Mittelschule in Markt Indersdorf:Lehrerin aus Leidenschaft

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Ilona Brezing bezeichnet sich selbst als "Mittelschulfrau". Momentan schmiedet sie ständig Pläne, denn sie strebt nach Perfektion. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ilona Brezing ist die neue Rektorin der Mittelschule Markt Indersdorf. Die Pandemie macht ihr den Start schwer, aber sie hat Unterstützung. In ihrer neuen Rolle fühlt sie sich beruflich "angekommen"

Von Jacqueline Lang, Markt Indersdorf

Ilona Brezing trägt die Verantwortung für 461 Menschen, die meisten davon sind minderjährig. Das ist keine leichte Aufgabe, aber in Zeiten einer Pandemie ist sie noch schwieriger - zumal, wenn man die Stelle als Rektorin der Mittelschule Markt Indersdorf gerade erst angetreten hat und sich selbst noch zurecht finden muss. Dennoch macht die 49-jährige gebürtige Niederbayerin nicht den Eindruck, als würde sie sich Sorgen machen, der Sache nicht gewachsen zu sein. "Ich habe vor nichts Angst außer vor Mäusen", sagt Brezing. Es ist zwar in dem etwas in die Jahre gekommenen Schulgebäude nicht auszuschließen, dass sie irgendwann auf kleine Nager treffen wird, aber für den Moment ist das trotzdem ihre kleinste Sorge. Schließlich muss die Frau mit den schwarzen, langen Haaren und den sympathischen Grübchen ihre neue Schulfamilie sicher durch diese unsichere Zeit führen.

Dass Ilona Brezing Lehrerin geworden ist, hat sie unter anderem ihrer Grundschullehrerin Fräulein Sieber zu verdanken. Diese schlug vor, Brezing aufs Gymnasium zu schicken. Ein Gedanke, der ihren Eltern nie gekommen wäre, immerhin war bis dato niemand aus der Familie jemals aufs Gymnasium gegangen oder hatte gar eine Universität besucht. Brezing tat genau das und studierte nach dem Abitur in Regensburg auf Lehramt. Fast hätte sie ihr Studium aber doch noch abgebrochen, zu weit schienen ihr Praxis und Realität von einander entfernt zu sein. In Augsburg hatte sie sich sogar schon eingeschrieben für Wirtschaftsmathematik. Aber dann machte sie ein Praktikum an einer Schule und dort redete ihr eine Lehrerin gut zu. An den Namen der Frau erinnert sich Brezing nicht mehr, aber sie ist ihr dankbar für ihre Worte, denn mittlerweile kann sie sich keinen besseren Beruf mehr für sich vorstellen. Brezing ist Lehrerin durch und durch.

Nach dem Studium kam sie ziemlich schnell in den Landkreis Dachau. Zunächst für ein Jahr nach Karlsfeld, dann für gut ein Jahrzehnt nach Odelzhausen und im Anschluss an die Mittelschule Dachau Süd. Sie war zunächst als sogenannte mobile Reserve im Einsatz, später dann stellvertretende Schulleiterin, kommissarische Schulleiterin und schließlich Schulleiterin. Dass sie die Schule in Dachau-Süd genau jetzt verlassen habe, wo endlich alle Bauarbeiten abgeschlossen sind, liege daran, dass sie das Landleben dem Leben in der Stadt vorziehe, sagt Brezing. Von ihrem Arbeitsplatz in Markt Indersdorf braucht sie nur 15 Minuten nach Odelzhausen, wo sie wohnt. Und von dort sind es wiederum nur wenige Gehminuten in den Wald. Seit nunmehr fünf Wochen hatte Brezing zwar keine Zeit mehr mit Hündin Tari spazieren zu gehen und zur Ruhe zu kommen, aber es werden wohl auch wieder andere Zeiten kommen, da ist sich Brezing sicher. Bis es soweit ist, ist die Schulleiterin momentan ständig damit beschäftigt Pläne zu schmieden und diese wieder über den Haufen zu werfen. Das macht aber nichts, denn Brezing liebt Pläne. "Ich habe immer einen Plan B, wenn nicht sogar keinen Plan C." Dass sie derzeit trotz aller Planung auch gelegentlich ihre Spontanität unter Beweis stellen muss, gefällt Brezing indes weniger. "Ich strebe immer nach Perfektion, aber das geht gerade einfach nicht."

Was Brezing in dieser schweren Zeit neben dem Verständnis von Eltern und der Unterstützung des Kollegiums hilft, ist, dass sie weiß, dass sie nicht alleine ist. Ihre Konrektorin Andrea Heupel ist ebenfalls neu an der Schule. Die beiden kennen sich noch aus ihrer gemeinsamen Zeit in Karlsfeld. Zwischenzeitlich hätten sie sich aus den Augen verloren, aber nun helfe die alte Vertrautheit dabei, die Krise zu meistern, sagt Brezing. "Vielleicht schließt sich so der Kreis."

Um das so richtig beurteilen zu können, müsste der Schulbetrieb jedoch erst wieder zum Normalbetrieb zurückkehren. Denn derzeit bleibt ihr kaum Zeit für den Austausch mit Schülern, Lehrern und Eltern. Das sie es immer noch nicht geschafft hat, sich in allen Klassen vorzustellen, schmerzt sie am meisten. Nicht einmal Tari, ausgebildete Schul- und Therapiebegleithündin, hat bislang das Schulgebäude betreten und in ihrem Korb neben Brezings Schreibtisch Platz genommen, geschweige denn mal einen Spaziergang mit einem der Kinder gemacht, die sich manchmal ein wenig schwerer tun mit dem Lernen. Doch dass aus Frust den Kopf in den Sand stecken nicht Brezings Art ist, merkt schnell, wer mit ihr spricht. "Ich mache das jetzt einfach", sagt sie.

Dass sie Lehrerin an einer Mittelschule werden wollte, das stand für Brezing schnell fest, als sie sich für den Beruf der Lehrerin entschied. Das habe auch mit ihrer jüngeren Schwester zutun, die ebenfalls die Hauptschule besucht habe. "Ich bin eine Mittelschulfrau", sagt sie. Irgendwie möge sie die pubertierenden Jugendlichen, "ihre Buben und Madeln" einfach, sagt Brezing, die selbst keine Kinder hat. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum sie sich schließlich doch gegen eine Karriere als Seminarleiterin und für den Job als Rektorin entschieden hat. Als Schulleiterin hat sie zwar weniger direkten Kontakt zu den Schülern, aber sie verliert ihn eben auch nicht ganz. "In der Rolle der Schulleiterin bin ich angekommen", ist sich Brezing deshalb sicher. Und wenn alles gut läuft, dann hat sie an der Mittelschule in Markt Indersdorf auch ihre "schulische Heimat" gefunden. Von ein paar blauen Flecken an den Knien, die sie sich derzeit immer noch an ihrem zu niedrigen Schreibtisch anhaut, und einer Pandemie wird sie sich jedenfalls nicht klein kriegen lassen.

© SZ vom 19.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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