Nachhilfeunterricht:Herr Wunderlich hilft lesen

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Der Rentner ist einer von 25 Schülerpaten des Mehrgenerationenhauses Dachau. Regelmäßig gehen die Ehrenamtlichen in die Grundschulen, um mit den Kindern zu lernen. Die Kleinen lieben sie.

Von Andreas Förster, Dachau

Die Paten gehen in die Schulen, um ihnen zu helfen. Karin Ulrich (5. von links) verteilt sie. (Foto: oh)

Jeder Dienstag ist für die 4c der Grundschule in Augustenfeld ein besonderer Tag. Da bekommen sie Besuch von ihrem Paten. Seit dreieinhalb Jahren begleitet Werner Wunderlich aus Röhrmoos die Klasse als Schülerpate. Wenn er kommt, ist die Freude groß, sowohl bei dem Rentner als auch bei seinen Schützlingen. Anfangs betreute der 74-Jährige die Kinder in Kleingruppen im Nebenzimmer.

Mittlerweile bleibt er im Klassenraum. In Absprache mit der Lehrerin geht er zu den Schülern, die Fragen haben, oder übt bestimmte Aufgaben mit ihnen. "Die Schüler nehmen das gerne an", berichtet Wunderlich. "Manche erzählen mir dabei sogar von ihren Sorgen", erklärt der ehemalige Abteilungsleiter einer Elektrotechnikfirma. Ein Vertrauen, das nicht selbstverständlich ist.

Mit dem Schülerpaten-Projekt des Mehrgenerationenhauses (MGH) der AWO Dachau investieren engagierte Bürger in Dachau und in Hilgertshausen-Tandern ihre Kompetenz und Erfahrung, ihre Zeit und vor allem ihr Herz in die Förderung von Grundschülern. Seit rund fünf Jahren unterstützen die 25 Schülerpaten, 20 Frauen und fünf Männer im Alter von 32 bis 83, die Kinder und Lehrkräfte der sechs Grundschulen in Dachau und Hilgertshausen-Tandern.

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Zwischen einer und fünf Stunden pro Woche üben sie lesen und rechnen, meistens mit den Leistungsschwächeren, manchmal auch mit den vermeintlich Stärkeren. In der Regel in kleinen Gruppen, gelegentlich einzeln und individuell, fördern und ermutigen sie ihre Schützlinge.

Einmal im Jahr treffen sich die Paten zu einem Erfahrungsaustausch im Mehrgenerationenhaus. Gerd Stärk-Uhlig ist seit 2012 dabei, aber erst seit zwei Jahren in der Übergangsklasse in Dachau-Ost. Hier teilen sich drei Jahrgangsstufen, getrennt nach Tischen, einen Klassenraum. Die 17 Migrantenkinder kommen überwiegend aus EU-Staaten und sprechen noch kein oder nur wenig Deutsch.

Viele Kinder sind unruhig. "Es gibt immer wieder Schüler im fortgeschrittenen Alter, die noch nie eine Schule von innen gesehen haben oder nie zu Hause gefördert wurden", weiß Stärk-Uhlig. Eine Herausforderung für eine Lehrkraft mit der Ausbildung Deutsch als Fremdsprache. Hier ist der erfahrene Stärk-Uhlig mehr als willkommen. Der 74-Jährige kommt donnerstags von 8 bis 12 Uhr, geht von Tisch zu Tisch, hilft, wo er gerade gebraucht wird. Eine Aufgabe, die den ehemaligen Architekten aus Dachau fordert, aber auch jung hält.

Joachim Werner ist vier Jahren Jahr Pate in der Grundschule Hilgertshausen. Der 63-jährige Physiker hilft hauptsächlich in der ersten Klasse beim Vorbereiten eines Referats oder wenn ein Schüler, der krank war, einen Lehrstoff nachholen soll. Manchmal geht er auch in andere Klassen. Als besonderen Glücksfall empfand Werner im letzten Jahr das Theaterprojekt in der zweiten Klasse. "Alle Kinder bekamen eine Rolle und haben sich beim Auswendiglernen der Texte gegenseitig angespornt", erinnert sich Werner. So sei die Lese-Kompetenz ganz natürlich gestärkt worden.

"Alle Kinder kommen mal dran, dann muss keiner eifersüchtig sein und die Schwächeren werden nicht stigmatisiert"

Sheeba Kufour, 38, besucht jeden Freitagvormittag eine zweite Klasse in der Grundschule Dachau Süd. Die alleinerziehende Mutter eines Zehnjährigen arbeitet von Montag bis Donnerstag als Krankenschwester. Am Freitag hat sie frei. Dann übt sie mit den Kindern in der Deutschstunde Textaufgaben, die sie vorab von der Lehrerin erhalten hat. "Alle Kinder kommen mal dran, dann muss keiner eifersüchtig sein und die Schwächeren werden nicht stigmatisiert", sagt Kufour.

In der nächsten Stunde betreut sie zwei Drittklässler und hilft ihnen beim Erledigen der Wochenaufgaben in Mathematik "Die beiden machen das immer husch husch und dann stimmt die Hälfte nicht. Ich soll sie etwas einbremsen und zur Genauigkeit anleiten", erzählt sie. Kufour war anfangs nicht überzeugt, ob sie als Schülerpatin geeignet wäre. "Aber alle in der Schule haben mich so toll aufgenommen, dass es mir jetzt großen Spaß macht."

Die Rektorin der Klosterschule, Karin Ernstorfer, würde gerne noch mehr Paten beschäftigen. Doch die vielen neuen und darüber hinaus jungen Lehrkräfte wüssten oft nicht so genau, wie sie diese Hilfe praktisch in Anspruch nehmen sollen. Sie wolle nun die Leiterin des Mehrgenerationenhauses Dachau, Karin Ulrich, einladen, um das Projekt direkt im Lehrerkollegium vorzustellen.

Helga Schiller von der Grundschule Augustenfeld versichert, dass engagierte, zuverlässige Paten wie Werner Wunderlich in ihrer Schule sehr willkommen sind. "Er setzt sich wirklich sehr ein", das wurde ihr von der Klassenlehrerin bestätigt. Und: Die Schüler lieben ihn. Schiller ist dankbar, dass sie sich nicht mehr, wie früher, selbst um das Anwerben von Ehrenamtlichen kümmern muss.

"Das kostet ja auch eine Menge Zeit", sagt die Schulleiterin. Das übernimmt nun Karin Ulrich. Sie hält den Kontakt mit den Schulen, sucht neue Paten und gibt ihnen das nötige Rüstzeug mit auf den Weg. "Neue Interessenten sind stets willkommen", versichert Ulrich. Auch für die Hausaufgabenbetreuung von Migrantenkindern in der Grundschule Dachau-Ost. Im Verlauf des Jahres werden immer wieder Schulungen angeboten.

Kontakt: Karin Ulrich, MGH AWO Dachau, E-Mail: mgh@awo-dachau.de, Tel. 08131/6150127.

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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