Musikgeschichte:Volles Rohr und halbe Pfeife

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In den Kirchen des Landkreis stehen unterschiedlichste Instrumente

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Nicht etwa ein musischer Mensch, sondern der griechische Technikfreak Ktesibios war es, der um 246 vor Christus die erste Orgel, genauer gesagt eine Wasserorgel, die Hydraulis, konstruiert hat. Im Jahr 67 führte der berüchtigte Kaiser und Musikfan Nero die Orgel in Rom ein. Für ihn war sie das adäquates Instrument in Sachen Pomp und Prachtentfaltung. Fast 1000 Jahre lang stand die Orgel ausschließlich in royalen Diensten - bis sie schließlich trotz aller Widerstände und Verbote von Klerikern und Päpsten ihren Weg in die Gotteshäuser fand. Die Reformation führte noch einmal zu einer Orgelkrise, weil die gestrengen Herren Calvin und Zwingli das Instrument verdammten. Doch die Orgel setzte sich auch in evangelisch dominierten Gefilden durch. Was würden musikaffine Menschen heute ohne die Werke des Leipziger Thomaskantors Johann Sebastian Bach anfangen?

Mit dem technischen Fortschritt änderte sich auch die Orgel einschließlich der entsprechenden Musikliteratur - bis hin zu heutigen Neukonstruktionen oder umfassenden Restaurierungen und Renovierungen. So musste zum Beispiel die Dachauer Pfarrei Sankt Jakob ihrer erst 1997 gebaute Orgel bereits 2011/2012 eine Generalsanierung verpassen. Der Grund: Schimmelbefall. Jetzt aber kann Kirchenmusiker Christian Baumgartner auf der zweitgrößten Orgel im Landkreis mit "ihrem schönen, runden Klangbild" seiner Profession mit Lust und Leidenschaft nachgehen. Auf die Frage nach Orgel-Popstars Cameron Carpenter und seiner "International Touring Organ" gerät der Kirchenmusiker fast ins Schwärmen. "Der bringt uns raus aus dem sakralen Raum", sagt er. "Wir sind doch oft wie festgefahren und beschränken uns auf Kirchenmusik. Dabei haben zum Beispiel die Bach-Präludien im Grunde nichts Liturgisches an sich." Für ihn ist es ein Glücksfall, dass sich die Orgelliteratur gewandelt hat.

Gabriele Schneider, Kirchenmusikerin an Sankt Peter in Dachau, spielt auf einer "Second-Hand-Orgel". Die Pfarrei hatte nämlich erst in den 1980er Jahren genügend finanzielle Mittel, um sich eine größere Orgel leisten zu können und kaufte die ursprünglich in Wolfratshausen stehende Eisenbarth-Orgel. Generell, so sagt Gabriele Schneider, sei die Orgel für sie "ein riesiges, Ehrfurcht gebietendes Instrument". Doch vermisse sie bisweilen "den lebendigen Atem". "Selbst wenn man das Tremulanten-Register zieht, das ein Vibrato erzeugt, ist das eine mechanische Stimme", sagt sie. Das sei nicht mit der menschlichen Stimme zu vergleichen. Ein Chor oder ein Orchester seien dagegen "soziale Gefüge, in denen sich Menschen aufgehoben fühlen". Dennoch mag sie ihre Orgel. "Sie ist für mich das Instrument, mit dem ich die Gemeinde begleite."

Das ist auch Helga Trager eminent wichtig. Sie spielt in Sankt Alto und Santa Birgitta in Altomünster auf einem historischen Instrument. Die Orgel in der barocken Pfarrkirche stammt aus dem in der Säkularisation aufgelösten und abgerissenen Kloster Taxa. Gebaut hat sie der Ingolstädter Johann Franz Michael König um 1760. 1803 erwarb sie die Marktgemeinde für 600 Gulden. Das sind nach heutiger Kaufkraft etwa 13 200 Euro. Echte Peanuts im Vergleich mit den Kosten von rund einer halben Million Euro oder mehr, die eine Orgelsanierung heutzutage verschlingen kann.

Für den ersten Pfarrer, der übrigens ein ehemaliger Mönch des seinerzeit ebenfalls aufgelösten Birgittenklosters war, war die Orgel "vortrefflich". Allerdings mit Einschränkungen: "Doch der Klang war nicht gut. Die Klosterfrauen ließen ihren oberen Gang nicht durchbrechen; daher mussten einige Pfeifen gestutzt und andere, die stehen sollten, gelegt werden. Weiberregiment!", schrieb Ignaz Magnus Nerb in seiner Biografie, wie auf der Seite kirchenundkapellen.de nachzulesen ist.

1986 wurde der instrumentale Teil neu gebaut. Auch die Niederrother besitzen eine Taxa-Orgel. Sie diente im Kloster Taxa als sogenannte "kleine Orgel". Entsprechend preiswerter war die mittlerweile rund 250 Jahre alte Orgel zu erwerben: 110 Gulden, nach heutiger Kaufkraft zirka 2420 Euro, zahlte die Pfarrgemeinde seinerzeit und hatte wohl ein wirklich gutes Stück erworben. Denn viele originale Teile verrichten bis heute ihren Dienst "ad majorem dei gloriam" - zur höheren Ehre Gottes.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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