SZ-Adventskalender:Ein Leben ohne schwarze Flecken

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Sprayen, schrubben, putzen: Schimmel in der Wohnung ist hartnäckig und für die Bewohner ungesund. (Symbolbild). (Foto: Heiko Kueverling/IMAGO/Zoonar)

Jahrelang litt die Familie von Julie K. unter Schimmel in der Wohnung. Nun sind sie umgezogen, doch die wichtigsten Möbel fehlen.

Von Lisa Nguyen, Dachau

Der Schimmel fiel Julie K. zuerst gar nicht auf, doch dann wurde er größer und größer. Schwarze Flecken breiteten sich auf Fugen und Wände aus. Dann auf die Schränke, Schreibtische und Betten. Am schlimmsten fand es Julie in den Ecken der Kinderzimmer, wo ihre vier Kinder schliefen. "Mama, Mama, da ist der Schimmel", sagten sie zu ihr. Viel konnte Julie, die in Wirklichkeit anders heißt, nicht tun. Sprayen, schrubben, das alles half nichts.

Vor mehr als acht Jahren hat sie eine Sozialwohnung beantragt, um ihren Kindern ein besseres Zuhause zu bieten. Anfang dieses Jahres hat es endlich geklappt, nur eine Straße weiter konnte die sechsköpfige Familie eine neue Wohnung der Stadt Dachau beziehen. Fünf Zimmer statt drei. Hier lebe es sich eindeutig besser, sagt Julie. Doch angekommen sind sie noch längst nicht.

Julie K. sitzt auf dem schwarzen Ledersofa im Wohnzimmer, überall hat sie Familienbilder aufgestellt. Die Couchgarnitur und die weiße Schrankwand waren eine der wenigen Möbel, die die Familie mitnehmen konnte. Die Betten und Schränke habe sie wegen des Schimmels wegschmeißen müssen, erzählt die 41-Jährige mit ruhiger Stimme.

Knapp elf Jahre hat die Familie in der alten Wohnung in Dachau gelebt, das gesamte Haus war von Schimmel befallen. Weil sie aber als einzige Partei nur zur Miete wohnten, konnten sie keine umfassenden Renovierungen vornehmen - und sich schon gar erst nicht leisten. Das Ehepaar K. kommt ursprünglich aus dem Kongo. 2007 demonstrierte ihr Mann gegen den damaligen Präsidenten Joseph Kabila und musste kurz darauf fliehen. Julie blieb im Land, kam aber wegen der politischen Aktivitäten ihres Mannes für kurze Zeit ins Gefängnis. "Viel Druck, viel Angst" habe sie dort erlebt. Nach ihrer Freilassung entschloss sie sich, ihrem Mann zu folgen. Dieser war zu dem Zeitpunkt in einem Asylheim in Bochum untergekommen.

Seit 2022 macht Julie K. eine dreijährige Teilzeit-Ausbildung zur Kinderpflegerin, jeden Tag arbeitet sie von acht bis 14 Uhr. Davor hat sie sich um ihre Kinder, zwei Mädchen und zwei Jungen, gekümmert, die mittlerweile zwischen vier und 15 Jahre alt sind. Ein Gehalt bekommt Julie bislang nicht, ihr Mann arbeitet hingegen Vollzeit als Lagerist. Nur so könne sich die Familie bis zum Monatsende über Wasser halten.

Julie K. mag es eigentlich, für ihre Familie zu kochen: Reis, Fleisch und Bohnen - typisch kongolesisch. In ihrem neuen Zuhause mache ihr jedoch die fehlende Küche zu schaffen. Weil es keine Kochnische gibt, bereitet Julie K. das Essen auf einem elektrischen Kochfeld mit zwei Herdplatten zu, das auf einem weißen Metallbeibestelltisch steht. Der provisorische Herd schalte sich aber alle zwei Minuten aus, erzählt sie. Auf dem Boden stehen Heißluftfritteuse, Reiskocher, Wasserkocher, Toaster. Die vergilbte Mikrowelle hat auf einem Stuhl ihren Platz gefunden, die Lebensmittel sind in großen Einkaufstaschen verstaut. Nur die Kühlschränke konnten sie aus der alten Wohnung mitnehmen.

Die Kinder sind trotz allem gesund

Im Zimmer nebenan isst die Familie und spült das Geschirr ab. Das Waschbecken müssen zwei große Plastikeimer ersetzen. In einem ist Seifenwasser, im anderen klares. Auf zwei Gartenstühlen und auf dem Boden türmen sich dreckige Töpfe, Teller und Pfannen.

Julie K. weiß, wie viel Hausarbeit sie machen muss, doch mit der fehlenden Ausstattung kommt sie kaum hinterher. Auch in den zwei Kinderzimmern ist noch viel zu tun: Ihre Kinder schlafen vorübergehend auf Matratzen, nur eines schläft auf einem geschenkten Bett. Weil die Kleiderschränke fehlen, stapeln sich die Kleider in großen Tüten und durchsichtigen Plastikboxen.

Das Wichtigste für Julie K. ist jedoch, dass die Kinder nicht mehr mit dem Schimmel leben müssen. Gesundheitliche Schäden hätten sie nicht davongetragen. "Gott sei Dank", sagt Julie K. Von dem gespendeten Geld will sie ihren Kindern endlich die Ausstattung kaufen, die sie brauchen. Einen kleinen Luxus hat sie sich bislang nur für ihre zwei Teenager-Mädchen geleistet: einen weißen Schuhschrank, 55 Euro, von Poco.

So können Sie spenden

Überweisungen sind auf folgendes Konto möglich: "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.", Stadtsparkasse München, IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00, BIC: SSKMDEMM.

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