Kirche:Der Heilige strahlt wieder

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Die Hofmarkkirche Schönbrunn hat ihr prachtvolles Interieur zurück. Doch die Sanierung des Bauwerks kostet noch viel Geld.

Von Dorothea Friedrich

Für die meisten Besucherinnen und Besucher ist es ein eher unbekanntes Fleckchen von Schönbrunn. Diesen ausnahmsweise sonnigen Frühsommernachmittag umschwebt eine Ahnung von Fliederduft und vervollständigt die Impression von barocker Hofmarkkirche-Fassade, friedlichem Gottesacker nebst kleiner Aussegnungshalle. Doch etwas stört das Bild gewaltig. Rund um das 1723 bis 1724 erbaute Gotteshaus verwehrt ein in die Jahre gekommener Bauzaun den Zutritt zum Gotteshaus. Denn seit 2001 ist die Hofmarkkirche Heilig Kreuz wegen Baufälligkeit geschlossen. Ist die seit einigen Jahren renovierte Außenfassade also nur schöner Schein?

Nicht wirklich. Öffnen sich ausnahmsweise die schweren Kirchenportale, weht es erst einmal leicht muffig-staubig heraus. Doch mitten in diesem Wust von Gerüststangen, Brettern, Kisten und Werkzeug strahlt es golden: "Das ist der heilige Wolfgang", ruft Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter begeistert. Sie ist Gründungsmitglied des Fördervereins Hofmarkkirche Schönbrunn. Zusammen mit dem neuen Vorsitzenden Michael Wockenfuß und seinem Stellvertreter Burkhard Haneke ist sie gekommen, um die Heimkehr etlicher berühmter Skulpturen aus dem langen Exil in Bad Endorf zu begutachten. Der heilige Wolfgang strahlt in vollem bischöflichem Ornat und man muss ihm - Respekt vor der Kunst hin oder her - einfach zur Begrüßung über die vergoldete Wange streichen. Hat er doch nebst weiteren Statuen, von denen noch die Rede sein wird, gerade eine bedeutsame Aufgabe zu erfüllen. Denn es braucht viel Fantasie, die zahllosen Fotos auf der in Sachen Sakralbauten unübertroffenen Webseite kirchenundkapellen.de und nicht zuletzt die Zielstrebigkeit des Fördervereins, um eine Ahnung vom vergangenen Glanz und dessen möglicher Wiederherstellung zu bekommen. Michael Wockenfuß, Burkhard Haneke und Birgitta Unger-Richter kennen buchstäblich jeden Stein im seit mehr als zwanzig Jahren eingerüsteten Innenraum und sie erzählen so mitreißend von den unzähligen Details, dass man am liebsten gleich Besen und Schaufel in die Hand nehmen würde, um irgendwo mit dem Aufräumen anzufangen. Die Kreisheimatpflegerin schaut in die halb ausgepackten Kisten und findet hier einen Teil der Kreuzweg-Bilder, da das Attribut einer Heiligen, deren Statue genau auf einen speziellen Vorsprung gehört.

Es ist ein bisschen wie Geschenke auspacken, während der Blick suchend durchs Gotteshaus geht und man sich anschließend vorsichtig über die Bretter bewegt, unter denen die originalen Kirchenbänke verborgen sind. Sich irgendwie durch das Gewirr schlängelnd gelangt man hinter den Hochaltar - derzeit nur ein Haufen Mauerwerk, Man schaut aus sicherer Entfernung in die Sakristei, "fast alles noch original", sagt Birgitta Unger-Richter - und lässt sich vom ob der langen Warterei etwas grau und müde wirkenden Stuck verzaubern. Dabei spürt man ein leichtes Grummeln im Bauch, weil so ein wertvoller Kulturschatz immer noch vor sich hinrotten muss. Da wandern die Gedanken gleich zum nächsten Schatz, dem ehemaligen Birgittenkloster Altomünster, das gleichfalls im Dämmerschlaf liegt. Doch der Anflug von Trübsinn verfliegt schnell, nachdem die enge Wendeltreppe erklommen ist und erstmals ein echter Überblick über den Kirchenraum möglich wird. Nur zu gerne würde man all die Nischen erkunden, erfahren, wer hier seinen exklusiven Platz hatte. Im zweiten Stock kommt dann das große Staunen. Endlich wird das Deckengemälde in seiner ganzen Größe sichtbar. Es zeigt - bevölkert von vielen Engeln und Symbolen - die Verehrung des heiligen Kreuzes, das um 1730 entstand. Es ist das einzige erhaltene Werk des Münchner Hofmalers Balthasar Augustin Albrecht (1687-1765). Man könnte sich in der Szenerie verlieren, stundenlang auf Detailsuche gehen und hört zugleich Burkhard Hanekes besorgte Stimme, die auf die vielen Risse, auf herabgefallen Stuck und ähnliche Malheurs aufmerksam macht.

