Luftverschmutzung:Raus aus dem Auto

Lesezeit: 2 Min.

Die Stadt Dachau reagiert auf die hohe Stickoxid-Belastung und schaltet das Bayerische Landesamt für Umwelt ein. Neue Buslinien und Radwege sollen den Verkehr reduzieren

Von Benjamin Emonts, Dachau

Stickoxid-Werte höher als 40 Mikrogramm pro Kubikmeter hat ein Bündnis aus Naturschützern und Privatleuten im Dachauer Stadtgebiet gemessen - die Gesundheit der Bürger ist damit gefährdet. Der Dachauer Stadtrat hat die Untersuchungen jetzt zum Anlass genommen, nach Lösungen für das Problem zu suchen. Als ersten Schritt hat Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) die Verwaltung beauftragt, sich mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) über Maßnahmen zu beraten. Dazu soll vorrangig gehören, dass das Landesamt zeitnah professionelle Messungen in Dachau durchführt, um die Bürger über die reale Schadstoffbelastung aufzuklären. Die Feinstaubbelastung soll dabei auch festgestellt werden.

Es war eine aufsehenerregende und inzwischen viel diskutierte Aktion, die ein Dachauer Bündnis aus Naturschutz (BN), Verkehrsclub Deutschland (VC), Allgemeinem Fahrradclub Deutschland (ADFC), Bündnis für Dachau, Bündnis 90/die Grünen und Privatleuten im vergangenen Jahr über einen Zeitraum von sechs Wochen durchgeführt hat. An insgesamt 15 Stellen der Stadt Dachau, dazu zählten vor allem Haupt- und Nebenstraßen, positionierten sie Messröhrchen, mit deren Hilfe man die Stickoxid-Werte nach eigener Auskunft mit einer 90-prozentigen Genauigkeit ermitteln konnte.

Das Ergebnis fiel besorgniserregend aus: Die Messwerte in der Mittermayerstraße und der Brucker Straße liegen auf dem Niveau der Verdi- und Brudermühlstraße in München. Der offizielle Jahresgrenzwert in der Europäischen Union "zum Schutz der menschlichen Gesundheit" von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wurde an beiden Punkten deutlich überschritten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und das Bundesumweltamt empfehlen indes einen Jahresmittelwert von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter. An sämtlichen 15 Messstellen in Dachau lag der Wert über dieser Empfehlung. Der bereits für Vegetation und Ökosystem als kritisch erachtete Grenzwert von 30 Mikrogramm wurde an elf Punkten erreicht oder erheblich überschritten. Das Bündnis kam folglich zu dem Schluss: "Die Stickoxid-Belastung im gesamten Stadtgebiet Dachau ist erschreckend hoch."

Oberbürgermeister Hartmann nimmt die Messungen sehr ernst. Die Stadt müsse Wege finden, um den innerstädtischen Verkehr zu reduzieren, und "attraktive Alternativen" zum Auto anbieten. Das neue Fahrradparkhaus am Dachauer Bahnhof oder die Stärkung des ÖPNV durch neue Buslinien seien bereits erste Schritte in diese Richtung. Außerdem tüftele die Stadt derzeit noch an ihrem Vorhaben, den Busverkehr zu beschleunigen. Ein Fahrradverkehrskonzept, an dem sich die Bürger beteiligen, sei auf den Weg gebracht. Sobald die Befragungen ausgewertet sind und Schwachstellen und Lücken im Radwegenetz dokumentiert sind, werde die Stadt ein Büro beauftragen, das konkrete Maßnahmen ergreift.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, Thomas Kreß, fordert die "konservativen Kreise" im Stadtrat auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen und dabei zu helfen, "die Menschen aus dem Auto zu bekommen". Ein paar einzelne Radwege und ein Fahrrad-Parkhaus reichten dazu nicht aus. Kreß regt die Einführung des 10-Minuten-Takts im städtischen Busverkehr und eine Neuordnung der Buslinien an. Auch die Fraktionsvorsitzende der SPD, Christa Keimerl, sieht Handlungsbedarf: "Es müssen jetzt Messungen vorgenommen werden. Es wird darauf hinauslaufen, dass der Individualverkehr zurück gefahren werden muss."

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Florian Schiller spricht sich ebenfalls dafür aus, offizielle Messungen zu beantragen.

"Man hat lange die Augen vor der sicher geahnten Realität verschlossen, aber das ist jetzt ein richtiger Schritt", sagt der Grünen-Kreisrat und BN-Vorsitzende Roderich Zauscher, der die Messungen mit initiiert hat. Allerdings warte er noch auf eine Reaktion aus dem Dachauer Landratsamt. Die Stadträtin Sabine Geißler vom Bündnis für Dachau, die auch mitgemessen hat, sagt: "Es gibt noch viel zu tun und viele dicke Bretter zu bohren." Sie zielt damit auch auf das in ihren Augen unzureichende Umweltbewusstsein der CSU ab, nachdem deren verkehrspolitischer Sprecher Peter Strauch in einer Diskussion über die Einführung einiger Tempo-30-Zonen kürzlich gesagt hatte: "Wir wollen nicht überall die Verkehrsteilnehmer schikanieren." Die Stadt Dachau dürfte gewarnt sein. Das Verwaltungsgericht München hat dem Freistaat Bayern mit Blick auf die Landeshauptstadt München, die sehr hohe Schadstoffwerte aufweist, vor zwei Wochen auferlegt, bis Ende Mai ein tragfähiges Konzept zur Schadstoffreduzierung vorzulegen.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: