Mitten in Dachau:Schöne Grüße von der Thoma-Wiese

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Anwohner bekommen die Schattenseiten des Volksfests zu spüren. Am Montag nimmt das feuchtfröhliche Vergnügen ein Ende

Kolumne von Gregor Schiegl

Die Industrial-Band Rammstein kann ziemlich brachial sein, aber auch ziemlich lustig. In ihrem Musikvideo "Links 2 3 4" sieht man ein Gewusel von Ameisen, die synchron zu wuchtigen Gitarren-Riffs tanzen. Die Reverenz an die ewige Kinderserie "Die Biene Maja" ist offensichtlich: Darin marschiert eine Kompanie von Ameisen mit Speer und Helm durch Halmlandschaften, wobei die Oberst-Ameise immer ein zackiges "Links-zwo-drei-vier!" schmettert. Nur wenn die Formation anhalten soll, bricht Chaos aus: Die kleinste Ameise, die ganz hinten läuft, knallt jedes Mal in den Vordermann.

Eine ähnliche Szenario bot sich am Samstagabend in einer Dachauer Wohnanlage, unweit der Thoma-Wiese. Es war gerade dunkel geworden, als eine Kompanie in Karohemden und Lederhosen auf dem schmalen Weg zu den Häuser anrückte. Man hörte die Trachtenschuhe im Gleichtakt auf den Beton knallen, die Burschen wussten ihre Gliedmaßen noch erstaunlich gut zu koordinieren. Als man vom Balkon hinunter lugte, blieb der vorderste Lederhosenträger abrupt stehen und rief: "Halt! Hier werden wir beobachtet!" Zwischen Fliederbusch und Buchenhecke machten die Vordersten stante pede kehrt, wobei sie Mühe hatten, nicht mit den Nachrückenden zusammenzustoßen. Die Frage, bei was man beobachtet zu werden fürchtete, wurde nicht beantwortet, doch man ahnt es schon. Kürzlich stand ein wildfremder Trachtenmensch vor der Haustür und begrüßte einen mit einem herzlichen "Griaß di!" Eine Minute später war er spurlos verschwunden, dafür zierte ein nasser Fleck die Hauswand. Schöne Grüße vom Dachauer Volksfest.

Das Wildbiesln gibt es, seitdem es Bier gibt; das Freiluftbrunzn in Tracht galt bislang dennoch eher als Ausfallerscheinung. Das hat sich grundlegend geändert, eine neue Form der Geselligkeit hat sich etabliert. In den Vorgärten wird fröhlich geschäkert und gestrullert, die Damen bevorzugen das Halbdunkel der Thoma-Wiese, wo sie aufgereiht wie Hühner auf der Stange unter den Büschen hocken und sich entradlern. Für die Flora dürfte es nicht das Schlechteste sein. In den vergangenen Wochen war es sowieso zu trocken. An diesem Montag heißt es aber nun zum letzten Mal: Wasser, marsch!

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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