Mitten in Markt Indersdorf:Revierkämpfe am Marktplatz

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Wer wissen will, wie es wirklich um die Gleichberechtigung in diesem Land bestellt ist, dem sei ein Besuch einer Gemeinderatssitzung in Markt Indersdorf ans Herz gelegt

Kolumne von Jacqueline Lang

Hin zur völligen Gleichberechtigung von Mann und Frau ist es noch ein weiter Weg. Von der Gleichstellung aller Geschlechter, also auch von Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, ganz zu schweigen. Das ist traurig aber wahr. Denn auch wenn in gewissen Kreisen längst ganz selbstverständlich von "Gemeinderät*innen" gesprochen wird, so ist diese Art zu schreiben oder zu sprechen doch in weiten Teilen der Bevölkerung noch eher verpönt. Für einen kleinen Realitätscheck hilft es deshalb, gelegentlich dahin zu gehen, wo Menschen mit ganz unterschiedlichen Meinungen aufeinandertreffen. Und wo ginge das besser, als in einer Gemeinderatssitzung? In diesem Fall in Markt Indersdorf.

Auf der Tagesordnung: die Gestaltung des neugebauten Marktplatzes. Denn damit es auf dem Platz im Zentrum der Marktgemeinde so richtig heimelig wird, bedarf es noch ein paar schöner Deko-Elemente. Neben Blumenkübeln und zwei Bushäuschen soll am Mittwochabend auch über den Standort der zwei Figuren des Künstlers Bernd Schmidt-Pfeil diskutiert werden. Es handelt sich um eine stehende Frau und einen auf einem Stuhl sitzenden Mann. Mehrheitlich scheinen die Gemeinderäte - und ja, es ergreifen wie so oft ausschließlich Männer das Wort - sich darüber einig zu sein, dass der Mann unten, sprich ungefähr auf Höhe der Eisdiele beziehungsweise des Café Zimtstern, platziert werden soll, die Frau eher oben, eventuell auf Höhe der Treppenanlage am Rathaus. Einer allerdings sieht das anders: Florian Ebner von der Wählervereinigung EHW.

"Warum muss die Frau oben sein, warum muss der Mann unten sein?", will er wissen und er meint diese Frage dem Ton nach zu urteilen völlig ernst. Ob es nicht besser wäre, wenn die Frau unten stehe und nach oben schaue zu dem Mann, der "abgekämpft" vor dem Rathaus sitze? Allgemeines Gelächter, ansonsten jedoch wird nicht weiter auf diesen Vorschlag eingegangen. Niemand scheint es für nötig zu halten, ihn zumindest zu fragen, warum es ihm so wenig behagt, dass eine Frau - wohlgemerkt keine echte, sondern eine Figur aus Bronze - oberhalb eines Mannes platziert werden soll und das auch nicht in der Hierarchie sondern letztlich nur räumlich betrachtet. Zumindest eine Zuhörerin hätte die Antwort auf ebendiese Frage aber deutlich mehr interessiert, als die Frage, ob nun eine saisonale Bepflanzung besser ist oder ganzjährig blühende Stauden.

Denn fest steht doch: Wenn es schon bei Skulpturen schwerfällt, auch einer Dame mal den Vortritt zu gewähren, wie schwer mag der Weg dann noch für Frauen aus Fleisch und Blut sein? Und ja: Gleichberechtigung bedeutet auch, dass Männer manchmal nicht oben am Rathaus stehen, sondern unweit der Eisdiele.

© SZ vom 23.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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