Mitten in Karlsfeld:Nachbarn wie aus einem Horrorfilm

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Eine ganze Sippschaft dunkler Gestalten hat sich in Karlsfeld niedergelassen - und unwillkürlich fühlt man sich an einen Hitchcock-Klassiker erinnert

Von Walter Gierlich

Ausgerechnet in diesen Wochen, in denen die Kontakte zu anderen so stark beschränkt sind, haben wir neue Nachbarn bekommen. Und zwar nicht nur eine Kleinfamilie, wie sie ansonsten in den Häusern der näheren Umgebung wohnen, sondern gleich eine ganze Sippe, um nicht die äußerst negativ besetzte Bezeichnung Clan zu verwenden. Doch bei näherer Betrachtung würde der düstere Begriff vielleicht doch passen, schließlich handelt es sich bei den Zuzüglern um ziemlich dunkle Gestalten.

Ihr neues Zuhause hat schon vor dem Einzug sein Aussehen stark verändert, ist deutlich luftiger geworden, um nicht zu sagen kahl. Denn es handelt sich um eine jahrzehntealte Platane an der Gartenstraße, die eine der wichtigsten Verkehrswege in Karlsfeld ist, mit Rathaus, sogenannter Neuer Mitte und täglich mehr als 200 Bussen, die durchrauschen. Die neuen Bewohner sind Krähen. Ein ganzer Schwarm der pechschwarz gefiederten Gesellen, die nach Ansicht von Biologen zu den schlauesten Tierarten zählen, hat sich mitten im Ort niedergelassen. Übrigens kann als weiterer Beweis für die ihnen zugewiesene Intelligenz gelten, dass sie gerade Karlsfeld ausgewählt haben. Von den Kontaktbeschränkungen, die die Regierung zur Eindämmung der zweiten Corona-Welle erlassen hat, scheinen die Neu-Siedler allerdings entweder nichts zu wissen oder sie bewusst zu ignorieren. Denn sie verlassen bisweilen alle auf einmal ihre Heimstatt und statten den Gärten und Dächern ihrer Nachbarn geräuschvolle Besuche ab.

Wer den Hitchcock-Horrorfilm "Die Vögel" aus dem Jahr 1963 gesehen hat, dem kann es durchaus bang werden, wenn er unter dem von ihnen bewohnten Baum vorbeigeht, ins Visier genommen von den stechenden Blicken der ziemlich großen Figuren aus der Familie der Rabenvögel. Doch nun erinnert sich der Cineast, dass es im Gruselstreifen des englischen Kultregisseurs ja gar nicht schwarze Krähen sind, die Menschen attackieren, sondern weiße Möwen. Puh! Aufatmen, Hitchcocks Albtraum-Streifen vergessen. Jedenfalls diesen, denn plötzlich drängt ein anderer Klassiker des Autorenfilmers aufgrund der strikten Corona-Bestimmungen ins Gedächtnis: "Psycho". Dort wird eine Frau in einem Hotel ermordet, das genauso leer steht, wie momentan alle Beherbergungsbetriebe im Freistaat.

© SZ vom 01.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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