Landtagswahl:"Das wird schon"

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Auf der Feier zum 50-jährigen Bestehen des CSU-Ortsverbandes in Petershausen spricht sich die Basis Mut zu. Der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath begrüßt Bauministerin Ilse Aigner als Ministerpräsidentin

Von Thomas Radlmaier, Petershausen

Die CSU in Umfragen abgestürzt auf 35 Prozent? Die AfD möglicherweise mit mehr als zehn Prozent im Landtag? Und nur noch einen Monat, um diese Katastrophe abzuwenden? Josef Hefele, 89, denkt nach und trinkt von seinem Weißbier, das die Bedienung gerade auf den Tisch gestellt hat. Hefele ist das einzige noch lebende Gründungsmitglied des Petershausener Ortsverbandes, ein Christsozialer der ersten Stunden. Ihn bringt nichts aus der Ruhe. Er habe als CSUler schon so manchen politischen Sturm erlebt, sagt Hefele. "So etwas wie jetzt hat es schon öfter gegeben." Daher empfehle er jetzt allen, ruhig zu bleiben. "Es hilft ja nichts."

Sonntagvormittag, Petershausener Sportgelände. In der Turnhalle feiert der CSU-Ortsverband sein 50-jähriges Bestehen. Etwa 100 Menschen sind gekommen, die meisten haben ein Parteibuch daheim. Wo, wenn nicht hier kann man den aktuellen Seelenzustand der CSU, die doch den Anspruch hat, in Bayern alleine zu regieren, nun aber droht in die Normalität einer 30-Plus-X-Partei abzurutschen, besser ergründen? Der Parteitag am Samstag steckt vielen Mitgliedern in den Knochen. Jetzt hocken sie hier bei Weißbier und Weißwurscht an weiß-blau geschmückten Tischen. Auch Bayerns Bauministerin Ilse Aigner, der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath und die Bundespolitikerin Katrin Staffler feiern mit. Fragt man an den Tischen nach, was denn los ist mit der CSU, hört man immer die gleichen Ruhe-Bewahren-Mund-abwischen-weitermachen-Antworten. Nach dem ersten Schock will sich die Partei nun im Endspurt zu Landtagswahl auf ihre Stärke besinnen.

Die Ministerin glaubt lieber an die Stärke der Partei statt an Umfragewerte. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Ja, das ist Wahnsinn", sagt eine, als man sie auf die 35 Prozent anspricht. Ein anderer meint, so etwas habe es noch nie gegeben. "Das Ziel, absolute Mehrheit, kann man knicken." Aber die meisten zweifeln an den Umfragen und glauben, dass die Prozentzahlen noch nach oben gehen. "So wenig werden wir nicht bekommen", sagt etwa Anneliese Kowatsch von der Frauenunion. Und Georg Bauer, seit 35 Jahren bei der CSU, rät: "Nichts überstürzen!" Ja, man durchlaufe gerade eine "Durststrecke". Ja, einige Wähler seien zur AfD gewechselt. Ja, diese Partei habe man zu lange unterschätzt. Aber spätestens bei der übernächsten Landtagswahl werde sich das wieder regulieren. "Das wird schon." Ortsvorsitzende Hilde Weßner ruft auf dem Podium in Richtung der anwesenden Vertreter von SPD und Freie Wähler: "Wir werden euch nicht den Gefallen tun, jetzt zu erstarren."

Dann steht Ilse Aigner, Vorsitzende des CSU-Bezirksverbandes Oberbayern, am Rednerpult und beschwört die CSU-Basis, bis zur Landtagswahl am 14. Oktober um jede Stimme zu kämpfen. Sie hält eine Mia-san-Mia-Rede. Damit trifft sie den Nerv der etwa 100 Anwesenden, die an mehreren Stellen lange klatschen. Für Aigner ist noch gar nichts entschieden. Von den Umfragen hält sie wenig. Sie glaube der Demoskopie nach den jüngsten Wahlen im Saarland und in Nordrhein-Westfalen überhaupt nichts mehr, sagt sie. Auch dort sei es am Ende anders gekommen als vorhergesagt. "Wenn es wirklich eine Krise gibt, dann ist es demoskopische Krise." Aigner warnt - wie Markus Söder beim Parteitag - vor sieben Fraktionen im Landtag. Beschlüsse könnten sich ewig hinziehen. "Wir brauchen ein Parlament, das entscheiden kann."

Weder Ilse Aigner noch die CSU-Basis in Petershausen verlieren ihren Humor. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Den meisten Applaus erhält Aigner aber, als sie die AfD angreift: "Die angebliche Alternative ist keine Alternative. Das ist ein Albtraum für Deutschland." Viele CSU-Mitglieder begrüßen, dass die Parteispitze um Ministerpräsident Markus Söder ihre Strategie nach den rechtsradikalen Ausschreitungen von Chemnitz geändert hat. Max-Otto Becker hat seit 20 Jahren ein CSU-Parteibuch zuhause. Er findet, es sei ein Fehler gewesen, mögliche AfD-Wähler dadurch zu gewinnen, dass man die Parolen der Rechtspopulisten übernehme. Für ihn sei klar: "Die AfD tendiert zur NSDAP. Ich hoffe, dass die Leute endlich aufwachen."

Doch was ist, wenn die CSU noch weiter abrutscht und am Ende bei weniger als 35 Prozent landet? In Petershausen will niemand über mögliche personelle Konsequenzen und auch nicht über potenzielle Koalitionen spekulieren. Das mit den "Farbenspielen" lasse sie heute lieber, sagt Aigner. Was aber auffällt, ist, wie der CSU-Kreisvorsitzende Bernhard Seidenath Aigner auf dem Podium ankündigt. Er habe den Bayerischen Defiliermarsch schon von weitem gehört. Da habe er gewusst: "Da muss eine Ministerpräsidentin unterwegs sein." An einigen Tischen schaut man sich fragend an, ob sich Seidenath versprochen hat. Denn Aigner ist nur stellvertretende Ministerpräsidentin und der Defiliermarsch eigentlich dem Regierungschef vorbehalten. Bringt sich da jemand in Stellung für den Fall, dass Söder die Wahlen politisch nicht überlebt und Aigner eine neue Aufgabe erhält? Auf Nachfrage verwehrt sich Seidenath gegen so eine Interpretation. Aigner gibt das Lob jedenfalls gerne zurück und nennt Seidenath einen "erstklassigen Abgeordneten" und "hochkompetenten Fachmann, was Gesundheitspolitik betrifft". Sie witzelt: Sie habe es im Kreuz, auch da könne Seidenath später seine Expertise praktisch anwenden.

Es folgt großes Gelächter in ernsten Zeiten. Doch es gibt ja auch etwas zu feiern: 50 Jahre CSU-Ortsverband Petershausen. Seidenath sagt: "50 Jahre Gestaltung durch die CSU", das sei "ein halbes Jahrhundert Stärke. Möge es so weitergehen."

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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