Rundflug über München:Sprung aus Flugzeug in den Tod

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Ein Selbstmörder hat versucht, ein Sportflugzeug zum Absturz zu bringen. Er scheitert und springt aus der Maschine in den Tod. Zeugen stehen unter Schock.

W. Eitler

Einen Tag nach dem Selbstmord eines 26-jährigen Augsburgers steht die Zeugin des Vorfalls noch immer unter Schock. Sie hat am Samstag beobachtet, wie der Mann aus einem Flugzeug sprang und keine 30 Meter von ihr entfernt auf das Nebengebäude eines Reiterhofs prallte.

Der 26-Jährige hat beim Sturz aus dem Flugzeug das Dach des Reiterstüberls durchschlagen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Sie hatte noch gehofft darauf, dass sich der Fallschirm öffnet, wie die Bäuerin stellvertretend für die junge Frau erzählt. "Ihr geht es psychisch sehr, sehr schlecht." Die Reiterin sei zu seinem Sohn gerannt und habe um Hilfe gerufen, berichtet der Bauer. "Der hat ihr zunächst nicht glauben wollen."

Über Bergkirchen im Landkreis Dachau versuchte der 26-Jährige am Samstagnachmittag, ein Sportflugzeug zum Absturz zu bringen. Als er damit trotz mehrerer Messerattacken auf den Piloten scheiterte, sprang er aus 500 Metern Höhe in den Tod. Auf einem Bauernhof bei Palsweis durchschlug er das Dach eines kleinen Nebengebäudes, das als Reiterstüberl genutzt wird. Das Anwesen liegt in einer Senke, 30 Meter von der Autobahn A8 München-Augsburg entfernt.

Hans-Peter Kammerer ist seit 20 Jahren Pressesprecher der Polizei in Oberbayern. Doch solch einen Selbstmord musste er während seiner ganzen Amtszeit noch nie melden: "Ich kenne keinen einzigen Fall." Nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei war der 26-jährige Selbstmörder am Samstag gegen 12 Uhr von Augsburg aus zu einem der üblichen Rundflüge über München gestartet.

Er hatte einen Gutschein des Unternehmens dabei, den er unbedingt an diesem Tag einlösen wollte, obwohl Wetter und Sicht schlecht waren. Außerdem zog er es vor, nicht vorne neben dem Piloten zu sitzen, sondern auf der Rückbank direkt neben der Tür. "Das ist ungewöhnlich", sagt Kammer.

Im Nachhinein verdichten sich diese Ermittlungsergebnisse zu Indizien dafür, dass der 26-Jährige sich und den Piloten in den Tod stürzen wollte. Außerdem fand die Augsburger Polizei in der Wohnung des Manns einen Abschiedsbrief, in dem die Tat angekündigt wurde. Zum weiteren Inhalt des Briefes will sich Polizeisprecher Kammerer nicht äußern. Er sagt nur: "Es handelt sich eindeutig um Selbstmord." Auch sei 26-Jährige drogenabhängig gewesen. Er sei der Polizei wegen Vorfällen in jüngster Zeit bekannt gewesen.

Kammerers Bewunderung gilt dem Piloten der Cessna172. Dass sie nicht abstürzte, sei nur dessen besonderer Erfahrung und Ausbildung bei der Bundeswehr zu verdanken. Denn eine einmotorige Maschine stabil zu halten und sich gleichzeitig gegen heftige Messerattacken zu wehren, erfordere ein enormes Können. Zum Zeitpunkt des Angriffs gegen 14.20 Uhr befanden sich Pilot und Passagier bereits auf dem Rückflug nach Augsburg. Die Hand des Piloten, mit der er die Attacken abwehrte, wurde erheblich verletzt. Schnittwunden am Kinn mussten genäht werden.

Am Tag danach hat der Bauer in Palsweis das Loch im Dach mit einer Plane abgedeckt. Er ist froh, dass am Samstag wegen des schlechten Wetters niemand im Stüberl saß. Normalerweise sei es zu dieser Zeit ein beliebter Treffpunkt für die Reiter, die auf seinem Hof ihre Pferde einstellen. Über Schaden und Kosten mag er gar nicht reden. "Das Dach richten wir her." Sein Mitgefühl gilt der Mutter des Selbstmörders. "Wahnsinn", sagt er. Die Polizei hat der Zeugin psychologische Betreuung angeboten. Kammerer sagt: "Hoffentlich nimmt sie sie an."

© SZ vom 18.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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