Gastronomie:Haxn in der Räuberstube

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Der Landgasthof Schmaus in Langengern liegt fern großer Orte. Doch die gerade vom Ernährungsminister ausgezeichnete regionale Küche und die bald 400-jährige Geschichte ziehen Besucher von weit her an

Von Benjamin Emonts, Erdweg

Der Wirt stellt sich direkt mal vor: "Servus, i bin da Sigi. Ich hab Euch eine handgestreichelte Ente vorbereitet." Die Ente kommt dann auch, und zwar satt. Abgesehen von zwei stattlichen Stücken Fleisch, serviert Sigi einen faustgroßen Kartoffelknödel und eine üppige Portion Blaukraut. Auf einem Flachbildschirm in seiner Stube schaltet er einen Film an, der über sein neues Gasthaus erzählt. Dass Sigi schon für den ehemaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß gekocht hat, wird darin gar nicht erwähnt. Aber auch so bekommt man eine Ahnung: Der Sigi, der meint's ernst.

Der Gasthof besteht an diesem Ort mindestens seit 1741. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Münchnerin Gabriele Reyer und ihr Lebensgefährte Sigi Hohlwein haben nicht irgendeine Kneipe übernommen - sie bewirtschaften seit April dieses Jahres das Traditionsgasthaus Schmaus in Langengern. Nachdem die alten Pächter das Geschäft ziemlich heruntergewirtschaftet hatten, machen die Neuen ihre Sache offenbar gut. Erst kürzlich hat der bayerische Ernährungsminister Helmut Brunner (CSU) das Lokal mit einer Urkunde für "Ausgezeichnete Bayerische Küche" bedacht.

"Die Kneißl-Stubn"

Langengern, das sollte man zunächst erklären, liegt zwischen den Ortschaften Plixenried, Irchenbrunn und Unterweikertshofen im hintersten Dachauer Hinterland. Die 55-Seelen-Ortschaft zählt zur Gemeinde Erdweg, grenzt aber unmittelbar an Altomünster. Weil das Dorf von Wäldern umgeben ist, lebten hier früher Waldarbeiter, Kleinhäusler und Tagelöhner. Ende des 19. Jahrhunderts waren die Wälder um Langengern das Revier des berüchtigten Räubers Kneißl, der 1875 in Unterweikertshofen geboren und 1902 in Augsburg mit der Guillotine hingerichtet wurde. In der "Kneißl-Stubn" im Landgasthof Schmaus erzählen Bilder, Dokumente und Holztafeln mit eingravierten Versen die Lebengeschichte des sagenumwobenen Räubers.

Der Weg von Dachau nach Langengern führt über eine schmale Straße, die durch einen malerischen Blätterwald führt. Die Landschaft hier strahlt eine wohltuende Energie aus. Gewiss auch deshalb ist das abgelegene Gasthaus Schmaus seit Jahrzehnten eine Institution. Radfahrer, Wanderer und Erholungssuchende kommen bis aus Augsburg, Aichach, Dachau oder München hierher. Sie besuchen die Wallfahrtskapelle Geiselwies und machen danach Brotzeit beim Schmaus.

Er war weit und breit nur als der "Wirts-Sepp" bekannt

Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Wirtshaus "aufm Gern" schon im Jahr 1741, als sich der Wirt Martin Strasser beim Wildern erwischen ließ. Langengern zählte damals noch zur Hofmark Schloss Unterweikertshofen, das eine eigene Brauerei hatte, deren Bier in der Wirtschaft ausgeschenkt wurde. Heute kommt das Bier vom Altomünsterer Maierbräu. Die Brauerei verkaufte das Gebäude im Jahr 1938 an Josef Schmaus, der 1945 im Krieg fiel. Die Witwe Anna Schmaus mit ihren Kindern Josef und Anna heiratete 1946 einen Mann namens Kasper Gschoßmann, der die Wirtschaft fortan führte, aber angeblich einer starken Vorliebe für's Schafkopfen frönte. 1970 übernahm dann der legendäre Sepp Schmaus junior die Geschäfte. Er war weit und breit nur als der "Wirts-Sepp" bekannt.

Der 94-jährige Martin Steiner, Dorfältester von Langengern, geht seit 60 Jahren regelmäßig zum Schmaus. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Dorfälteste von Langengern, der 94-jährige Martin Steiner, kannte ihn gut. Steiner geht seitmehr als 60 Jahren in die Wirtschaft. Früher, als er eine Schmiede im Dorf hatte, haute er die Bauern am Stammtisch an, damit er ihre Pferde beschlagen konnte. Wenn Steiner über Schmaus spricht, klingt ein bisschen Wehmut mit. Er bezeichnet ihn als "Institution". Dienstags, beim traditionellen Schlachtschüssel- oder Kesselfleischessen, sei immer die Hölle losgewesen, sogar Ärzte aus dem Dachauer Krankenhaus seien zum Mittagessen gekommen, erinnert sich Steiner. Es entsteht das Bild eines passionierten und geselligen Wirts mit freundschaftlichen Verhältnis zu seiner Kundschaft. Doch eines Morgens im Jahr 1993 wurde Schmaus tot in seiner Wirtschaft aufgefunden.

Der Gasthof Schmaus. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Danach folgte Johann Neumair, der gute Arbeit gemacht haben soll - im Gegensatz zu dem männlichen Pärchen, das zuletzt, so Steiner, "nichts auf die Reihe gebracht hat". Mit den neuen Wirtsleuten Gabriele Reyer und Sigi Hohlwein ist er deshalb umso zufriedener. "So eine Qualität und so ein Ambiente haben wir hier noch nie gehabt. Früher kam aus Augsburg einer vom Schlachthof und hat ganze Schweinsköpfe gebracht; jetzt fährt ein Gourmet-Lastwagen vor", sagt der 94-Jährige. In der Tat wirkt das alles recht ambitioniert, was die Wirtsleute Reyer und Hohlwein hier seit Jahresbeginn aufziehen. Die alte Scheune nebenan haben sie innerhalb von drei Monaten zu einer Event-Location für Hochzeiten oder Tagungen hergerichtet. Die holzvertäfelte Wirtsstube mit Kachelofen und Kruzifix geht noch als klassisch bayerisch durch. Die Wirtsleute sind freundlich, sprechen bairisch und sind direkt. Wirt Sigi Hohlwein ist mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein ausgestattet. Er erzählt, wie er schon als junger Mann fünf Jahre lang den Löwenbräukeller in München geleitet hat oder wie er im Jahr 1988 von Franz Josef Strauß mit dem Orden "Patrona Bavariae" ausgezeichnet wurde.

Um die Auszeichnung von Staatsminister Brunner haben sich die neuen Wirtsleute extra beworben. Mit der Klassifizierung "Ausgezeichnete Bayerische Küche" zeichnen das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern Betriebe aus, die besonders für eine regionale Küche stehen. Dafür entsendet die Jury eine unangemeldete Kommission, die in dem Lokal isst und sich danach penibel umsieht. Der Oxenbraten im Heu gegart mit Rotweinsoß' oder die Surhaxen aus'm Wurstkessel haben den Kritikern offenbar gemundet. Es scheint, als könnten Wirtin Gabriele und ihr Sigi würdige Nachfolger vom legendären Wirts-Sepp werden.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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