Percussion:Erdweg bebt

Lesezeit: 2 min

Das Wirtshaus am Erdweg und der Tafernsaal sind bestens restauriert und halten die Drum Stars samt tobenden Publikums, statisch gesehen, locker aus. (Foto: Toni Heigl)

Die Drum Stars elektrisieren ihr Publikum im historischen Wirtshaus

Von Benjamin Emonts, Erdweg

Freitagabend, um kurz vor zehn Uhr, ist das 400 Jahre alte Wirtshaus am Erdweg endgültig ein Tollhaus. 185 Menschen klatschen stehend in die Hände und trampeln auf den Holzboden, dass alles vibriert. Mit ihrer Begeisterung honorieren sie eine Show, die Erdweg so noch nicht gesehen hat. Von den Drum Stars, einer international bekannten Percussion-Gruppe, wurde das Publikum in den zurückliegenden zwei Stunden regelrecht elektrisiert. "Das ist einfach genial", sagt eine Frau, vor Enthusiasmus ganz aus der Puste.

Ausgerechnet in Erdweg, diesem angeblich so müden Ort im Landkreis Dachau, spielt sich also solch eine Show ab. Jahrelang, das beklagten die Einheimischen, war die Ortschaft in eine erdrückende Lethargie gefallen, ein kulturelles Leben war quasi nicht existent. Seit aber das historische Wirtshaus im Ortszentrum aufwendig saniert wurde, keimt wieder kulturelles Leben in Erdweg auf. Manfred Kirchner, der Kulturreferent der Gemeinde, wird geradezu euphorisch: "Für uns ist das heute ein ganz besonderer Tag - dass wir so eine Gruppe bekommen, das ist einfach toll."

Tafernsaal zum dritten Mal in Folge restlos ausverkauft

Tatsächlich ist der historische Tafernsaal im Speicher des Wirtshauses an diesem Freitagabend zum dritten Mal in Folge restlos ausverkauft. Der noch junge Kulturverein, der sich im Ort gegründet hat, schreibt anscheinend an einer neuen Erfolgsgeschichte im Landkreis Dachau. Einerseits mag das daran liegen, dass Menschen aus der Umgebung hungrig auf kulturelle Ereignisse sind. Andererseits aber gelingt es dem Verein, namhafte Gruppen wie die Drum Stars zu engagieren.

Die Trommler, angeführt vom Schwabhausener Benni Pfeifer, werden selbst in Italien und der Schweiz gebucht. Im Landkreis Dachau ist der Auftritt am Freitag aber erst ihr zweiter. Pfeifer, der auch die Schwabhausener Musikschule Jamlabor leitet, ist mit Bands wie Blumentopf oder Schandmaul mehrfach in Deutschland und Europa auf Tournee gegangen. Er und seine Mitstreiter, der Dachauer Jakob Ehrlich und die Münchner Flo Pfeifer und Bernhard Pricha, sind professionelle Musiker, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit ihrer Kunst verdienen.

Leidenschaft für Musik

"Ich habe lange keine Künstler gesehen, die mit so viel Leidenschaft Musik machen", sagt die rundum glückliche Gesa Blaas, Vorsitzende des Erdweger Kulturvereins. Sie klingt plausibel. Die Drum Stars haben während des gesamten Auftritts ein Lächeln auf den Lippen und strotzen nur so vor Energie, die sich auf das Publikum überträgt. Ihre musikalische Versiertheit fasziniert.

Neben dem klassischen Drummer-Equipment trommeln die vier Jungs mit irrsinniger Geschwindigkeit und Kraft auf alles ein, was sie in die Finger bekommen, seien es Trittleitern, Regentonnen oder auch der massive Holzbalken, den der Dachstuhl des Wirtshauses praktischerweise bereit hält. Sie erzeugen antreibende, animierende Rhythmen. Die Vielseitigkeit der Musiker ist schlicht beeindruckend. Benni Pfeifer schlägt auf der blechernen Hang - der Tafernsaal ist dabei in ein weiches Rot getüncht - gefühlvolle Töne an. Wenig später singt er, begleitet vom Marimbaphon, den Song "Haus am Meer" von der Band Seed. Die ausgeklügelte Lichtregie, die Drum-Sticks erstrahlen in rotem UV-Licht, gibt der Show schließlich etwas Mystisches.

Die Drum Stars verbinden Virtuosität mit viel Humor. In einer Art Sketch treffen an einer Bushaltestelle ein intellektueller Schönling mit Hut (Benni Pfeiffer), ein Bierdosen saufender Fußball-Prolo mit Rudi Völler-Gedächtnismatte, ein Schüler mit Tonton und Propellermütze und eine bärtige, vollbusige Blondine aufeinander. Es wird gerülpst, auf Oberschenkel geklopft und auf (Bier-)Bäuchen getrommelt - und das Publikum schüttelt sich vor Lachen. Zum Abschluss des Konzerts gehen die Drum Stars bei stehenden Ovationen durch die Reihen und lassen Freiwillige mittrommeln. Der zwölfjährige Felix, den Jakob Ehrlich unterrichtet, sagt nach seinem großen Auftritt: "Das war cool." Wie so viele wird er den Abend lange in Erinnerung behalten.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: