Markt Indersdorf:Gedränge im Schulbus

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Angesichts übervoller Busse in Zeiten, in denen wegen des Coronavirus Abstand gehalten werden muss, sorgen sich Eltern um die Gesundheit ihrer Kinder. Versuche, die Situation zu verändern, sind fehlgeschlagen

Von Jacqueline Lang, Markt Indersdorf

Am Montagnachmittag, kurz nach 13 Uhr, stehen Georg Niederschweiberer und Silvia Fischhaber an der Bushaltestelle am Kloster in Markt Indersdorf inmitten einer Horde von Schülern. Sie warten auf die Busse der Schulbuslinie 1, die zwischen Markt Indersdorf und Weichs verkehren. Vor wenigen Minuten müssten die Busse laut Plan am Indersdorfer Gymnasium losgefahren sein und sollten nun gleich voll besetzt hier vorfahren. Kaum später biegt der erste Bus um die Ecke, in dem viele Schüler nicht sitzen, sondern dicht an dicht im Gang stehen. Und wenn es nach den beiden Eltern geht, ist genau dies das Problem: Die Busse sind viel zu voll, zumal in Zeiten einer weltweiten Pandemie, in der doch Abstandhalten das oberste Gebot ist.

Bereits am 10. September und damit nur einen Tag nach Schulbeginn hat Georg Niederschweiberer das Busunternehmen Schleipfer aus Hohenzell, das mit den Bussen 1 und 2 auf der Schulbuslinie 1 zwischen Markt Indersdorf und Weichs verkehrt, angerufen, um mitzuteilen, dass die Busse restlos überfüllt sind. Seitdem sind rund zwei Monate vergangen, in denen Niederschweiberer und Mitstreiterin Silvia Fischhaber Briefe an das Landratsamt, die Bürgermeister der Gemeinden Röhrmoos und Markt Indersdorf geschrieben und sogar die Bayerische Staatskanzlei kontaktiert haben. Antworten haben sie zum Teil zwar erhalten, zum Teil warten sie immer noch. Aus Sicht der beiden besorgten Eltern sind aber auch die Antworten nicht zufriedenstellend. Denn auch wenn teilweise Verstärkerbusse auf anderen Linien eingesetzt worden sind, an der Situation, der ihre Kinder tagtäglich ausgesetzt sind, hat das nichts geändert. Fischhaber und Niederschweiberer haben mittlerweile das Gefühl, dass seitens der Politik zu wenig getan wird, und sie fühlen sich mit ihren Sorgen nicht ernst genommen.

Franz Obesser (CSU), Bürgermeister von Markt Indersdorf und Kreisrat, ist das Problem bekannt. Er findet es jedoch schade, dass offenbar der Eindruck entstanden ist, es werde zu wenig getan. Bereits mehrmals sei die Thematik in verschiedenen Ausschüssen auf Kreisebene behandelt worden, mehrmals habe Albert Herbst, Fachgebietsleiter Kreisschulen und ÖPNV, den Kreisräten darüber berichtet, was getan werde, um das Problem in den Griff zu bekommen und den Vorgaben seitens der Regierung gerecht zu werden. Diese hatte nämlich in der Woche vor Schuljahresbeginn als Maßnahme gegen steigende Infektionszahlen angeordnet, soweit möglich sogenannte Verstärkerbusse einzusetzen. Schon damals hatte sich Herbst darüber beklagt, dass von oben etwas vorgegeben werde, was auf Kreisebene gar nicht so ohne weiteres umzusetzen sei. Immerhin habe es auch schon lange vor der Coronakrise zu wenig Busfahrer gegeben. Gleichwohl ist Herbst nicht untätig geblieben.

