Mitfahrerbank in Röhrmoos:Der mobile Stammtisch

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In Röhrmoos sollen Mitfahrerbänke aufgestellt werden. Das entlastet nicht nur den innerörtlichen Verkehr, die Menschen gehen auch aufeinander zu. Petershausen, Altomünster und Bergkirchen haben es vorgemacht

Von Thomas Radlmaier, Röhrmoos

Günter Bakomenko wohnt in einer Sackgasse in der Nähe des S-Bahnhofes in Röhrmoos. Morgens und abends beobachtet er gezwungenermaßen, wie sich die Autos auf der Straße stauen. Die einen würden jemanden vom Bahnhof abholen, die anderen hinbringen, sagt er und meint: "Sinnvoller wäre es, wenn sich die Leute zusammentun." Wenn also zum Beispiel der Großinzemooser den Kleininzemooser mitnimmt, weil er auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause sowie durch den Nachbarort fährt. Bakomenko sagt, dadurch entlaste man den innerörtlichen Verkehr. Und noch wichtiger: "Die Mitbürger reden mehr miteinander."

Wenn Bakomenko auf die Straßen schaut, sieht er nicht nur Verkehr, sondern auch die "Tendenz, dass die Leute bei Notfällen entweder mit den Händen in der Hosentasche rumstehen, Handyfotos machen oder im schlimmsten Fall die Feuerwehr bei der Arbeit behindern". Er sitzt für die Freien Wähler im Röhrmooser Gemeinderat und hat sich Gedanken gemacht. Er will, dass die Menschen mehr aufeinander schauen.

Für weniger Verkehr und mehr gesellschaftlichen Dialog soll die Gemeinde Mitfahrerbänke oder Mitfahrersäulen in einigen der zwölf Ortsteile aufstellen. Dort können Wartende vorbeifahrenden Autofahrern ihr Ziel per Schild anzeigen und im besten Fall einfach zusteigen. Es ist eine Art organisiertes Trampen. Einen entsprechenden Antrag hat Bakomenko im Gemeinderat eingebracht. Das Gremium votierte einstimmig dafür. Nun suchen die Verwaltung und eine interfraktionelle Arbeitsgruppe nach möglichen Standorten. Rathaus-Geschäftsleiter Erwin Zelenka kann sich vorstellen, dass zum Beispiel der Sparkassenplatz in Röhrmoos, wo sich eine Bank und Apotheke befinden und ein Ärztehause entstehen soll, ein geeigneter Mitfahrerplatz wäre. Dagegen wäre eine Bank an einer Kreisstraße eher unsinnig. Schließlich könne dort kein Fahrzeug anhalten.

Bei der Einweihung des Mitfahrerbankerls in Bergkirchen: Pfarrer Albert Hack, Ute Hönle, Bürgermeister Simon Landmann und Edith Daschner. (Foto: Toni Heigl)

Mitfahrerbänke oder -säulen stehen in Petershausen, Altomünster und Bergkirchen. Sie sind gedacht für Senioren, denen das Autofahren zu hektisch geworden ist, Jugendliche, die noch keinen Führerschein haben, oder Menschen ohne Gefährt. Sie können dort auf jemanden warten, der sie mitnimmt. Per Schilder weisen sie den Autofahrern an, wohin sie wollen. Wer im ländlichen Raum auf so einer Bank Platz nimmt, trifft nicht selten den Nachbarn, der gerade zum Einkaufen fährt. Das ist das Prinzip der Mitfahrerbänke: Man ratscht und kommt gleichzeitig von A nach B. Quasi ein mobiler Stammtisch.

Marianne Kerle, 49, hat das Ganze in Altomünster auf den Weg gebracht. Seit Mai stehen acht Bankerl über das ganze Gemeindegebiet verteilt, auch in die Nachbarkommune Sielenbach (Landkreis Aichach-Friedberg) kann man trampen. Kerle ist schon rund 30 Mal per Anhalter von ihren Heimatort Wollomoos aus mitgefahren. Einmal hat sie die Feuerwehr im Einsatzauto mitgenommen, einmal der Pfarrer. "Das klappt gut", sagt sie. Doch ihre Begeisterung hätten noch nicht alle übernommen. Sie hoffe, das sich künftig noch mehr Leute darauf einlassen. Kerle gibt zu: "Manchmal wartet man eine halbe Stunde." Aber in der Zeit treffe man Mitbürger, die vorbeilaufen, und könne sich unterhalten. "Ich habe mich beim Warten noch nie gelangweilt." Für Kerle sind die Mitfahrerbänke nämlich auch das: "Orte der Entschleunigung." Denn wann, fragt sie, habe man heutzutage schon einmal eine halbe Stunde Zeit zum Dasitzen?

So sehen die Mitfahrerbänke in Bergkirchen aus. Eine steht in der Römerstraße vor dem Brugger Anwesen (Foto: Niels P. Jørgensen)

So sieht das auch Ute Hönle, welche die intergenerative Anlaufstelle in Bergkirchen koordiniert und das Projekt betreut. Zehn rote Bänke stehen in verschiedenen Ortsteilen. In Gada hat einmal ein Lkw eine umgefahren, die werde nun ersetzt. Die Investitionskosten von 10 000 Euro wurden von örtlichen Unternehmen und Banken übernommen. "Es gibt Menschen, die das Angebot regelmäßig nutzen", sagt Hönle. Zum Beispiel Jugendliche, die zur S-Bahn wollen. Sie sei nicht unzufrieden. Aber Hönle findet, es könnten schon auch mehr Mitfahrer sein. Gleichwohl beobachtet sie, dass auch Menschen, die eigentlich dableiben wollen, wo sie sind, auf der Bank sitzen. Insbesondere ältere Menschen würden beim Spazieren gehen dort eine kurze Pause machen. Hönle ist der Meinung, dass es heutzutage grundsätzlich zu wenig Bänke in den Orten gibt. "Früher stand vor jedem Hof eine."

Freilich geht es Günter Bakomenko nicht nur darum, dass geratscht wird. Insbesondere ältere Menschen ohne Auto sollen dadurch mobiler werden. In seinem Antrag gibt er ein Beispiel: Wenn jemand vormittags ohne Auto von Sigmertshausen nach Röhrmoos kommen will, weil er einen Arzttermin hat, muss er den Bus um 7.55 Uhr nehmen. Nach dem Arztbesuch kann er aber erst um 13.25 Uhr wieder nach Sigmertshausen zurückfahren. Auch deshalb ließen sich viele am S-Bahnhof abholen oder hinbringen, so Bakomenko. Er will nun innerhalb des Gemeindegebietes nach möglichen Standorten für die Bänke suchen.

Doch Verwaltungsleiter Zelenka gibt zu bedenken, dass ein Standort für eine Säule oder ein Bankerl schon Sinn machen müsse. Denn: "Wer will schon von Sigmertshausen nach Biberbach?"

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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