Dachauer Schlosskonzert:Schweben, aber zackig

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Das Konzert des "Mendelssohn Kammerorchesters" aus Leipzig schließt die Dachauer Schlosskonzerte 2023 ab. (Foto: Toni Heigl)

Das "Mendelssohn Kammerorchester" gibt im Dachauer Schloss ein in jeder Hinsicht barockes Trompetenkonzert. Das Spiel ist virtuos und hochpräzise, etwas ungewohnt ist nur die schroffe, kontrastreiche Interpretation.

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Das letzte Dachauer Schlosskonzert dieses Jahres war ein wahrhaft barockes Konzert, wenn man unter "barock" einen überaus prächtigen Stil versteht, der in unseren Augen oft auch überladen wirkt. Auf eine überaus hart und zackig gespielte Ouvertüre von Antonio Vivaldi, bei der die Akzente wie Explosionen waren, folgten das berühmte, im Konzertbetrieb spätestens ab Mitte November schier unumgängliche "Weihnachtskonzert" von Arcangelo Corelli, eine Sinfonia von Johann Adolf Hasse und nicht weniger als vier (barocke) Trompetenkonzerte, dazu noch zwei Zugaben. Das erfordert Kondition, sowohl bei den Musikern als auch bei den Zuhörern.

Der Beifall steigert sich von Nummer zu Nummer

Die Musiker, die diese Kondition, aber auch absolute Perfektion auf ihren Instrumenten mitbrachten, kommen aus Leipzig; es war das Mendelssohn Kammerorchester mit dem Star-Trompeter Reinhold Friedrich. Das Dachauer Publikum hielt auch bis zum Schluss durch, ja der Beifall steigerte sich von Nummer zu Nummer des üppigen Programms.

Die Interpretation der Ouvertüre zur Oper "L'Olimpiade" von Vivaldi ließ an die Definition von "barock" der französischen Enzyklopädie von 1758 als "superlatif du bizarre" denken. Das sei auch als Rechtfertigung für die heute bisweilen geübte, in Dachau noch ungewohnte schroffe, zackige, überaus kontrastreiche Interpretation bemerkt. Auch das Weihnachtskonzert von Corelli erklang nicht in der gewohnten Art und Weise.

Solist Reinhold Friedrich auf seinem barocken "Trompeterl". (Foto: Toni Heigl)

Das Leipziger Mendelssohn Kammerorchester spielte das Werk vor allem als kontrastreiches, musikalisch sehr bewegtes Concerto grosso in g-Moll, bei dem nur das ad libitum angehängte Pastorale weihnachtliche Stimmung hat. Corelli soll damit eine musikalische Vision der über Bethlehem schwebenden Engel gegeben haben wollen. Den italienischen Engeln bei Corelli hat in der Leipziger Interpretation ein wohl deutscher Erzengel äußerste Präzision im Schweben und Exaktheit im Fliegen abverlangt.

Das war letztlich das Charakteristikum des ganzen barocken Konzertabends. Das Barocke in der Musik wird definiert als "Ausrichtung auf Wirkung, der überraschende Gestaltung ebenso dienen wie pathetische Kontraste und eine vorher nicht gekannte Ausnutzung der gegebenen instrumentalen Mittel", und das bekam man nicht in italienisch-süddeutscher Gelassenheit, sondern in Leipziger Perfektion serviert.

Ohne den Leipziger Hausgott Johann Sebastian Bach geht es nicht

Diese Seite des Musizierens der Leipziger, die man als außerordentlich positiv, aber auch etwas distanziert bewerten kann, erwies sich bei den vier Trompetenkonzerten des Abends als ideale Begleitung eines überragenden Künstlers. Reinhold Friedrich erwies sich, wie erwartet, als der absolut souveräne, aber auch frei und munter gestaltende Trompeter, der sein kleines Barocktrompeterl (eine Erfindung des 20. Jahrhunderts) wie ein Spielzeug behandelte, mit dem er mühelos die virtuosesten, ja tollsten Figurationen der Barockmusik spielte und mitreißend gestaltete. Das war großartig.

Nur bei einem Konzert, das Johann Sebastian Bach nach einem Violinkonzert von Vivaldi für Cembalo und Orchester schrieb und jetzt auch noch für Trompete, Streicher und Basso continuo bearbeitet wurde, war die Kunstfertigkeit übertrieben. Passagen, die für den Cembalisten und sein Spiel auf Tasten gedacht sind, mit der Trompete zu spielen, ist als Kunstfertigkeit erstaunlich, als Musik aber unsinnig. Die Leipziger wollten wohl kein Konzert ohne ihren Hausgott Johann Sebastian Bach geben.

Die zweite Hälfte wartet mit vertrauteren Klängen auf

Nach der Pause wurde das in der dargestellten Weise hochbarocke Musizieren bei Werken von Molter, Hasse und einem für Trompete bearbeiteten Violinkonzert von Giuseppe Tartini gemildert. Jetzt näherte sich die Musik mehr und mehr auch lieblicheren oder, besser gesagt, vertrauteren Tönen, wobei die höchst beeindruckende Virtuosität freilich gewahrt wurde. Das Konzert von Tartini war sogar mit einer hoch virtuosen, allgemein bewunderten Solo-Kadenz für Trompete ausgestattet.

In der ersten Zugabe, einem Satz in h-Moll des (etwas jüngeren) Bach-Zeitgenossen Johann Christian Hertel, war die mentale Distanz, die barocke Musik meistens wahrt, fast ganz aufgegeben und den Zuhörern ein unmittelbarer, bewegender Zugang zur Musik gewährt.

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