Prozess am Amtsgericht:Bewährungsstrafe für Hooligan

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Vermummte Fußballanhänger des FC Bayern München lauern einem Löwenfan am Dachauer Bahnhof auf. Der Hauptaggressor bricht dem Dachauer mit einem Schlag ins Gesicht die Nase. Seine Kumpanen bleiben unerkannt

Von Jacqueline Lang, Dachau

Fußballliebe sei das eine, sagt Richter Christian Calame in seinem Urteil vor dem Schöffengericht. Aber wenn diese dazu führe, dass man einen fremden Menschen ohne ersichtlichen Grund mit voller Wucht ins Gesicht schlage, dann sei das "einfach krass". Er verurteilt den Angeklagten deshalb wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Der 27-jährige Münchner und Fan des FC Bayern hatte einem 26-jährigen Anhänger des rivalisierenden TSV 1860 München gemeinsam mit bislang Unbekannten aufgelauert, ihn geschlagen und dann seiner zwei Fan-Trikots beraubt. Die Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Zu Bewährungsauflagen zählt ein Jahr lang eine monatliche Zahlung an den Dachauer Hospizverein in Höhe von 250 Euro. Schon im Laufe der Verhandlung hatten sich der Verteidiger des Angeklagten und der Anwalt des Opfers zudem einen auf einen Vergleich geeinigt: 2000 Euro Schmerzensgeld sowie 20 Euro für die geraubten T-Shirts zahlte der Angeklagte an den Geschädigten.

Seiner Tat überführt die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck den Angeklagten vor allem Dank mehrerer Überwachungsvideos. Die Videos zeigen, wie die vermummten Täter im Mai 2018 im Laufschritt ins Fahrradparkhaus am Dachauer Bahnhof auf den Geschädigten zu rennen. Es erfolgt ein gezielter Schlag ins Gesicht, dem daraufhin am Boden Liegenden wird sein Fanshirt ausgezogen und dieses, sowie ein weiteres, am Hosenbund hängendes, wegrissen. Im Laufschritt eilen die Täter wieder davon. Nach gerade einmal 14 Sekunden ist alles vorbei. Für den Dachauer endet der Aufstieg seines Vereins in die dritte Liga mit einem Krankenhausaufenthalt. Noch heute hat er gelegentlich Schwierigkeiten beim Atmen.

Obwohl es sich laut Zeugenaussagen und Videoaufnahmen um drei bis fünf Täter gehandelt haben soll, sitzt an diesem Tag nur ein junger Mann auf der Anklagebank. Aufgrund der erdrückenden Beweislage - er ist auf den Kameras vor der Tat ohne Maske, aber mit demselben hellblauen T-Shirt mit dem Aufdruck "Augustiner" zu sehen - lässt der 27-Jährige Münchner ohne Umschweife über seinen Verteidiger mitteilen, das er der Hauptaggressor gewesen ist.

Warum er die Tat begangen hat? Im Detail äußert sich der Angeklagte dazu nicht, aber die Umstände lassen Richter Calame zumindest vermuten, dass es sich um eine Fanrivalität gehandelt haben könnte. Der Münchner Polizei war der Mann laut Aussage des ermittelenden Beamten der Kripo Fürstenfeldbruck offenbar auch schon länger aus der gewaltbereiten Hooliganszene bekannt, auch wenn es bislang nur eine Vorstrafe wegen Sachbeschädigung gibt. Angaben zu seiner Fußballgeschichte wollte der Angeklagte allerdings nicht machen. Die öffentliche Hauptverhandlung in Dachau wird aus Sorge vor möglichen Ausschreitungen trotzdem besonders gesichert. Neben der Kontrolle am Eingang begutachtet eine Polizeibeamtin die Ausweise noch einmal zusätzlich vor der Tür zum Gerichtssaal. Aus der Szene war jedoch niemand anwesend - und so kam es zu keinerlei Zwischenfällen.

In der Verhandlung zeigt sich der junge Mann vielmehr einsichtig und gar nicht aggressiv. Für den Geschädigten kommt die einsilbige Entschuldigung nach eineinhalb Jahre trotzdem zu spät. "Es fällt mir schwer, zu glauben, dass diese Entschuldigung von Herzen kommt", sagt er. Der Angeklagte selbst erklärt sein Handeln mit dem Frust darüber, dass er nach seinem abgeschlossenen BWL-Studium ein Jahr lang keinen Job gefunden habe. Er sei, so sagt er, frustriert gewesen und habe deshalb "Unsinn im Kopf" gehabt. Unsinn, der ihm nach der Verhaftung schließlich sogar drei Wochen Untersuchungshaft eingebracht hat. Wie es ihm im Gefängnis ergangen sei, will Richter Calame wissen. "Scheiße. Sorry, aber anders kann ich das nicht sagen", so der Angeklagte. Er habe in diesen drei Wochen viel Zeit zum Nachgedenken gehabt. Eine Antwort, die ihm der Richter sofort abnimmt. Dennoch warnt er ihn: "Jetzt darf nichts mehr passieren, das muss klar sein." Der Angeklagte müsse sich jetzt auf jeden Fall zusammenreißen, denn bei einem Verstoß gegen die Bewährungsauflagen lande er auf jeden Fall im Gefängnis.

Neben dem geschädigten Dachauer sagt noch ein weiterer Zeuge aus. Er soll an demselben Tag ebenfalls von einer Gruppe bedroht worden sein. Anders als jener, dem die Nase gebrochen wurde, kann der 21-Jährige aus Röhrmoos allerdings mit seinem Auto fliehen. Weil aber auch er ein Trikot des TSV 1860 München trug, das man ihm wegnehmen wollte, und auch er am Dachauer Bahnhof angegriffen wurde, stand für den ermittelnden Polizisten fest, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um dieselben Täter handeln muss. "Für mich war klar, dass das zusammengehört", sagt der Polizist. Der Röhrmooser indes erklärt, dass seine Angreifer nicht maskiert gewesen seien und der Haupttäter, der ihm die Brille von der Nase geschlagen habe, "ganz sicher" nicht der Angeklagte gewesen sei. "Ich würde sein Gesicht wiedererkennen, wenn ich es noch einmal sehen würde", versichert er.

Auch der Beklagte weist diese Vorwürfe von sich. Da der Röhrmooser den Angeklagten entlastet und es keine weiteren Zeugen oder Beweise gibt, die den Münchner belasten, wird dieser Teil der Anklage schließlich fallen gelassen.

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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