Schmierereien in der Stadt:Kunst, die weg kann

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Die Sprayer sind vor allem in der Münchner und Schleißheimer Straße aktiv. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Hässliche Graffiti prangen an Wänden in ganz Dachau. Die Urheber bleiben meistens unerkannt und die Hauseigentümer müssen zahlen.

Von Andreas Förster, Dachau

"Bei uns gibts das Christkind und kein Weihnachtsmann!" - diesen Spruch hat jemand in großen roten Lettern am Karlsberg kurz hinterm Zollhäusl an die Wand geschmiert. Der Schreiber war wohl eher kein frommer Christ oder ehrbarer Anhänger bayerischen Brauchtums. Auch das rote Herz in dem belehrenden Spruch kann nicht verhehlen, dass hier jemand den Weihnachtsfrieden empfindlich stören wollte. Für die Stadt Dachau ist das ein Ärgernis, muss sie doch die provokanten Zeilen, genau wie die Graffiti an der gegenüber liegenden Schlossmauer, auf eigene Kosten entfernen lassen. Denn die Urheber der Gekrakel, die sich der Sachbeschädigung schuldig machen, bleiben meistens unerkannt.

Auch Rechtsanwalt Eduard Bachinger wird wohl auf seinen Kosten sitzen bleiben. Unbekannte haben Anfang Dezember sein Haus in der Münchner Straße 32, in dem auch ein Drogeriemarkt eine Filiale betreibt, auf einer Breite von mehreren Metern beschmiert und mit einer provokanten Botschaft versehen: "Wir hören auf, wenn es keine Kriege mehr gibt!" Da das wohl kaum vor dem Sankt Nimmerleinstag geschehen wird, kann man sich vorstellen, wie Bachinger darauf reagiert: "Das ist ein grober Unfug. Leider sind wir als Geschädigte die Dummen, solange es niemand gibt, der dafür zur Verantwortung gezogen werden kann. Laut Kostenvoranschlag muss ich mit 4000 Euro rechnen. Ich bin sauer und werde jetzt eine Kamera installieren."

Es geht in der Szene um vermeintlichen Ruhm

Oft sind die vermeintlichen Kunstwerke mit Sprüchen versehen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

So wie ihm geht es gerade vielen Hauseigentümern in der Schleißheimer und Münchner Straße oder auch rund um die Scheibner Schule am Max-Mannheimer-Platz. Hier kann man Sprüche mit fragwürdiger Kommasetzung lesen wie: "Wer nichts weiß muss alles glauben". Die Täter - ein ganz Fleißiger hat sich das Kürzel "AWH" gegeben - suchen sich geschickt Plätze aus, die einerseits eine prominente Lage haben, so dass die Botschaft auch ankommt, und die andererseits etwas im Schatten liegen und einen schnellen Fluchtweg ermöglichen. Der Kick des Verbotenen nennt sich im Graffiti-Jargon "Fame", auf deutsch Ruhm. Auch von "Respect" ist die Rede. Manchen dieser in Dachau ihr Unwesen treibenden "Writer", so nennt man die Sprayer, die vor allem mit Styles (stilisierten Schriftzügen) und Tags (krypitsche Namenskürzel) ihr Revier markieren, kommt es nicht nur auf die Form, sondern auf politische Inhalte an. So wird oft das Wort "Antifa" hinterlassen, um Sympathien für die linksradikale Bewegung zu bezeugen, oder Sprüche wie "H8 Cops und Fight Cops" (Hasst und bekämpft die Polizei!), um die Abneigung gegen den Staat und dessen Exekutive zu demonstrieren.

Graffiti und Schmierereien an Hausfassaden, Bushaltestellen, Unterführungen und Stromverteilerkästen sind nicht nur in München, Berlin oder Duisburg, sondern auch in Dachau ein altbekanntes Phänomen. "Allein im Jahr 2017 gab es im Stadtgebiet Dachau 150 Anzeigen wegen Sachbeschädigung durch Graffiti", berichtet Hauptkommissar Günther Findl von der Polizeiinspektion Dachau. Der Gesamtschaden betrug etwa 90 000 Euro. 125 Taten wurden aus polizeilicher Sicht geklärt. Die meisten Fälle konnten zwei Jugendlichen aus Dachau zugeordnet werden. Ein Verfahren gegen die beiden steht noch aus. Wer als Jugendlicher über 14 Jahren beim illegalen Sprayen erwischt wird, läuft Gefahr, 30 Jahre lang dafür zur Kasse gebeten zu werden. So lange gelten die zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten gegenüber dem Täter.

Graffiti häufen sich aktuell in der Unteren Stadt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"In jedem Fall stellen wir Strafanzeige, auch wenn der Verursacher unbekannt ist."

Auch der Hauptamtsleiter der Stadt Dachau, Josef Hermann, kennt das Problem schon lange: "Wir wenden mindestens 5000 Euro pro Jahr für die Entfernung von Graffiti auf. In jedem Fall stellen wir Strafanzeige, auch wenn der Verursacher unbekannt ist. Wenn möglich, machen wir den Schaden in voller Höhe zivilrechtlich geltend."

Es geht aber auch anders, wie man am Beispiel des Dachauer Streetart-Fördervereins "Outercircle" sieht. Die Gruppe junger Männer um Adrian Till und den ehemaligen illegalen Sprayer Johannes Wirthmüller veranstaltet jedes Jahr ein über Dachau hinaus bekanntes Graffiti-Festival an der MD-Papierfabrik, wo die Fassade der Industriebrache mit sehenswerten Graffiti gestaltet wird und Workshops für interessierte Jugendliche stattfinden. Die Stadt Dachau, die Stadtwerke Dachau und das Jugendzentrum (JUZ) Dachau-Ost engagieren "Outercircle", um geeignete Flächen wie die Mauer an der Klosterschule oder größere Trafo-Häuschen thematisch passend mit qualitativ hochwertiger Streetart besprayen zu lassen. Der Vorteil der legalen Street Art: Sie ist nicht nur schön anzusehen, sondern wird mit einem Speziallack versehen, der sie vor dem Übermalen schützt. "Dies widerspricht eigentlich dem Ehrenkodex der Szene", sagt Cornelia Scheyerl, die Pressesprecherin der Stadtwerke, "aber man weiß ja nie".

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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