Teilweise wurden auf Drängen der Bevölkerung bereits Verstärkerbusse im Landkreis Dachau eingesetzt. Auf der Schulbuslinie 1, die zwischen Markt Indersdorf und Weichs verkehrt, ist das bislang nicht der Fall und so drängen sich nach Schulschluss zahlreiche Kinder in einen bereits überfüllten Bus. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Insgesamt acht "Verstärkungsmaßnahmen" hat er mit seinem Team auf den Weg gebracht. Auf der Schulbuslinie 1 gebe es jedoch tatsächlich bislang keine coronabedingte Verstärkung, gibt Herbst zu. Allerdings sei auf dieser Strecke bereits seit dem Sommer ein weiterer Bus im Einsatz. "Umso mehr verwundert es mich, dass es offenbar immer noch zu Engpässen kommt", sagt Herbst. Er könne sich das nur durch ein Verteilungsproblem erklären. Eine Anfrage bei dem verantwortlichen Busunternehmen, um dem Problem auf den Grund zu gehen, laufe bereits. Spätestens im Laufe der kommenden Woche rechne er mit neuen Erkenntnissen, so Herbst. Denn auch ihm sei klar, dass mit dem bevorstehenden Winter die kritische Jahreszeit erst noch bevorstehe, weil Schüler, die im Sommer noch mit dem Fahrrad unterwegs waren, nun auf den Schulbus umsteigen.

Silvia Fischhaber wartet nach eigenen Angaben immer noch auf eine Antwort auf ihr Schreiben an die Staatskanzlei zu Händen von Staatsminister Florian Herrmann, das in Kopie auch an den Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath (CSU) gegangen ist. Seidenath bestätigt auf Nachfrage, das Schreiben erhalten und bereits Rücksprache mit Landrat Stefan Löwl (CSU) und dem Staatsminister Herrmann gehalten zu haben, die beide erklärt hätten, dass es sowohl finanziell als auch personell schwierig sei, weitere Verstärkerbusse auf die Straßen zu bringen. "Alle tun ihr Bestes", wenn es im Einzelfall nicht immer ausreiche, liege das nicht am fehlenden Willen der Verantwortlichen, so Seidenath. Hinweise wie jener von Silvia Fischhaber seien gut und richtig, aber es gebe aktuell sehr viele "Teller, die wir am Rotieren halten müssen", da gelinge es schlicht nicht immer, allen Bedürfnissen gleichermaßen gerecht zu werden. "Wir haben für dieses Virus keine Blaupause", sagt Seidenath.

Wenn es sich, wovon Herbst bislang ausgeht, auf der Schulbuslinie 1 schlicht um ein Verteilungsproblem handelt, sieht er mehrere Möglichkeiten: Einerseits gelte es, erneut an die Schüler zu appellieren, nicht in einen überfüllten Bus zu steigen, sondern stattdessen auf den nächsten zu warten. Eine weitergehende Maßnahme könnten aber auch Fahrplanänderungen sein. Auf der Verbindung zwischen Markt Indersdorf und Weichs einen Verstärkerbus einzusetzen, sei das letzte Mittel, und Herbst ist dank guter Kontakte zuversichtlich, dass er einen auftreiben könnte, wenn es wirklich notwendig sein sollte.

Georg Niederschweiberer (links) und Silvia Fischhaber fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Aber meine jahrelange Erfahrung sagt mir, dass wir das Problem auch anders lösen werden", so Herbst. Klar müsse aber jedem sein, dass es "weder praktisch noch finanziell" möglich sein werde, die Situation in den Schulbussen so zu gestalten, dass nie ein Schüler stehen muss und Abstände von 1,50 Metern immer eingehalten werden können.

Niederschweiberer, selbst Schulweghelfer in Röhrmoos, Mitglied im Bayerischen Elternverband (BEV) und Röhrmooser Gemeinderat für die Freien Wähler, reichen all diese Versprechen nicht mehr. Alle Verantwortungsträger würden stets beteuern, sie kümmerten sich, aber letztlich werde man immer nur vertröstet, klagt er. "Mich ärgert diese Art des Umgangs."

Auch Silvia Fischhaber geht es längst nicht mehr nur um die vollen Schulbusse und das dadurch hohe Risiko für ihre zehnjährige Tochter und letztlich auch sich selbst, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. "Ich fühle mich nicht für voll genommen", sagt sie, während sich im Hintergrund noch ein paar Schüler in den bereits vollen Bus drängen.

© SZ vom 20.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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