Eine gute Gelegenheit nachzufragen, warum dieses Gotteshaus so einzigartig ist. Birgitta Unger-Richter weiß die Antwort: Es sei einer der bedeutendsten Kirchenbauten im Landkreis und habe viele hervorstechende Merkmale, sagt sie. Zu denen zähle auch, dass das Gebäude in Nord-Süd- und nicht - wie allgemein üblich - in Ost-West-Richtung ausgerichtet sei. Der unermüdliche Kirchen- und Kapellenfachmann Hans Schertl zitiert auf seiner Website Hanns-Martin Römisch vom Baureferat des Ordinariats. Der Fachmann sagte, "dass die Kirche an die herausragende bauliche Qualität des Schlosses Schleißheim oder auch der Residenz in München heranreicht". Wobei die letztgenannten unter ihren Kostbarkeiten, eine garantiert nicht besitzen: Es sind die berühmten Passionsfiguren in Lebensgröße mit Echthaarperücken und Glasaugen. Sie standen einst auf den Altären der beiden Kapellen links und rechts des Eingangs. Nun haben sie ihren vorläufigen Platz über dem abgebauten Hochaltar gefunden, so nah - und doch unerreichbar fern, denn es braucht schon fast akrobatische Fähigkeiten, um zu ihnen zu gelangen. Doch sie sind da. Dicht zusammengedrängt stehen sie in ihren gerade erst geöffneten Einhausungen und sind selbst aus der Ferne imposant. Man kann sich gut vorstellen, wie zur Passionszeit die Gläubigen ehrfurchtsvoll und mit leichtem Schaudern die Darstellung der Geißelung und der Verspottung Jesu anschauten, wie sie Mitgefühl mit dem sichtbar gequälten Gottessohn hatten und am liebsten wutentbrannt die groben Henkersknechte angespuckt hätten.

Michael Wockenfuß, Chef des Fördervereins. (Foto: N.P. Joergensen)

Diese so lebendigen Gesichter und Körper inspirieren. Zum Beispiel zu Gedankenspielen, dass man - unter Beachtung aller baurechtlichen Vorschriften - doch von Zeit zu Zeit die Kirche für ganz spezielle Führungen öffnen könnte, dass mehr Menschen einen Beitrag zu den horrenden Renovierungskosten leisten würden. Mit vier Millionen Euro und mehr rechnet Förderverein-Vorsitzender Wockenfuß. Festlegen will er sich noch nicht. "Wir brauchen zuerst einmal eine aktuellere Schätzung. Dann können wir das Projekt womöglich in kleinere Teile zerlegen, können sehen, wo wir Fördermittel bekommen", sagt er. Ihm ist wichtig, "dass wir uns nicht verzetteln und ein Konzept für die Umsetzung haben. Dazu benötigen wir detaillierte Informationen und Kostenkalkulationen, bei denen vor allem der Architekt gefragt sein wird." Doch Träume sind erlaubt. Zum Beispiel von einem verschwundenen Bauzaun, von Konzerten in einer mystisch-mythischen Umgebung in einer vielleicht erst teilrenovierten Kirche, von Lesungen oder gar szenischen Aufführungen.

© SZ vom 05.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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