Mode:Die weite Welt der engen Bündchen

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Warum Maria Erlacher Mode von Profi-Models vorführen lässt, obwohl ihre Kundinnen solche kleinen Größen vermutlich nicht tragen können.

Von Veronika Königer, Dachau

Es hat fast 30 Grad, die Sonne scheint am wolkenlosen Himmel und auf der Straße sieht man die Menschen in kurzen Hosen, T-Shirts und Kleidern. Niemand denkt daran, Jacken und Schals zu tragen - niemand, außer vier Frauen in einem Laden in der Bahnhofstraße. Diese vier haben allerdings einen Grund dazu: Sie sind die Mannequins bei der jährlichen Herbstmodenschau des Damenbekleidungsgeschäfts Flair Fashion. Sandra, Jana und Tina sind professionelle Models und laufen schon lange Zeit bei Flair Fashion über den Laufsteg. Sonja, eine Aushilfe von Flair Fashion, ist auch schon das vierte Mal dabei.

Die professionellen Mannequins präsentieren im Damenbekleidungsgeschäft "Flair Fashion" eine Auswahl aus der aktuellen Herbstmode. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Schon seit 27 Jahren finden diese Modenschauen statt, zwei pro Jahr, eine im Frühjahr, eine im Herbst, mit vier Durchgängen pro Tag. Trotzdem ist Maria Erlacher davor immer wieder aufgeregt: Einer Kundin gesteht sie, sie habe in der vorigen Nacht sogar vier Stunden wach gelegen. In der Tat wirkt sie etwas nervös und eilt von einer Ecke zur nächsten, um die Sitzordnung so zu organisieren, dass alles passt und jeder eine gute Sicht hat, um bei dem Sektempfang vor dem Laden viele ihrer Stammkundinnen zu begrüßen, die sie oft mit Namen kennt, oder um den Models letzte Anweisungen zu geben. Dabei hat sie bei der Modenschau tatkräftige Unterstützung: Ihr Mann hat den Flyer entworfen, ihr Neffe, der extra aus Starnberg gekommen ist, macht das erste Mal den Techniker und kümmert sich um Musik und Mikrofon und ihre Mutter sitzt im Publikum, um die Tochter auf so wichtige Dinge wie ein am Schal sichtbares Etikett aufmerksam zu machen.

Vor gefüllten Reihen moderiert Inhaberin Maria Erlacher durch vier Modenschauen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ohne Reservierung geht nichts

Ihre Kundinnen haben sich schon vor zehn Uhr zahlreich im Geschäft versammelt. Die etwa 30 Plätze um den kurzen Laufsteg sind begehrt, es musste im Voraus reserviert werden, an jedem Stuhl hängt ein Namensschildchen. Am Morgen komme eher die ältere Kundschaft, die nicht arbeitet, so erklärt Maria Erlacher. Am Nachmittag und Abend seien es dann "jüngere Leute". Allgemein gesagt habe sie Kunden aller Altersstufen. Darunter seien Mädchen, die ein Kleid für die Konfirmation brauchen, Bräute, die angemessene Kleidung für ihre standesamtliche Hochzeit suchen, "viele Businessfrauen" oder, wie sie es auch ausdrückt, "einfach Damen, die Wert auf Qualität und individuelle Beratung legen".

Maria Erlacher, Inhaberin von "Flair Fashion", veranstaltet die Herbstmodenschau seit 27 Jahren für ihre Kundinnen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das sind zwei Dinge, die die gelernte Damenschneiderin häufig in der Moderation der Modenschau erwähnt: Qualität, welcher Materialien auch immer, und die persönliche Beratung im Laden, "so ehrlich, wie wir auch zu uns selber sind". Nur ein Herr sitzt unter den Damen, die der Ladeninhaberin lauschen, gehorsam die Models bestaunen und beklatschen und lachen, wenn Maria Erlacher einen Witz macht. Neben Informationen über die Kleidung und Werbung für gewisse Marken oder ihren Laden streut sie die immer wieder ein, scherzt auch mit den Mannequins, vor allem mit Tina, oder "dient als Kleiderständer", wie sie es selbst ausdrückt. Die Kundinnen wirken sehr angetan von der professionellen Atmosphäre, über kleinere Patzer wie ein verlorenes Tuch, eine heruntergerutschte Tasche oder eine Kapuze, die sich nicht von der Jacke abtrennen lässt, sehen sie lachend hinweg.

Ein Mann spielt die Glücksfee

Beinahe gerührt wirkt Maria Erlacher am Ende dieser ersten Modenschau des Tages, als sie sich bei ihren Kundinnen bedankt, dass sie ihr "auch in schlechten Zeiten" treu geblieben sind und ermöglicht haben, "ihr Hobby zum Beruf zu machen". Schließlich bekommt auch der einzige Herr im Laden, der wohl mit der Damenmode nicht so viel anfangen konnte, eine Aufgabe: er soll die Glücksfee spielen bei der Auslosung zweier 50-Euro-Gutscheine, die in jeder der vier Modenschauen verlost werden. Die beiden Gewinnerinnen freuen sich sichtlich: Eine davon ist die Besucherin, die am weitesten angereist ist, sie kommt aus Düsseldorf. Die andere erklärt auf Maria Erlachers Vorschlag, den Gutschein dann gleich einzulösen, sie fände in dem Geschäft sowieso immer etwas.

Diese Kundin ist auch unter den ersten, die der Damenschneiderin nach dem Ende der Modenschau gratuliert- auch wenn sie etwas verlegen meint, viele der gezeigten Modelle seien nicht für jede Figur etwas. Maria Erlacher, die in ihrer Moderation schon selbst scherzhaft über ihr "vermehrtes Bauchgefühl", wie sie es nennt, geredet und auch erklärt hat, ihre Moderationskarten halte sie nur zum Kaschieren vor den Bauch, lacht: "Da schauen einige der Kleider an den Models schon besser aus als an uns!" Natürlich habe nicht jeder Maße wie ihre vier Mannequins. Die Modenschau dient nicht dazu, den Zuschauerinnen genau die Maße und Modelle vorzuführen, die sie dann abbildhaft kaufen könnten. Maria Erlacher will den Sinn fürs Kombinieren stärken und sagt: Das Neue soll die eigene Fantasie anregen helfen.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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