Landkreis Dachau:Tummelplatz der "Reichsbürger"

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Das Dachauer Land ist laut Verfassungsschutz einer von vier regionalen Schwerpunkten in Bayern. Bisher sind 24 Mitglieder der staatsfeindlichen Bewegung eindeutig identifiziert worden - "das ist zu viel", sagt Polizeichef Rauscher

Von Petra Schafflik und Helmut Zeller, Dachau

Die "Reichsbürger" zahlen keine Steuern, fahren ohne Führerschein, ignorieren jegliche Rechtsprechung - und auf Dachauer Gebiet liegt einer ihrer vier regionalen Schwerpunkte in Bayern. Das teilte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) jetzt dem Innenausschuss des bayerischen Landtags mit. Die "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an, sie sind auch gewaltbereit, im Oktober 2016 erschoss ein Mitglied in Mittelfranken einen Polizeibeamten. Der Dachauer Polizeichef Thomas Rauscher spricht von 24 sogenannten Reichsbürgern im ganzen Landkreis - plus "eine kleine Dunkelziffer". "Wir finden, das sind viele", sagt Rauscher.

Sie lehnen den Staat völlig ab

Die Polizei Dachau hat die örtliche Szene seit 2016 im Auge. 24 Mitglieder klingt nicht nach viel. Aber der Inspektionsleiter gibt zu bedenken, dass diese Personen den Staat völlig ablehnten. Mindestens zwei darunter schätzt er als gefährlich ein. Zwar ging von ihnen noch keine körperliche Gewalt aus, massive verbale Angriffe hingegen schon. Richter des Dachauer Amtsgerichts sind von den beiden sogar mit dem Tod oder schwerer Körperverletzung bedroht worden. Die 24 "Reichsbürger", die auf dem Radar der Polizei sind, wurden als solche eindeutig identifiziert.

Wie hoch die Dunkelziffer von Sympathisanten oder sich bedeckt haltenden Mitgliedern ist, kann niemand sagen. Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner schätzt das Dachauer Land jedenfalls als ein Zentrum der Bewegung ein, die auch über Kontakte zur rechtsextremen Szene verfügen soll. Drei weitere Schwerpunkte liegen im Kulmbacher Raum, im Landkreis Cham und im Chiemgau. Dort hätten sich sogenannte Land- oder Heimatgemeinden gebildet, die eine eigene staatliche Ordnung aufbauen wollten, erklärte Innenminister Herrmann. In Bayern gebe es ungefähr 1700 Personen, die aufgrund "belastbarer Nachweise" den "Reichsbürgern" zuzurechnen sind. Weitere 1600 würden von Polizei und Verfassungsschutz noch überprüft.

Einige geben ihre Geburtsurkunden zurück

Der Dachauer Stadtverwaltung sind namentlich zehn sogenannte Reichsbürger bekannt. Edgar Forster (Freie Wähler) hat das Thema jetzt durch eine Anfrage in den Stadtrat gebracht. Ergebnis: Das Dachauer Rathaus hat mit "Reichsbürgern" immer wieder zu tun - und die Fälle nehmen zu. Einige geben ihre Geburts- oder Heiratsurkunden zurück und wünschen vom Standesamt dafür eine Bestätigung. Oder sie wollen ihren Personalausweis loswerden, was rechtlich möglich ist, solange sie noch über einen gültigen Reisepass verfügen. Andere reichen formale Willenserklärungen zu ihrem Status als "Reichsbürger" ein und drücken ihre Ablehnung des deutschen Staates aus.

Stadtrat Edgar Forster ist vor allem besorgt, inwieweit die Rathausmitarbeiter sicher sind, da sogenannte Reichsbürger kommunale Verwaltungen belästigten, den Betriebsablauf störten und sogar Angestellte gefährdet worden seien. Im Finanz- und Hauptausschuss des Stadtrats teilte die Verwaltung mit, dass in allen Fällen die Mitarbeiter ohne polizeiliche Hilfe zurecht gekommen seien. Sicherheitshalber wurden alle sogenannten Reichsbürger in Dachau auf "sicherheitsrelevante Erkenntnisse" wie etwa das Halten von Kampfhunden überprüft. "Das Ergebnis war negativ." Allerdings ist man auf der Hut: Alle Vorfälle, jeder Auftritt im Zusammenhang mit dieser Gruppierung werden der Polizei und dem Landratsamt gemeldet.

Handlungsanweisung für Rathausmitarbeiter

Die Stadtverwaltung sei für die Problematik sensibilisiert: Es gebe Handlungsanweisungen zum Umgang mit "Reichsbürgern", die Mitarbeiter im besonders betroffenen Einwohnermeldeamt seien geschult worden. Das Rathaus richtet seinen Blick auch nach innen: Die Amtsleiter sind angewiesen, verstärkt zu prüfen, ob eventuell auch städtische Mitarbeiter den "Reichsbürgern" angehören oder nahe stehen.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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