Notruf:Unbehagen wegen Investors

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Der Landkreis Bruck schlägt vor, den Neubau für die Integrierte Leitstelle von einem privaten Betreiber errichten zu lassen. Die Kommunalpolitiker fühlen sich überrumpelt und vertagen das Thema

Von Heike Batzer und Thomas Radlmaier, Fürstenfeldbruck/Dachau

Die Integrierte Leitstelle (ILS) braucht mehr Platz. Sie ist derzeit in Fürstenfeldbruck in Räumen an der Münchner Straße 29 - gegenüber dem Landratsamts-Hauptgebäude - untergebracht. Der Landkreis Bruck würde einen möglichen Neubau für die ILS gerne von einem privaten Investor errichten zu lassen. Die dortigen Kreisräte indes sind skeptisch. Weil noch nicht genügend Informationen vorlagen, wurde das Thema in der jüngsten Kreisausschusssitzung erst einmal vertagt.

Seit 2005 ist der Landkreis Fürstenfeldbruck für die damals neu gegründete ILS zuständig und löste damit das Bayerische Rote Kreuz ab, das die Rettungsleitstelle zuvor 25 Jahre lang betrieben hatte. Neben der Disponierung der Rettungsdiensteinsätze kam für die ILS auch die Alarmierung der Feuerwehren in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Dachau, Starnberg und Landsberg als Aufgabe hinzu. Jeder Anruf unter der Notrufnummer 112 aus den vier Kreisen landet bei den Disponenten der Brucker ILS. In Betrieb sind die Räume an der Münchner Straße seit 2007. Vor zwei Jahren kam eine Machbarkeitsstudie zu dem Schluss, dass die bestehenden Räumlichkeiten zu klein, bauliche Erweiterungen am Standort aber nicht möglich sind. Die Planer empfahlen deshalb die Suche nach einem neuen Standort. Die Kosten für Grundstück und Neubau wurden auf etwa 28 Millionen Euro veranschlagt.

Letztlich muss der sogenannte Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung den Neubau der Integrierten Leitstelle größtenteils bezahlen. Das heißt, dass sich die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck, Starnberg und Landsberg die Kosten teilen müssen. Denn sie sind in dem Verband vertreten. Laut dem stellvertretenden Geschäftsleiter des Rettungszweckverbandes Michael Ott gibt es einen Schlüssel, der sich nach der Einwohnerzahl und Fläche bemisst und festlegt, wie groß der finanzielle Anteil des jeweiligen Landkreises an dem Neubau wäre. Dieser Schlüssel werde regelmäßig angepasst, sagt Ott.

Nur ein einziges Grundstück hat die Fürstenfeldbrucker Kreisverwaltung bisher als geeignet aufgetan. Sie hatte bei den Städten und Gemeinden angefragt, vor allem jenen an den S-Bahn-Linien, weil das neue Gebäude einen guten Anschluss an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erhalten soll. Doch die Rückmeldungen waren spärlich, nur eine Grundstücksoption blieb übrig. Um die von der Stadt Olching bereits für den Bau einer zweiten Fachoberschule angebotene Fläche in Esting handelt es sich jedoch nicht, teilte die Kreisverwaltung auf Nachfrage der SZ mit.

Wegen der ohnehin hohen Pro-Kopf-Verschuldung (365 Euro im Vergleich zum Landesdurchschnitt von 219 Euro) und noch anstehender Investitionen im Schulbereich, die nicht ausgelagert werden können, kam der Landkreis Bruck auf die Idee, das Vorhaben als Public Private Partnership (PPP) umzusetzen. Private Investoren beteiligen sich dabei an Infrastrukturprojekten, für die eigentlich die öffentliche Hand zuständig ist. Beispiele dafür gibt es vor allem beim Autobahnbau. Auch der Landkreis Fürstenfeldbruck hatte das Thema vor Jahren schon diskutiert, als es um die Finanzierung der vielen Schulsanierungen ging. Vor allem die FDP fand die Idee gut, doch die kritischen Stimmen überwogen. "Damit gibt man Mitspracherechte aus der Hand", hatte Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin (CSU) damals noch angemerkt.

Nun ließ Karamsin die PPP-Idee aufleben. Die Lage in Sachen ILS sei anders, im Kreisausschuss sprach er von einem "einzigartigen Projekt" und "einer Ausnahmesituation". Für Bruck hätte das PPP-Modell den Vorteil, dass der Haushalt während der Bauphase nicht belastet wird. Die Bauherrenaufgaben obliegen dem Investor, der Landkreis würde sich dann in dem Gebäude einmieten. Neben der Miete müsste er noch die spezielle Leitstellentechnik bezahlen - etwa zehn Millionen Euro. Errichtet der Landkreis die ILS indes selbst, muss er vorfinanzieren und kann erst nach dem Einzug die entsprechenden Kostenanteile an den Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung, die Krankenkassen und die Verbundlandkreise weiterreichen.

Die Kreisausschussmitglieder in Fürstenfeldbruck wollten - über alle Fraktionen hinweg - diese frühe Festlegung jedoch nicht mittragen. Peter Falk (SPD) bezeichnete die Sitzungsunterlagen als "ideologisches Arbeitspapier", in dem notwendige Informationen über Alternativen fehlten. Auch verwies er darauf, dass PPP - bisweilen auch ÖPP (öffentlich-private Partnerschaft) beim Bayerischen Obersten Rechnungshof (ORH) "überhaupt keinen Rückhalt" habe. Bei Finanzierungsengpässen werde PPP "von der öffentlichen Hand häufig als Ausweg angesehen, um Investitionen zu realisieren und Wachstumsimpulse zu setzen - mittel- und langfristig ein gefährlicher Weg, weil auch hier die Finanzierungslast in die Zukunft verschoben wird", warnte der ORH schon 2006. Auch der Bundesrechnungshof habe "jede Menge PPP-Modelle zerpflückt", ergänzte Grünen-Kreisrat Martin Runge. Selbst Kreisfinanzreferent Johann Thurner (FW), der stets die finanziellen Auswirkungen der Kreispolitik auf die Gemeinden im Auge hat, meinte, dass man angesichts anhaltender Niedrigzinsphase ein solches Projekt "auch über den Haushalt abwickeln kann".

Auch die Brucker CSU-Fraktion äußerte sich kritisch. Zwar sei zu begrüßen, "wenn wir bei neuen Projekten über den Tellerrand schauen", sagte Hans Seidl, allerdings sei man ohne detaillierte Aufbereitung der Fakten "nicht in der Lage, so einen zukunftsweisenden Schritt zu gehen". Es fehlten Seidl zufolge Alternativbetrachtungen wie die Finanzierung des Projekts durch den Landkreis, die Anmietung eines Bestandsgebäudes, oder auch das Fliegerhorstareal mit in die Betrachtungen einzubeziehen. Er beantragte die Vertagung.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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