekte stammen aus dem Fundus von Sankt Ottilien, die Kulturstiftung des Bezirks Unterfranken steuerte etliche Leihgaben bei, vor allem die sogenannten Nickneger. Im fränkisch-thüringischen Raum hatten viele Produzenten solcher Figuren und Devotionalien ihren Standort. Museumsleiter Reinhard Jakob und die Künstlerin Ruth Strähhuber haben aus den etwa 2000 Fotoplatten im Archiv von Sankt Ottilien einige Dutzend ausgewählt, die das Leben auf den Missionsstationen, die ersten Kirchen und Hütten aus Lehm und Stroh, sowie die Haltung der Geistlichen und Laienbrüder dokumentieren. Die beiden haben die Ausstellung auch konzipiert und gestaltet.

Deutlich wird die Verbindung mit dem deutschen Kolonialismus, der nur eine kurze Periode umfasste, aber schreckliche Verwüstungen anrichtete. Die Deutschen vertrieben Afrikaner von ihrem Land, zerstörten ihre Dorfgemeinschaften, um Land und Arbeitskräfte zu gewinnen, und schlugen Aufstände blutig nieder. Beim Maji-Maji-Aufstand in Tansania von 1905 bis 1907 kamen mehr als 75 000 Menschen ums Leben.

Die Missionsgesellschaft der Benediktiner wurde 1884 von Andreas Amrhein gegründet, der vom Bischof in Augsburg die Zustimmung zur Klostergründung in Sankt Ottilien erhielt. Rom wies den angehenden Missionaren Ostafrika zu, drei Jahre später kam ein Vertrag mit der Deutsch-Ostafrika-Gesellschaft zustande, die anfangs die Verwaltung des besetzten Gebietes übernommen hatte. Im gleichen Jahr kam die erste Gruppe aus neun Brüdern, vier Schwestern und einem Priester in Pugu bei Daressalam an. Die Nonnen sollten sich vor allem um die Gesundheitspflege kümmern, sie kamen anfangs auch aus Sankt Ottilien, später verfügte der Bischof eine Trennung und sie zogen nach Tutzing um. Patres und Brüder waren zum Militärdienst verpflichtet, einige kämpften während des Ersten Weltkrieges in den Reihen der deutschen Truppen. Ein Foto zeigt internierte deutsche Missionare in einem britischen Kriegsgefangenenlager in Ägypten.

Erzabt Norbert Weber sah die Aufgabe der Mission darin, die "Heiden" als "kindliche Völker" zu einer "höheren Gesittung" zu führen. Indem man sie christianisiere, werde sowohl der Kirche als auch dem Staat gedient. Entweder wurden Afrikaner als Wilde entmenschlicht oder als Kinder herabgewürdigt. Im Begriff des Heiden finden sich beide Komponenten wieder. Die Nickneger bringen dieses Verständnis zum Ausdruck, auch das klischeehafte Afrikabild, das die Missionare durch Vorträge, Kalender und Bücher in die Heimat transportierten. Die Figuren standen in Kirchen, Gemeindesälen, Schulen und Kindergärten in protestantischen wie katholischen Gegenden. Legte jemand eine Münze in die ausgestreckte Hand der Figur, nickte deren Kopf. Symbolisch kam darin die den Afrikanern zugewiesene untergeordnete, servile und hilfsbedürftige Position zum Ausdruck. Solche Darstellungen, die zugleich mit dem Reiz des Exotischen spielten, fanden sich in den populären "Völkerschauen" wieder, die in Zoologischen Gärten abgehalten wurden oder auf dem Oktoberfest, wie ein Plakat noch aus dem Jahr 1959 dokumentiert. Die Nickneger verschwanden im Laufe der Sechzigerjahre, als sich allmählich ein Bewusstsein für den diskriminierenden Charakter einstellte.

Eine wichtige Rolle spielten die Missionsvereine in Deutschland, die die Ausbildung von Ordensleuten förderten und über Mitgliedsbeiträge, Ablassbilder oder Rosenkränze Geld sammelten. Dazu kam eine Spendensammlung, die sich vor allem der Taufe von "Heidenkindern" verschrieb. Als 1950 der Weltmissionstag der Kinder eingeführt wurde, begann das Missionswerk mit der Sternsinger-Aktion. In Sankt Ottilien wurde das "Liebeswerk vom Heiligen Benedikt" gegründet, um die Missionare zu unterstützen. Der Verein organisierte Vorträge, verbreitete Zeitschriften und sammelte Spenden. Speziell für die Jugend gab es Zeitschriften wie "Das Heidenkind" oder den "Heidenkalender".

Positiv zu bewerten ist, dass die Missionare sich um ausgegrenzte Menschen kümmerten und Sklaven befreiten. In der Ausstellung wird ein sogenannter Sklavenfreibrief gezeigt, einer von etwa eintausend, wie Jakob erzählt. Zudem legten die Missionare den Grundstein für ein modernes Schulsystem. Dennoch blieb die Mission lange Zeit ein weißer Betrieb. Erst 1943 wurden die ersten afrikanischen Priester von Sankt Ottilien ausgebildet. Mit dem zweiten Vatikanischen Konzil endete 1965 die katholische Mission alten Stils, aus der eurozentristischen wurde eine Weltkirche.

Hilfe für die Heiden. Übersee-Mission, Heimat und das Bild von Afrika (1887-1965), Sonderausstellung im Jexhof bei Schöngeising, 2. Dezember bis 29. Januar, Dienstag bis Samstag von 13 bis 17 Uhr, an Sonn- und Feiertage von 11 bis 18 Uhr geöffnet

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: